Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

DIE VESTE ROHRBACH

An der Landstraße, die die Stadt Haag mit Weistrach verbindet, liegt der adelige Landsitz Rohrbach. Das Schloss, für das früher oft die Ausdrücke „Veste“ oder „Burg“ verwendet wurden, zeigt heute noch in seiner ganzen Anlage seine ursprüngliche Zweckbestimmung als Verteidigungswerk. Gegen Norden zu fällt das Gelände rasch zu einem Nebenbach der Zaucha ab, dessen leise plätschernde Wellen das Bauwerk in weitem Bogen umfließen. Nach Süden zu senkt sich die Platte, auf der das Schloss steht, nur allmählich, einen weiten freien Blick gewährend. An allen vier Ecken des nicht allzu großen Gebäudes erheben sich wehrhafte behelmte Türme.

Aussehen des Schlosses

Was wir heute in Rohrbach vor uns stehen sehen, ist zwar ein aus der Barockzeit stammendes Schlösschen und nicht mehr die von Ulrich I. von Rohrbach oder seinen Söhnen (Wolfgang I., Hans I., Ulrich II.) erbaute gotische Burg aus der Zeit um 1400; aber der am Beginn des 17. Jahrhunderts erfolgte Umbau der Burg in ein rechteckiges, zwei Stock hohes Schloss mit vier Ecktürmen und einem Torturm war nicht so grundlegend, dass nicht auch heute noch der Burgcharakter der alten „Veste" dem Auge sichtbar würde. Wir brauchen uns nur ein Stockwerk wegzudenken, an Stelle der Toreinfahrt eine Zugbrücke mit einem Wassergraben um das Schloss uns vorzustellen, und schon dürften wir im wesentlichen den Umfang und die Größe der mittelalterlichen Burg vor uns haben. Der Park beim Schloss mit der weitgezogenen Gartenmauer, die Kapelle im Westen des Hauses, dem heiligen Johannes von Nepomuk geweiht und baulich nicht mit dem Schloss verbunden, sind Zutaten aus späterer, barocker Zeit. Der saalartige Kapellenbau weist eine flache Decke auf, das Altargemälde des Rokoko-Altares stellt den heiligen Johannes Nepomuk mit der beichtenden Gemahlin des Böhmenkönigs dar und stammt aus der Hand des berühmten Kremser Malers Martin Johann Schmidt. (Heute ist das Gemälde entfernt, da die Kapelle nicht mehr benützt wird.)

Gehörte die mittelalterliche Veste Rohrbach somit nicht zu den bedeutenden und großen des Landes, so haben es doch ihre Besitzer, die Ritter von Rohrbach, verstanden, ihren Einfluss immer mehr auszudehnen und aus dem Ritterstand in den Herrenstand aufzurücken.

Anfänglich im Dienste der Habsburger und der Wallseer Herren (als Vögte der Bischöfe zu Bamberg) hergekommen und in diesen Boden eingepflanzt, hatte sich das Geschlecht rasch eine mittelgroße Herrschaft gegründet, deren Ausbau um 1420 beendet erscheint. Der Meierhof dieser Herrschaft stand nordöstlich der Burg, noch vor dem Abfall der Hochfläche zum Bache, die bäuerlichen Untertanen saßen teils in unmittelbarer Umgebung, teils etwas verstreuter bis in den Markt Haag hinein.

Wege des Aufstiegs

Mit diesem Besitz und mit dieser Burg ließ sich bestimmt leben und wirtschaften, zumal ja auch die Herrschaft Klingenbrunn mit Rohrbach vereinigt war. Aber ein Sprung in ein „höheres Dasein", zu größerem Einfluss und gewichtigerer Bedeutung war von diesem Sprungbrette, von den Besitzungen um Haag aus, nicht durchzuführen. Die Wege des Aufstieges für die Rittergeschlechter gehen nicht über die bessere Ausnützung ihrer Lehen. Die große Chance lag im Ausüben eines höheren Amtes. Hohe Hofämter, vor allem Finanzämter, Tätigkeit als Söldnerführer, weitgehend aus eigenen Geldmitteln finanziert gegen Verpfändung landesfürstlicher Einkünfte und Herrschaften, schufen große Vermögen und politische Machtpositionen. Wurden sie entsprechend genutzt, so ermöglichten sie weitere Besitzanhäufungen.

