Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

Buchauszug

In Deutschland erschien 1986 das Buch "Holzräderuhren" von Bertold Schaaf, welches inzwischen vergriffen ist aber auf ebay für ca. 50 EUR angeboten wird.

SPITZENWINKEL / STADT HAAG

Im Herzen des »Mostviertels«. zwischen den Flüssen Enns und Ybbs, liegt die Stadt Haag.

Im Umfeld dieser fruchtbaren Region Oberösterreichs wurden im 18. und frühen 19. Jahrhundert in verschiedenen Orten Holzräderuhren gefertigt.

Konkrete Aussagen können wir über eine kleine Gemeinde wenige Kilometer vor den Toren der Stadt Haag machen: Spitzenwinkel. Karl Heinrich berichtet dazu in einem Beitrag zur Geschichte der Stadt Haag: "In dieser Zurückgezogenheit fristet ehrlich und bescheiden unser Gewerbe sein Leben, dem sich vom Jahre 1730 bis 1790 eine Uhrmacherei angegliedert hatte, deren Spitzenwinkler Uhren sich ob ihrer Einfachheit und Gediegenheit allseits großer Beliebtheit erfreuten. Selbe sind noch heute in der weiten Umgebung im tadellosen Gange vorzufinden. Haus Schodermayr in Spitzenwinkel, Kat.-Gem. Radhof, war die Erzeugerstätte." Bis heute ist im Mostviertel der Begriff "Spitzenwinkler Uhr" überliefert, und wir wollen ihn beibehalten. Nachforschungen im Pfarramt Haag haben nun ergeben, daß der Name Schodermayr erst durch Einheirat von Johann Schodermayr 1855 auftaucht. Im gleichen Haus wirkten davor Michael Landsiedl (um 1800) und sein Vater Adam Landsiedl (Mitte 18. Jahrhundert) als Uhrmacher. Sie haben ihre Uhren durch A + L + S (Adam Landsiedl) und M + L + S (Michael Landsiedl) signiert. Spitzenwinkler Holzräderuhren mit diesen Initialen und der stets beigefügten Jahreszahl der Entstehung befinden sich in verschiedenem Privatbesitz in Haag und Umgebung sowie im Mostviertel-Museum in Haag.

Abb. 1) Holzräderuhr mit Spindelgang und kurzem Vorderpendel, signiert und datiert "17 ALS 42" (Adam Landsiedl, Spitzenwinkel/Stadt Haag), Höhe 33 cm
Abb. 2) Holzräderuhr, signiert und datiert "18 MLS 10" (Michael Landsiedl, Spitzenwinkel/Stadt Haag).
Abb. 3) Gehwerk mit Spindelgang und kurzem Vorderpendel, Stundenschlagwerk und Weckerwerk auf drei Glasglocken. Höhe 35 cm

Dieser Überblick (Abb. 1) läßt erkennen, daß in der 70jährigen Fertigungsgeschichte sowohl das Festhalten an einzelnen Konstruktionsprinzipien wie auch Veränderungen und Entwicklungen feststellbar sind.

Bemerkenswert erscheint dabei zunächst, daß Adam Landsiedl bei der ältesten Uhr von 1742 (Abb. 1) statt Holzzähnen in allen Rädern (außer dem Zeigerrad) Eisenstifte verwendet, ein Bauprinzip, das auch in anderen geographischen Bereichen immer wieder nachweisbar ist (vgl. z. B. die böhmischen Schwalbenschwanzuhren). Die Eisenstifte bei dieser Uhr sind vorn abgeflacht und leicht zugespitzt.

Bereits bei der Uhr von 175o (vgl. Abb. 4) ist die Zahnung mit Eisenstiften aufgegeben. Nur Steigräder und Kronräder bleiben, auch bei Michael Landsiedls Uhren, in Zukunft gestiftet. Ein Vergleich der Zähnezahlen zeigt, daß die Eisenstifte eine engere Verzahnung erlaubten (Vergleich der Bodenräder: 1742 = 6o Zähne, 175o = 48 Zähne).

Weitgehend unverändert bleiben die eigentümlich langgezogenen Triebstöcke von ca. 25 mm Länge. Nur bei der letzten Uhr von 1810 haben die Triebstöcke ein normales Maß, vermutlich aus Platzgründen, weil hier drei Werke hintereinander gelagert sind.

Unverändert während der 70jährigen Fertigungszeit ist auch die Konstruktion des Werkgestells. Charakteristisch dafür ist die Verzapfung mit dem Querbalken im oberen Drittel und das Einlassen und Verkeilen der Gestelldecke in die vier Eckpfeiler. (Elemente dieser Gestellbauweise können auch im weiteren Raum Linz/Salzburg beobachtet werden.) Zur Lagerung von Spindelwelle und Steigrad ist als Brücke über die vordere und rückwärtige Platine unter dem abnehmbaren Werkdach eine Holzleiste eingesetzt.

Alle Landsiedl-Uhren waren mit Glasglocken versehen. Außer der letzten Uhr von 1810 (Abb. 2 und 3) waren auch alle einzeigrig. Bei der Zeitanzeige dieser späten Holzräcleruhr liegt der Stundenring für den langen Zeiger außen, der Ring für die Viertelstunden innen: in ihm ist — was selten vorkommt — zusätzlich eine Minuterie angegeben.

Alle vier Uhren sind mit einem Weckerwerk gebaut. Bei den Uhren von »A+ L+S« handelt es sich dabei um einfache Stiftenwecker mit einem einzelnen Weckerrad seitlich oder hinter dem Gehwerk.

Ganz anders die Weckerwerke in den Uhren von »M+L+S«. Sie gehören zum Ungewöhnlichsten, was in dieser Beziehung bei Holzräderuhren gebaut worden ist. Zunächst: das Räderwerk ist ähnlich einem kompletten Schlagwerk gebaut, das heißt, es setzt sich aus Bodenrad (Schlagrad), zwei Zwischenrädern und einem Windflügel zusammen. Durch diese ungewöhnliche Bauweise boten sich zwei Möglichkeiten. Entweder ließ man das Weckenverk nach der Auslösung ablaufen, bis das Gewicht auf dem Boden angekommen war, was eine ununterbrochene Läute-zeit von mehreren Minuten bedeutete, oder man stellte den Wecker bald wieder ab, wozu der Auslösestift in der Weckerscheibe gezogen werden mußte. Es genügte dann, das Weckerwerk ein-oder zweimal in der Woche aufzuziehen. In jedem Fall wurde, wer eine solche Spitzenwinkler Uhr besaß, wahrhaft sanft aus dem Schlaf geholt. Das Schlagen des Weckers war nämlich — und das ist das eigentliche Phänomen dieser Weckerwerke — ein ausgesprochen harmonisches Läuten auf drei (!) wohl abgestimmte Glasglocken, die in ruhiger, gleichbleibender Folge angeschlagen wurden. Bei der Uhr von »M+L+S« 1810 wird beispielsweise fortwährend der Dreiklang »c-g-c« gebildet. Recht bescheiden wirkt dagegen das ...

Der Rest des Textes fehlt leider ...

Abb. 4
Abb. 5