Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

Kurier, 30. 1. 1962

Opfer des Unglücks: Ernst Wiesmayr.
Der Unglücksschacht, vor dem eine Christophorus-Statue steht.

Tragödie bei Amstetten:

Brennender Mann stürzte in Brunnenschacht und ertrank

Lebende Fackel am Stahlseil / Sicherungsgurt riß / Nach Löschversuch abgestürzt

Amstetten (Eigenbericht). Auf grauenvolle Webe kam gestern in einem 38 Meter tiefen Brunnenschacht neben dem Sporthotel in Strengberg der 35jährige Installateur Ernst Wiesmayer ums Leben. Sechs Minuten schwebte der Mann, dessen Kleider Feuer gefangen hatten, als brennende Fackel im Schacht. Zweimal versuchten seine Kollegen, ihn zu retten, indem sie ihn mit Hilfe der Stahltrosse ins Brunnenwasser tauchten. Dann, als man den Verunglückten ans Tageslicht ziehen wollte, rissen die durch die Flamme beschädigten Sicherheitsgurten, und der Unglückliche stürtzte aus einer Höhe von zehn Meter wieder auf den Brunnengrund zurück. Er konnte nur noch tot geborgen werden.

Bereits vergangenen Freitag war der Installateurmeister und Brunnenmacher Wiesmayer aus Stadt Haag von dem Inhaber des Sporthotels in der Ortschaft Strengberg in Niederösterreich mit der Reparatur des Wasserbrunnens beauftragt worden. Die Wasserpumpe sollte überholt werden. Gleich bei Arbeitsbeginn stellte der Installateur fest, daß Stickstoff und Gase im Brunnenschacht vorhanden waren. Man beschloß daher, den Brunnen über das Wochenende „ausdampfen" zu lassen.

Gestern früh um acht Uhr fanden sich wieder Installateurmeister Wiesmayer und seine beiden Gehilfen Hans Redl und Hermann Brok an der Arbeitsstelle im Garten des Sporthotels ein. Sofort wurde die übliche Gasprobe vorgenommen. Zweimal ließen die erfahrenen Brunnenfachleute eine brennende Kerze bis zu dem in 37 Meter Tiefe gelegenen Wasserspiegel, und jedesmal konnte die Kerze unverlöscht wieder heraufgeholt werden.

Nach diesem günstigen Zeichen wollte sich der Installateur Hans Redl zur ersten Besichtigung der Arbeitsstelle In den Brunnenschacht abseilen lassen. Im letzten Moment traf aber der Meister eine andere Anordnung. Er selbst wollte als erster In den Schacht einsteigen.

Zuerst ging alles glatt. Langsam ließen die zwei Helfer und der Besitzer des Sporthotels den mit einer brennenden Petroleum-Sturmlampe ausgerüsteten Installateurmeister an einer vorschriftsmäßigen Stahlseilvorrichtung in den Brunnenschacht.

Etwa drei Meter über dem Wasserspiegel rief Wiesmayer das erstemal „halt" zum Brunnenrand. Fast zehn Minuten benötigte der Meister, um beim dürftigen Schein der Sturmlampe seine erste Untersuchung anzustellen. Dann gab der Installateur das Zeichen zum weiteren Abseilen. Wiederum ließ er die Fahrt stoppen. Und da passierte es plötzlich.

„Ich sah auf einmal viele Flammen in der Tiefe züngeln", erzählte völlig verstört der Besitzer des Sporthotels den „Kurier"-Reportern, „gleichzeitig bemerkte ich, wie Wiesmayer versuchte, die Flammen an seinem Körper mit den Händen zu ersticken. Im selben Moment rief auch schon Wiesmayer von einer Tiefe aus 36 Metern: ,Ich brenne, laßts mich ins Wasser."

Rasch lockerten die am Brunnenrand stehenden Männer das Seil und tauchten den bereits lichterloh brennenden Mann in das 80 Zentimeter tiefe Brunnenwasser. Obwohl die Helfer eine geraume Zeit verstreichen ließen und dann erst wieder die Seile aufspulten, waren die Flammen am Körper Wiesmayers noch nicht erloschen. „Noch einmal!" rief auch der bereits sichtlich geschwächte Installateurmeister mit letzter Kraft den Leuten an der Seilwinde zu. Und wieder ließ man das Seil sausen und Wiesmayer in das Brunnenwasser stürzen.

Beim neuerlichen Hochziehen gab der Verunglückte nur noch schwache Lebenszeichen, so daß man sich entschloß, den an den Stahltrossen hängenden Mann an das Tageslicht zu ziehen. Mühsam und schweißtriefend drehten die drei Männer an der Winde, und da passierte das zweite Unglück.

Ungefähr. zehn Meter über dem Wasserspiegel rissen die durch das Feuer stank mitgenommenen Sicherungs gurten_ Wiesmayer, der offenbar bereits bewußtlos war, stürzte aus seinem Sessel und fiel auf den Grund des Brunnens zurück. Mit Tränen in den Augen erkannten die Helfer, daß jetzt jede Hilfe zu spät kam.

Zwei Stunden später bargen die Feuerwehren von Amstetten, Linz und den umliegenden Ortschaften den toten Installateurmeister, der am ganzen Körper Brandwunden aller drei Grade aufwies und ertrunken sein dürfte. Als vorläufige Brandursache stellten die Experten fest, daß die Sturmlampe zersplittert war und daß sich das ausfließende Petroleum über Wiesmayer ergossen haben dürfte. Die Flamme und eventuell noch leichte Gasrückstände im Brunnenschacht ließen den Mann zu einer brennenden Fackel werden.

Ernst Wiesmayer, dessen Eltern in Stadt Haag das größte Installateurgeschäft besitzen, hinterläßt eine Frau und zwei Kinder im Alter von fünf und drei Jahren. Ein Bruder des Toten kam erst vor einiger Zeit bei einem Verkehrsunfall ums Leben.