Nach solchen Grundsätzen sehen wir auch das Geschlecht der Rohrbacher durchaus und länger als ein Jahrhundert handeln. Das Glück war ihnen hierbei hold. Schon Ulrich I., der Vogt zu Haag, der etwas nach 1388 gestorben ist, hatte die Stelle eines Landrichters ob der Enns, sicherlich durch die Gunst der Herren von Wallsee, inne und hat als Landrichter im Jahre 1375 eine Urkunde besiegelt. Sein Sohn Wolfgang I. wird Vogt zu Wels, der andere Sohn Ulrich II. erbt zuerst Rohrbach; die Stelle eines Pflegers auf Schloss Seisenegg schien ihm aber mehr zu tragen und so übergab er seinem Bruder Hans I. das väterliche Erbe (zwischen 1419 und 1422). Hans I. brachte dann Klingenbrunn an sich, bekundete am Sankt-Valentins-Tag 1435 seinen letzten Willen und starb im Jahre darauf. Am 12. Mai 1436 wurde er im Erdbegräbnis zu Haag bestattet. Er hat im Testament allerdings seinen Sohn Heinrich bedacht, von dem dann die urkundlichen Quellen vollständig schweigen. Wahrscheinlich ist er früh gestorben, da Rohrbach und Klingenbrunn an die Linie Ulrichs II., des Pflegers zu Seisenegg, zurückfällt. Bei den Söhnen dieses Mannes ist es nun besonders auffallend, wie die Politik, Ämter und Herrschaften im Dienste höherer Herren oder gar des Kaisers zu verwalten, reiche Früchte trägt. Der eine von ihnen, Johannes von Rohrbach, beteiligte sich zunächst im Jahre 1451 mit seinem Bruder an dem Zuge Friedrichs III. nach Rom, an dessen Kaiserkrönungs- und Vermählungsfeierlichkeiten, dann stand er dem Monarchen im innenpolitischen Parteikrieg treu zur Seite.

Johannes von Rohrbach und die große Politik

Als der Herren- und Ritterstand in Osterreich dem Kaiser Schwierigkeiten um Schwierigkeiten machte, konnte Johannes von Rohrbach leicht seine Position im kaiserlichen Dienste verbessern. Als er gar mit dem Kaiser im Herbst 1462 in der Wiener Burg belagert und von des Kaisers Feinden eingeschlossene war, blieb dann nach glücklich überstandener Gefahr der Lohn für diese innenpolitische Parteinahme nicht aus. Freilich, beinahe wäre die, feindliche Partei, angeführt vom Bruder des Kaisers, siegreich gewesen; aber doch nur beinahe!

Johannes von Rohrbach, römisch kaiserlicher Majestät „Rath und Kämmerer", erhält nun am 18. 5. 1463 zu Wiener Neustadt die Herrschaft Neuburg am Inn mit den dazugehörigen Burgen Wernstein, Frauenhaus und Neuenfels; er wird überdies fünf Tage später in den Freiherrnstand erhoben für seine Verdienste „besunders an unserem Zug gegen Rom und Napels ... auch für den getreuen beystand ... in unserer Burgkh zu Wienn".

Schon tags darauf verlieh ihm der Kaiser den Reichsadler in den Schild und erhob die Herrschaft Neuburg am Inn samt allem Zubehör zur Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches - und Johannes von Rohrbach, Christoph, seinen Sohn, und alle Leibeserben zu Grafen und Gräfinnen.

