Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

Österreich

Im Hungerwinter 1847/1848 traf die wirtschaftliche Not die ohnehin schon benachteiligten Bevölkerungsgruppen am härtesten. Auch in der Arbeiterschaft war nun die Wut auf das überkommene politische System kurz vor dem Überlaufen. Werke wie Alfred Meißners Neue Sklaven oder Karl Becks Gedicht Warum wir arm sind geben ein anschauliches Bild von der Wut und Verzweiflung, die unter der Bevölkerung herrschte.

Schließlich brach am 13. März 1848 die Revolution in Österreich aus. Dem Sturm auf das Ständehaus folgten Anschläge von Sozialrevolutionären gegen Läden und Fabriken in den Wiener Vorstädten. Das Lied Was kommt dort von der Höh, wobei sich die „Höh’“ auf die Polizei und die Kasernen bezog, wurde zum Lied der Revolution. Es wird heute noch von diversen Studentenverbindungen gesungen, um der Beteiligung der Akademischen Legion zu gedenken.

Vor dem Sturm auf das Ständehaus wurden in einer schon am 3. März 1848 vom ungarischen Nationalistenführer Lajos Kossuth verfassten Rede der Unmut gegen das politische System und die Forderungen der Revolutionäre nach einer konstitutionellen Umwandlung der Monarchie und nach Verfassungen für die österreichischen Länder ausgedrückt. Diese Rede wurde in der Ständeversammlung von Adolf Fischhof verlesen. Der Versuch, eine Petition an Kaiser Ferdinand zu überbringen, entwickelte sich zu einem regelrechten Demonstrationszug; der Feuerbefehl von Erzherzog Albrecht forderte die ersten Todesopfer. In der Nacht auf den 14. März 1848 kam es in den Vorstädten und Vororten zu Plünderungen und Brandstiftungen, gegen die das Bürgermilitär mit Waffengewalt einschritt. Es gab insgesamt 46 Tote, von denen nach zeitgenössischen Berichten 23 Opfer des Militäreinsatzes gegen die am 13. März begonnene politische Bewegung waren.

Am Abend des 13. März 1848 trat der inzwischen 74-jährige Staatskanzler Fürst Metternich, die verhasste Symbolfigur der Restauration, zurück und floh nach England. Dieses Ereignis wurde zum Beispiel durch Hermann Rolletts Gedicht Metternichs Linde thematisiert.

Am 15. März 1848 machte Kaiser Ferdinand I. erste Zugeständnisse. Er versprach die Abschaffung der Zensur und eine Staatsverfassung. Eine am 21. März 1848 gebildete provisorische Staatsregierung erarbeitete daraufhin die Pillersdorfsche Verfassung, allerdings ohne Beteiligung einer Volksvertretung. Diese oktroyierte Verfassung wurde Ende April 1848 vorgelegt und führte erneut zu Protesten der Bevölkerung, die in den zweiten Wiener Aufstand mündeten. Auf den revolutionären Druck hin wurde am 15. Mai 1848 die Märzverfassung wieder zurückgenommen. Der überforderte und führungsschwache Kaiser brachte sich am 17. Mai 1848 durch seine Flucht nach Innsbruck vor den sich verstärkenden Unruhen in Sicherheit.

Am 16. Juni schlugen österreichische Truppen unter Alfred Fürst zu Windischgrätz den Pfingstaufstand in Prag nieder.

Am 22. Juli 1848 wurde der konstituierende österreichische Reichstag mit 383 Delegierten aus Österreich und den slawischen Kronländern von Erzherzog Johann in der Winterreitschule eröffnet. Unter anderem wurde dort Anfang September die Bauernbefreiung von der Erbuntertänigkeit beschlossen. Die Dankbarkeit bei den Bauern dokumentiert zum Beispiel das „neue Lied vom allverehrten Kaiser Ferdinand“ (1848).

Infolge der Ereignisse in Ungarn seit dem 12. September 1848, bei denen unter Führung von Lajos Kossuth der ungarische Aufstand in eine kriegerische Auseinandersetzung gegen die kaiserlichen Truppen mündete, und nach der Ermordung des österreichischen Kriegsministers Theodor Graf Baillet von Latour am 6. Oktober 1848 kam es in Wien zur dritten Phase der österreichischen Revolution.

