MARKT UND KIRCHE: Werden und wachsen (bis 1600)
Wenn ein Haager, fern seiner Hügelheimat, mit Menschen anderer Gegenden ins Gespräch kommt, kann es ihm leicht geschehen, dass er das Lob seiner Kirche und seiner Ortschaft aus fremdem Munde vernimmt. Gar viele rattern im Schnellzug der Westbahnstrecke an Haag vorbei und nehmen als bleibende Erinnerung das einprägsame Bild der Kirche am Berge mit sich. Es ist aber auch eine beherrschende Stelle, an der Bambergs Bischof die Kirche im Jahre 1032 fertigstellen hat lassen.
Der Name
Wahrscheinlich war schon vor der Errichtung eines Gotteshauses ein befestigtes Werk auf diesem Hügel, der nach drei Seiten sehr steil abfällt. Der Name „Haag", der um 900 existierte, deutet dies an. „Im Haage" gelegen, so wurden um diese Zeit gerne Siedlungen oder auch Wiesen und Bäche genannt, die irgendwie am Waldesrand sich erstreckten und gegen Wild wie gegen feindliche Menschen abgeschirmt erschienen. Beides trifft für unser Haag zu.
Eine Urkunde vom Jahre 903 spricht - wie bereits erwähnt - von einem „Bach im Haag" und meint damit offensichtlich unseren heutigen Haager Bach, der, in der Nähe des Rittersitzes „de Hage" entspringend, an Paga (Pachha) vorbeifließt, den Fuß des Haager Kirchenberges umspült und ostwärts in die Erla mündet. Das ganze Bachufer hat vielleicht, vom Rittersitz angefangen bis knapp zur Einmündung in die Erla, den Namen „im Haag" geführt. Südlich des Baches stand der Ennswald, der, noch dichter geschlossene, überall bis zu ihm heranreichte. Nördlich des Baches „im Haag", gegen Strengberg zu, lag die waldfreie Hügellandschaft, über die schon die Römer zwei Straßen geführt hatten. Auch geologisch gesehen bildet der Haager Bach die Grenze zwischen dem in der Ebene aufgeschichteten Deckenschotter der Enns und dem Hügelgelände nördlich davon.
Haag am Rande des Ennswaldes
Der Ennswald, der demnach beim Haager Bach gegen Norden sein ungefähres Ende fand und nur mehr ostwärts gegen Wolfsbach - in Ausläufern sogar bis zum Zeillernbach - weiter ausgriff, bot zum Roden Anreiz genug. So drangen an seiner Randzone die bayrischen Siedler ein, Hof um Hof befestigend gegen die Slawen, die ringsum, vor allem aber in Unterwinden saßen. Die Bayern schufen, vermutlich schon vor 700, jenes „Haag" genannte Waldrandgebiet, durch das der „Bach im Haag" floss. Sie konnten aber jene äußerst günstige Erhebung des heutigen Haager Berges nicht übersehen und seine zur Verteidigung besonders geeignete Lage nicht verkannt haben. Wir können daher bereits für die Zeit um 900 eine hölzerne Wehranlage, unter Umständen auch mit einem Betkirchlein versehen, dort vermuten, wo heute die steinerne Kirche trotzt. Denn gerade gegen Unterwinden und Enns, aber auch gegen Norden öffnet sich vom Kirchenberge aus dem Blick ein weiter Gesichtskreis.
Der Ennswald im Süden dieses Hügels wurde bald nach 955, dem Jahre des Sieges über die Magyaren und des Beginnes einer neuen Kolonisation, durch Rodungen (vergl. Neureith, Schwabenreith) oder durch Brandstätten gelichtet. So war es im Jahre 1032 wirklich eine Streitfrage, ob die Pfarrkirche etwa am Hummelberge (einem alten Siedelboden nördlich des Haager Baches und außerhalb des eigentlichen Ennswaldes) oder südlich des Baches im Ennswaldgebiet und näher dem Neugerodeten (da, wo sie heute steht) errichtet werden sollte.
Kirchengründungssage
Die Sage weiß von diesem Zwiespalt der Meinungen zu berichten, der vielleicht ein solcher zwischen Altsiedlern und Neusiedlern war (?): Nachdem zuerst die Steine zum Kirchenbau am Hummelberg aufgetürmt waren - gewiss wären sie von der Enns oder der Donau aus dorthin leichter zu schaffen gewesen - habe ein weißer Ochse oder Stier sie des nachts auf seinen Hörnern zum heutigen Kirchenplatz getragen. Freilich kommt dieses Sagenmotiv bei Kirchengründungssagen im bayrisch-österreichischen Stammesgebiet wiederholt vor. Die Tiere wechseln dabei: Im nahegelegenen Maria-Neustift (Oberösterreich) sind es weiße Raben, die als weisende Tiere, einem göttlichen Befehl gehorchend, den Standort für den Kirchenbau anzeigten.
Auch die Fortsetzung der Haager Sage ist nicht neu und einzigartig: Die Steine seien auf dem Hummelberg zurückgeschafft worden, das Spiel habe sich wiederholt. Als das Tier gestellt wurde, habe ein Jäger seinen Pfeil darnach gesandt, um es zu töten. Das Geschoß aber prallte ab, schnellte zurück und traf den Schützen selbst zu Tode. Nun war der göttliche Wille allen wie durch ein Wunder sichtbarlich gemacht. Das barocke Hochaltarbild der Haager Pfarrkirche hat (vor 1878) diese Sage anschaulich dargestellt gezeigt.