Salaberg in seinem Besitz

Der steile Aufstieg vom Ritter zum Grafen wäre aber nur unvollständig geschildert, wenn nicht auch noch aufgezeigt würde, wie er mit Übernahme verpfändeter Güter, Kauf und Wiederverkauf von Herrschaften begleitet war und wie solche finanzielle Operationen offenbar das Vermögen mehrten. Die schon lange als Pfand ausgegebene Herrschaft Salaberg wurde von Johannes von Rohrbach vorübergehend in Besitz genommen. Das nö. Gültbuch vermerkt unter dem Jahre 1459, dass sie ihm von Kaiser Friedrich III. pfandweise überlassen wurde. Einmal nur in der ganzen Geschichte der bambergischen Hofmark Haag sind die beiden Herrschaften Rohrbach und Salaberg in einer Hand gewesen! Glücklicherweise, hat diese so geballte Machtstellung im Haager Gebiet mit dazu beigetragen, dass Haag selber - auf Bitten des Johannes von Rohrbach - durch Kaiser Friedrich die Bestätigung der Marktrechte erhalten hat (1463). Auch die Förderung des Hafnergewerbes ist unserem Rohrbacher, der zugleich Salaberger Herr war, zu verdanken.

Fehden und Feindschaften

Aber auch die Herrschaft St. Peter in der Au muss Johannes auf kurze Zeit innegehabt haben, ehe er Herr auf Neuburg wurde. Er verkaufte sie nur sehr bald wieder an seinen Bruder, den Ritter Georg von Rohrbach (anno 1462). Georg war seinerseits wiederum Pfleger zu Wildenstein und gleichfalls ein Günstling des Kaisers Friedrich, der ihn einst auf der Tiberbrücke zu Rom zum Ritter geschlagen hatte (1451). Die Herrschaften wandern rasch von einer Hand in die andere. Auch über kaiserliche Salzstätten scheint H. v. Rohrbach verfügt zu haben. Was jedoch nützte all der Glanz, den die Rohrbacher nun in ihrem Geschlecht vereinigt hatten? Für das Volk waren die Zeiten dennoch traurig genug und sie wurden nicht besser dadurch, dass ihr Herr durch die Parteipolitik so groß geworden war. Denn die Feinde des Johannes von Rohrbach schliefen nicht, sie rührten sich, und das bedeutete bei den damaligen Rechtsverhältnissen, wo kein Richter über dem Adel stand und jeder selber sich sein angebliches Recht mit starker Faust holte, beständige Fehden. So erfahren wir, dass Steffan von Einzing, ein großmächtiger Herr, ,,Hanssen von Rohrbach, Frey-Herrn zu Neuburg, seinem Nachbarn viel Wein und Saltz genommen hab. - „Ein betrübter Zustand war damals in ganz Osterreich und kein ruhiger Winkel gefunden", so schreibt Preuenhuber in seinen Annalen der Stadt Steyr. Selten ist das Austragen der Adelsfehden ohne großen Schaden, „sonderlich ohne Plünderung nicht" abgegangen. Um den Besitz der Stadt Steyr, die eigentlich dem Kaiser Friedrich III. gehörte, wurde zwischen den Parteien viel gekämpft. Ganz gewiss hat Johannes von Rohrbach nicht bloß sich berauben lassen, wie oben erwähnt, sondern selber in den Fehden wieder kräftig zugeschlagen; das alles aber ging auf Kosten des Landvolkes, dessen Äcker und Fluren verwüstet wurden.

So hat Johannes von Rohrbach, trotz unstreitbarer Verdienste um Haag, im mündlich weiter erzählten Andenken der Haager keinen guten Ruf. Er gilt sogar in der Sage als „Räuber", der die Gegend verwüstet hat. Ein unterirdischer Gang, der heute noch deutlich sichtbar von Salaberg weg in Richtung Steyr führt, soll der Volksmeinung nach von ihm angelegt worden sein. Dem Alter des Steinwerkes nach kann das auch durchaus zutreffen. Der Gang ist jedenfalls als ein typischer Fluchtweg angelegt und führt aus dem Vorwerk, das als Verteidigung die Burg Salaberg umgibt, hinaus. Wo der Gang ins Freie mündet, konnte bis jetzt nicht gefunden werden; ein sehr tiefes Eindringen in den etwa 200 m langen Gang ist wegen der großen Einsturzgefahr zu gewagt. Unmöglich und ganz und gar unglaubhaft ist jedoch die phantastische Meinung, dass er bis nach Steyr geführt habe. Wahrscheinlich hat er in der Mulde unterhalb des Werkgarnhofes irgendwo geendet.