Der Wiener Oktoberaufstand 1848, oft auch „Wiener Oktoberrevolution“ genannt, war die letzte Erhebung der österreichischen Revolution 1848. Als am 6. Oktober 1848 von Wien aus kaiserlich österreichische Truppen gegen das aufständische Ungarn ziehen sollten, versuchten die mit den Ungarn sympathisierenden Wiener Arbeiter, Studenten und meuternde Truppen den Abmarsch zu verhindern. Es kam zu Straßenkämpfen, wobei selbst im Stephansdom Blut vergossen wurde; Kriegsminister Graf Theodor von Latour wurde von der Menge gelyncht. Der Hof floh mit Kaiser Ferdinand am 7. Oktober nach Olmütz, der Reichstag wurde am 22. Oktober nach Kremsier verlegt. Gerettet wurde der Hof durch den ersten österreichischen Lokführer Carl Grundmann, der später in Herzogenburg die größte Schließwarenfabrik der Monarchie gründete, finanziert mit den dafür erhaltenen Belohnungen. Im Verlauf der Kämpfe gelang es den Wiener Bürgern, Studenten und Arbeitern, die Hauptstadt in ihre Gewalt zu bringen, nachdem die Regierungstruppen geflohen waren.

Aber die Revolutionäre konnten sich nur kurze Zeit halten. Am 23. Oktober wurde Wien von konterrevolutionären Truppen, die aus Kroatien (unter dem Banus Joseph Jellačić) und aus dem böhmischen Prag (unter Feldmarschall Alfred Fürst zu Windischgrätz) angerückt waren, eingeschlossen. Am 26. Oktober begann das österreichische und kroatische Militär mit der Beschießung Wiens. Nach einer Woche wurde Wien gegen den heftigen, aber aussichtslosen Widerstand der Wiener Bevölkerung von den kaiserlichen Truppen wieder eingenommen und die Innere Stadt am 31. Oktober erstürmt.

Rund 2000 Aufständische waren gefallen. Weitere Anführer der Wiener Oktoberrevolution fielen der anschließenden blutigen Rache der Militärs zum Opfer. Viele wurden zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt. Darunter waren unter anderen Wenzel Messenhauser, ein bedeutender Anführer der Aufständischen, die Journalisten Alfred Julius Becher sowie Hermann Jellinek, welche alle in den darauf folgenden Tagen hingerichtet wurden.

Unter den standrechtlich erschossenen Opfern war neben anderen auch der populäre, dem linken Flügel der Liberalen zugeordnete Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung, Robert Blum, der am 9. November 1848 trotz seiner parlamentarischen Immunität hingerichtet und damit zu einem Märtyrer der Revolution wurde. Sein Tod unterstreicht die Machtlosigkeit der Frankfurter Nationalversammlung und macht ihn zum Symbol der gescheiterten Märzrevolution. Für die junge Arbeiterbewegung in Deutschland wird er zu einer ihrer wesentlichen Leitfiguren. Das Schicksal Blums wird in zahlreichen literarischen Werken beschrieben, wie im Robert Blum – Lied oder im Lied vom Robert Blum von Ludwig Pfau, 1849, welche aber vorwiegend in Deutschland gesungen wurden.

Am 2. Dezember 1848 kam es in Österreich zum Thronwechsel. Die revolutionären Ereignisse hatten die Führungsschwäche von Kaiser Ferdinand I. verdeutlicht. Auf Initiative des Feldmarschallleutnants Felix Fürst zu Schwarzenberg dankte Ferdinand ab und überließ den Thron seinem 18-jährigen Neffen Joseph, der den Kaisernamen Franz Joseph I. annahm. Mit diesem Namen lehnte er sich bewusst an seinen Urgroßonkel Joseph II. (1741–1790) an, dessen Politik für Reformfreudigkeit gestanden hatte. Franz Joseph I. wurde noch an Ort und Stelle in Olmütz gekrönt.

Damit war die Revolution in Österreich niedergeschlagen. Die im März ausgearbeitete Verfassung trat nie in Kraft. Allerdings blieben die Ereignisse in Ungarn und Italien zunächst noch ein Hindernis für Franz Joseph I., seinen Machtanspruch im ganzen Habsburgerreich durchzusetzen.

Kulturell war das Jahr 1848 durch die kurzfristige Aufhebung der Pressezensur durch Ferdinand I. am 15. März 1848 geprägt. Dies hatte zur Folge, dass eine Vielzahl von Werken veröffentlicht wurde, Zeitschriften aus dem Boden schossen und wieder verschwanden und sich die Schreibkultur grundlegend wandelte. Friedrich Gerhards Die Presse frei!, M. G. Saphirs Der tote Zensor, das Zensorlied oder Ferdinand Sauters Geheime Polizei geben ein Bild von der Aufbruchstimmung. Es wurde auch scharfe Kritik am bestehenden System geübt. Beispiele dafür finden sich in Johann Nestroys Freiheit in Krähwinkel, Der alte Mann mit der jungen Frau, Skizzen zu Höllenangst, Lady und Schneider oder Die lieben Anverwandten (1848), Politische Gedichte von Anastasius Grün sowie Schriften von Franz Grillparzer (Dem Vaterlande, Gedanken zur Politik).

Die Errungenschaften der Märzrevolution gingen zum größten Teil verloren und Österreich trat in die Phase des Neoabsolutismus ein.