Genanntname
Ein Genanntname, auch Vulgoname, ist ein Name, bei dem der Hausname aufgrund der Bindung an einen Bauernhof oder seltener ein Haus den wirklichen Namen einer Person überlagerte oder ihm beigefügt wurde. Die „Genannt-Namen“ stammen zum Teil aus der Zeit, als die Familiennamen eingeführt wurden (spätes Mittelalter). Bei späteren Namensbildungen dieser Art bezog sich der „Genannt-Teil“ oft auf den Besitz, oder die Namen entstanden infolge einer Adoption, wobei sich der „Genannt-Teil“ auf den Namen des Adoptivvaters oder gegebenenfalls der Adoptivmutter bezog. Ursprünglich galten sie für eine Einzelperson, später für die ganze Familie.
Genanntname als Hofadresse
Der Genanntname hatte bei agrarwirtschaftlichen Familien mit Hofbesitz sowohl die Funktion einer Adresse wie auch die Funktion eines Familiennamens. Er steht in der Tradition der von-und-zu-Namen des Adels, in denen ursprünglich erworbene Ansitze die Stammsitze im Namen verdrängen (Neuerwerbungen wie Nebenlinien).
Ein Genanntname ist in Kirchenbüchern oder anderen Dokumenten zu erkennen an Zusätzen wie: vulgo, modo, vel, alias, oder, gen., an, auf, zu und ähnlichen, regional unterschiedlichen Formulierungen. In manchen Regionen war die Bindung des Namens an den Hof so total, dass der wirkliche Name eines Bauern völlig dahinter zurücktrat und verlorenging, ohne dass dies in Kirchenbüchern oder anderen Dokumenten mit einem der Zusätze dokumentiert ist.
Im Rheinland endete diese Sitte 1798 mit Einführung der Personenstandsregister durch die Franzosen. Hier durfte nur noch der Name geführt werden, der bei der Geburt ins Kirchenbuch eingetragen worden war. In Preußen galt dies ab 1816. In den Alpenländern ist die Sitte aber bis heute verbreitet, der Hofname wird beispielsweise in Österreich bis heute in den Telefonbüchern auf Wunsch vermerkt und teils amtlich verzeichnet, und ist im örtlichen Bekanntenkreis oft die primäre Anrede.
Bei temporären Pachtverhältnissen konnte es sogar vorkommen, dass eine Person mehrere Genanntnamen trug.
- Beispiel:
Bauer Müller hat einen Sohn Johann. Bauer Müller übernimmt den Schmelzerhof und damit für sich und seinen Sohn den Namen Schmelzer. Nach zwölf Jahren übernimmt er den Barmannshof, womit sein Name von Schmelzer zu Barmann wechselt. Sein Sohn heiratet die Tochter vom Windmannshof und heißt nun Windmann.
Sohn Johann trug damit im Lauf seines Lebens vier verschiedene Namen:
- Johann Müller (bei der Geburt)
- Johann Schmelzer (im Kommunikantenverzeichnis)
- Johann Barmann (bei der Hochzeit)
- Johann Windmann (bei der Taufe seiner Kinder)
Wer seinen Familiennamen auf einen Hof mit Genanntnamen zurückführt, ist daher nicht zwangsläufig mit Trägern des gleichen Namens verwandt. Sie verbindet nicht die Abstammung, sondern lediglich der (frühere) Wohnsitz.
Gelegentlich sind Genanntnamen auch bei unehelichen Geburten oder als Beiname bei häufigen Familiennamen zur Unterscheidung innerhalb der dörflichen oder städtischen Gemeinschaft zu finden.
Neben der Bauernschaft findet sich die Sitte verbreitet auch bei Wirtsleuten, die nach ihrem Gasthof heissen, so war Andreas Hofer zu seiner Zeit als „der Sandwirt zu Passeier“ bekannt.