Abstieg der Rohrbacher

So kometenhaft der Aufstieg Johanns von Rohrbach auch war, dauernder Segen ruhte nicht auf ihm und seinen Nachkommen. Die Tage des Glückes entschwanden schnell. Trauer zog in Rohrbachs Burgen ein, als der Vater an der Bahre des einzigen Sohnes stand (aus der Ehe mit Scholastika von Weißbriach), auf den er Namen und Schild, den Stolz und Reichtum wie die Gnade des Kaisers übertragen hätte können. Als dann Johannes bald darauf, im Jahre 1467, dahinsank, wurde er in Formbach begraben; die Grafschaft Neuburg am Inn geriet den Rohrbachern in Verlust, auch Salaberg, das Pfand des Kaisers, kam an ein anderes Geschlecht (Hinterholzer). Burg Rohrbach aber ist an den Bruder und dessen Linie übergegangen, an die Nachkommen Georgs I. von Rohrbach, der im selben Jahre (1467) gestorben ist und in der Familiengruft zu Haag bestattet wurde.

Teilung in zwei Linien

Besitzstreitigkeiten sind nun um die Güter der Rohrbacher ausgebrochen und eine sichere Nachricht, wer die Veste Rohrbach innegehabt hat, fehlt für die. folgenden Jahrzehnte. Wolfgang II., ein Sohn Georgs I., hat jedenfalls noch St. Peter in der Au besessen, dazu Pernstein in Ungarn und die Pflege der Herrschaft Orth vom Kaiser erhalten; durch Heirat erwarb er sich Marbach. Von ihm stammen dann zwei Linien ab: die eine der Rohrbacher zu Rohrbach und Marbach, begründet durch Hans II., die andere der Rohrbacher zu Klingenbrunn, begründet durch Sebastian. Ein dritter Rohrbacher, Georg und seines Namens der II., war als Ritter und Söldnerführer während des Ungarneinfalles in Steyr tätig.

Ungarn in Rohrbach

Die Burg Rohrbach selber hat im Ungarnkrieg keine unbedeutende Rolle gespielt. Leider stand die Festung bald nicht mehr den Österreichern zur Verfügung. Matthias Corvinus, der König der Ungarn, der 1485 Wien eingenommen hatte, sandte seine Truppen gegen die Enns und um den 10. August 1487, zwei Jahre später als den Markt Haag, nahmen sie auch Schloss Rohrbach ein. Sie betrachteten es offenbar als einen guten Stützpunkt in ihrem Kampf um den Ennsübergang und auch für ihr Eindringen ins südliche Bergland, wo Behamberg und St. Michael wie auch die Stadt Steyr rasch in Verteidigungszustand gegen sie versetzt worden waren. Durch die Einnahme von Haag konnten sie bis Ernsthofen und direkt an die Enns vorrücken. Es wäre nun eine gewaltige Erschütterung der ungarischen Stellungen an der Enns gewesen, wenn es gelungen wäre, die Festung Rohrbach in ihrem Rücken ihnen wieder abzunehmen.

Herzog Albert von Sachsen, von Kaiser Friedrich als Führer des Reichsheeres gegen die Ungarn geschickt, befahl aus diesem Grunde am Freitag nach dem Laurentitage (10. 8.) den Steyrer Bürgern, nach Rohrbach zu ziehen und die Festung zu berennen. Die Ungarn hatten die Veste Rohrbach jedoch noch besser ausgebaut und geschützt, und ihre Rückeroberung gelang nicht. Nun wurde Herr Georg von Wilffersdorf beauftragt, die Belagerung Rohrbachs fortzusetzen. Am Freitag vor Bartholomäi (24. 8.) riefen Wilffersdorf und der kommandierende Hauptmann in Rohrbach, Herr Georg Schrott, dringendst die Steyrer zu Hilfe und baten sie, noch in derselben Nacht vor Rohrbach zu erscheinen, da ein feindlicher Anschlag zu befürchten sei. Wirklich zogen die Steyrer mit Munition und Waffen aus, scheinen aber nichts erreicht zu haben. Sie wurden am 24. 8. schon wieder von Rohrbach abkommandiert und nach Enns gezogen, wo sie Herzog Albrecht dringend benötigte. Überdies war die Stimmung der Steyrer Mannschaft, die da vor Rohrbach lag, nicht mehr glänzend gewesen. Die Messerer hatten bereits erklärt, nur mehr einen Tag vor Rohrbach bleiben zu wollen. Erkannten sie etwa die Aussichtslosigkeit des Beginnens?

Waffenstillstand

Den Ungarn war wirklich mit militärischen Mitteln nicht mehr beizukommen. Fest hatten sie sich in den Tettauer Schanzen bei Ernsthofen verkrallt und man musste mit ihnen vor dem Katharinitag 1487 einen Waffenstillstand schließen. Das Frühjahr 1488 brachte dann den Ungarn allerdings einen großen Schaden. Das Wasser der Enns stieg zu hoch, überschwemmte die Brücken und die ungarischen Schanzen zu Ernsthofen und riss auch aus den Befestigungswehren Hölzer und Balken fort. Dennoch konnten sich - trotz der feindlichen Natur - die Ungarn halten, der Waffenstillstand wurde zu Fronleichnam 1489 nochmals verlängert. Nur hielt sich jetzt auf beiden Seiten das Kriegsvolk nicht mehr genau daran.

In der Umgebung von Steyr kam es wiederum zu Plünderungen. Sowohl die Ungarn als auch das Reichsheer brachten Gefangene ein, um deren Austausch sich Sigmund von Rohrbach angeblich sehr bemüht haben soll. Erst nach dem Tode des ungarischen Königs gelang es dem Landeshauptmann ob der Enns, mit geworbenem und aufgebotenem Landvolk die Tettauer Schanzen zu säubern und die Ungarn damit auch zum Abzug aus der ganzen Gegend zu zwingen. Das war zu Beginn des Herbstes im Jahre 1490. Die feindlichen Schanzen und Brücken bei Ernsthofen wurden nunmehr niedergerissen.

Offene Fragen

Dieser Kriegsbericht aus der Hand des steyrischen Geschichtsschreibers Preuenhuber lässt für Haag und Rohrbach einige Fragen offen. Zunächst befremdet es, dass Rohrbach so rasch in die Hände der Ungarn fiel, obwohl es doch - im Besitz der Feinde - schier uneinnehmbar erscheint. Wo blieb der Herr zu Rohrbach, der sein Stammschloss hätte verteidigen können? Warum unternimmt keiner der Rohrbacher einen Versuch, sein Erbe dem Feind wieder abzunehmen? Ein fremder Herr und ein fremder Burghauptmann werden beauftragt, mit den Steyrern Rohrbach zu berennen und zurückzuerobern. Auf der anderen Seite aber existiert ein Sigmund von Rohrbach, dessen verwandtschaftliche Beziehungen unklar bleiben, der aber die besten diplomatischen Kontakte mit dem Ungarkönig genießt und als ständiger Unterhändler im Gefangenenaustausch bewährte Arbeit leistet. War etwa Sigmund der Herr auf Rohrbach, der Besitzer der Veste? Die Akten schweigen, das niederösterreichische Gültbuch meldet Besitzernamen für Rohrbach erst wieder in viel späterer Zeit.

Auch Georg II. von Rohrbach steht nicht in klarem, deutlichem Lichte. Schon 1478 dient er der Stadt Steyr als Söldnerführer, mit zehn gerüsteten Pferden und 20 Fußknechten zieht er im Dienste der Stadt gegen die Ungarn. Im Jahre 1507 ist er Anwalt ob der Enns und muss im Auftrage des Landeshauptmannes die Ratswahlen in Steyr überwachen und Tumulte der Bürgerschaft vermeiden, schließlich wird er sogar Verweser der Landeshauptmannschaft. Als Pfleger der Herrschaften Waidhofen an der Ybbs stirbt er 1532 und wird in Haag begraben. Hat er etwa Rohrbach innegehabt? Wie ist er mit den anderen Rohrbachern verwandt? Alles offene Fragen!

Es ist aber durchaus möglich, dass es sich bei diesen beiden Genannten, bei Georg II. und bei Sigismund, ebenso um einen Sohn Wolfgangs II. von Rohrbach handelte, wie dies beim Kanonikus Christoph von Rohrbach, dem Pfarrer zu Haag und Sierning, der Fall ist. Schließlich hinterließ ja, wie wir wissen, Wolfgang II. von Rohrbach mehrere Söhne aus seiner Ehe mit Agnes, der Tochter des Klement Panhalm von Marbach, wenngleich nur zwei von ihnen für die Fortsetzung des Geschlechtes von Bedeutung sind.

Rohrbach zu Marbach

Über Hans II. von Rohrbach zu Marbach und seinen Sohn Bernhard von Rohrbach und Marbach wird die eine Linie weitergeführt. Bernhard ist außerdem passauischer Pfleger zu Gleiß gewesen. Er starb 1568 und wurde in der Gruft zu Haag begraben. Drei Söhne: Abraham, Hans Christoph und Hans Adam I. betrauerten ihn. Der ältere Abraham hat die Erbschaft Marbach übernommen, sie später jedoch an Hans Christoph verkauft. Aus diesem Grunde hat nun Hans Christoph die zuerst in seinem Besitze stehende Herrschaft Rohrbach an den jüngsten Bruder Hans Adam I. gegen bare Bezahlung abgegeben. Das geschah 1593 und 1594.

Übertritt zum Protestantismus

Während der Großvater und der Vater dieser drei Rohrbacher zu Rohrbach und Marbach noch die durchaus katholischen Namen Hans und Bernhard tragen, finden wir bei ihnen bereits die typisch protestantische Sitte der biblischen alttestamentlichen Namen (Adam, Abraham) wie der Kopplung zweier Namen (Hans-Adam). Da die Namensgebung immerhin eine Angelegenheit der Eltern ist, geht daraus hervor, dass bereits Bernhard sich zum lutherischen Glauben bekannt hat. Damit war freilich für das katholische Glaubensleben in Haag eine große Gefahr entstanden, denn die Schlösser des protestantischen Adels bildeten stets ein starkes Verbreitungszentrum lutherischer Lehre.

Rohrbach zu Klingenbrunn

Die zweite, gewiss ärmere Linie, der Rohrbacher zu Klingenbrunn, geht über Sebastian (1522 als Herr von Klingenbrunn im nö. Gültbuch eingetragen) und Andreas (1542 im Gültbuch als Besitzer verzeichnet, 1566 gestorben) zu Georg III., der im Jahre 1576 seinem Bruder Wolfgang III. von Rohrbach die Herrschaft Klingenbrunn durch einen Vergleich zu Linz überließ. Beinahe 40 Jahre konnte Wolfgang sich seines Besitzes erfreuen. Als er im 67. Lebensjahre starb (1615), wurde er zu Haag in der Familiengruft beigesetzt, wo schon so viele seines Geschlechtes nach schweren und schicksalsvollen Lebensläufen zur ewigen Ruhe eingekehrt waren.

Seine Söhne beschlossen die Klingenbrunner Linie. Hans Christoph (II.) starb sehr früh mit 19 Jahren zu Siena in Italien (im Jahre 1629), Wolf Andreas hingegen fiel während des Dreißigjährigen Krieges 1636 zu Namur im heutigen Belgien. Beide Brüder hat es nicht in der Heimat gelitten. Dem einen war sie zu eng geworden und er zog als Studiosus in die Fremde, nach dem kulturgesättigten Italien. Der andere schien nach altem Brauch noch einmal das Glück in Krieg und Waffendienst versucht zu haben. Aber die Fremde und das Abenteuer gab ihnen kein volleres Leben, sondern nur den Tod.

Vereinigung der Linien

Ihr väterliches Erbe hatten sie bereits 1622 an die Rohrbacher Linie zu Rohrbach und Marbach verkauft. Damit gelang die Wiedervereinigung der zwei Herrschaftsgebiete, die über hundert Jahre in verschiedenen Händen gelegen waren. Es war Hans Adam II., der Sohn des obenerwähnten Hans Adam I., dem das große Los der Vereinigung von Rohrbach und Klingenbrunn zufiel.

Noch einmal schien es, dass der alte Glanz des Rohrbachischen Geschlechtes im österreichischen Lande, erblühen könne. Gesammelter Reichtum konnte die Hoffnung nach Größerem erwecken. Und doch war es nur mehr ein sehr spätes Abendleuchten eines Geschlechtes, dem die Weltenuhr bereits geschlagen hatte. Von seinen beiden Gemahlinnen, von Elisabeth zu Steinbach und von Anna Marusch, Freiin zu Puchheim, bekam Hans Adam II. mehrere Söhne geschenkt, freudige Zukunftsverheißung und zugleich hoffnungerweckende Blüte ohne Frucht. Die Söhne gelangten ihm alle nicht zu mannbaren Jahren. Sie starben vor dem Vater, der somit sein altes Geschlecht beschloss. Nur die Töchter, keine Namensträger, und die Witwe überlebten ihn. Wolf Helmhart, Freiherr von Hohberg, ein Fachmann des landwirtschaftlichen Wesens und ein feinsinniger Barockdichter zugleich, hat die verwitwete Anna Marusch im Jahre 1650 gefreit und an Stelle seiner Stieftöchter Klingenbrunn und Rohrbach in Verwaltung genommen. Marbach wiederum fiel an das Stift St. Florian.

Aussterben des Geschlechtes

Die meisten Glieder dieses vor 300 Jahren beinahe erloschenen Geschlechtes ruhen in Haager Erde, Rohrbach selbst hat bis in die Zeit Kaiser Josefs II. (1780-90) hinein zur Pfarre Haag gehört. Die Geschichte konnte uns nur Spärliches vom Leben dieser hochgestellten Haager Pfarrkinder erzählen, manchmal gar nur ihre Namen erwähnen. Der Phantasie muss es überlassen bleiben, sich im weiteren auszumalen, wie es in Rohrbach zuging, als der Schlachtenlärm der Ungarn die Burg umtobte, als fröhliches Kinderlachen durch ihre Hallen schallte, schwere sorgende Männerschritte und der tanzende Schatten der edlen Frauen die Gänge durchzogen. Große und kleine Menschenlose haben die Mauern der Veste genügend erblickt, sie sind davon voll Leben und Seele geworden. Mit welchen Gedanken ist der Dichter Wolf Helmhart von Hohberg in das Heim des eben erloschenen Geschlechtes getreten? Waren ihm die Rohrbacher nicht ein Symbol für den ewigen Kreislauf des Lebens: ein Geschlecht, das in der Jugendkraft mächtig emporstrebt, von Glück und Umwelt begünstigt wird, bis seine Zeit um ist, bis es nur mehr Träume hervorbringt, die nicht mehr reifen.

Wolf Helmhart war trotz seines Dichterdaseins ein nüchterner Mann mit klarem Blick. Er sah das Haus und fand es wohl geeignet zu Wirtschaft, Not und Lust. Er heiratete die Witwe und ging an den Landbau. Denn zwischen Arbeit, Not und Lust bewegt sich das Leben des Adels wie das der Bauern.