So typisch und weitverbreitet die Sage ist, so konnte sie sich doch nur um einen, wenn auch noch so winzigen geschichtlichen Kern bilden. Die Entscheidung, ob Hummelberg oder Haager Berg, die damals gefallen ist, war in der Tat weitreichend und steht uns heute noch so vor Augen, dass wir uns eine andere Lage der Kirche gar nicht denken könnten.
Die Kirchensiedlung
Die Kirche ist schließlich zum Ausgangspunkt einer größeren Siedlung um sie herum geworden. Der Markt und die heutige Stadt sind aus dieser Kirchensiedlung entstanden.
Wir hören von ihr zu verschiedenen Malen im Laufe der Jahrhunderte: 1065 wird sie als Allod Hage in Verbindung mit dem Allod Winnersdorf genannt und an den Bamberger Bischof von seinem Kanzler Friedrich zurückgestellt. Mehr als zwei oder drei Bauernhöfe dürften damals noch nicht um die Kirche gestanden sein.
Spärlich nur werden uns die Namen von einigen Priestern der Haager Kirche überliefert: Aus dem Jahre 1189 wird ein Rudolphus als plebanus (Leutpriester) bezeugt, in den Jahren 1223, 1241 und 1252 ist der plebanus Gunther in Haag tätig, neben ihm aber schon ein zweiter Priester namens Erchenpoldus. Unter Pfarrer Dietmar, der in den Jahren 1262, 1263 und 1264 urkundlich genannt wird, beginnen die Irrlehren der Katharer sich in der Haager Pfarre zu verbreiten; auch Pfarrer Johann (um 1310 und noch um 1330) musste gegen sie einschreiten.
So wenig diese Notizen bringen, so zeigen sie doch durch das gleichzeitige Wirken zweier Priester in so früher Zeit die Größe der Pfarre. Die zwei Jahrhunderte von 1100 bis 1300 brachten, gleichlaufend mit der stürmischen Erweiterung des Siedelbodens im übrigen Pfarrgebiet, ein stilles, doch beständiges Wachstum der Kirchensiedlung. Nach 1300 war sie bereits so bedeutend, dass sowohl die Patarer und Begharden um 1310 ihre Schule im Orte errichten konnten als auch die Bamberger Bischöfe von Zeit zu Zeit Station im Orte Haag gemacht haben.
Bamberger Bischöfe in Haag zur Huldigung
So weilte zum Beispiel am 30. Juli 1325 Bischof Heinrich II. (von Sternberg) in Haag; es war am 29. Juli 1334 Bischof Werntho, Schenk von Reichenegg, hier, um Urkunden auszustellen. Der Bamberger Bischof Friedrich von Aufseß war am 6. November 1421 auf seiner Reise in Bambergs Kärntner Besitzungen in Begleitung von zwei Domherren und einigen ritterlichen Vasallen nach Haag gekommen, wo ihm gehuldigt wurde. Solche Huldigungen und Treueversprechen mussten die Untertanen immer zu Regierungsbeginn eines neugewählten Bischofs leisten, und es ist ein Zeichen, dass die Siedlung um die Kirche bereits als marktähnlicher Mittelpunkt für das ganze bäuerliche Land ringsum galt, wenn hierher alles zur Huldigung zusammenströmte. Am 8. Oktober 1432 kommt wiederum in Vertretung des Bamberger Bischofs Anton von Rotenhan der Graf Georg von Löwenstein, um die Huldigung entgegenzunehmen.
Der Markt als Bauernsiedlung
Die Siedlung um Kirche und Pfarrhof war nun schon so groß, dass sie im Jahre 1431 als Markt bezeichnet wurde, wenngleich die Marktbewohner damals noch keine eigentlichen bürgerlichen Rechte verliehen bekamen. Eine kleine Steinkirche romanischer Bauart, nicht sehr hoch, war von den Gräbern des Friedhofes umgeben, und bäuerliche Hofstätten reihten sich östlich der Friedhofsmauer dem Friedhofstore an, während im Norden, Westen und Süden die Friedhofsmauer den Steilabhang bekrönte. Der Boden, auf dem diese bäuerlichen Untertanen (Holden) saßen, gehörte anfangs wahrscheinlich zum bambergischen Ritterlehen Zaucha einerseits, andererseits dem Pfarrer direkt als Leihe aus Bischofshand. Als das Geschlecht der Zaucha zu Ende ging, konnten immerhin noch die Brüder Konrad, Heinrich und Rueger die Hofstatt vor dem Friedhofstor der Kirche dem Pfarrer Andreas Rueschinger schenken (1352). Anderer Besitz in der Nähe der Kirche gehörte einige Jahrzehnte später den Rittern auf Rohrbach, die ja viele Besitzungen der Zaucha, z. B. Klingenbrunn, übernommen hatten. Die Wiese „under dem Perig", die „ain Prunwasser ainen jeden Pfarrer zu Hag gegeben hat" und vom Pfarrhofberg zum Haager Bach hinabführte, war zu Weihnachten (24. Dezember) 1433 vom Pfarrer Kölen einem Erben der de Hage abgekauft worden und hat einstens wohl zum Lehen der Ritter de Hage gehört. So scheinen zur Zeit, als Haag erstmals ein Markt genannt wurde (1431), mit Ausnahme der Pfarrgeistlichkeit nur Pfarrholden oder Untertanen der Herrschaft Rohrbach-Klingenbrunn in der Haager Kirchensiedlung gewohnt zu haben. Sie unterschieden sich in ihrer Lebensweise und in ihrer rechtlichen Stellung anfänglich durch nichts von den Bauern auf den umliegenden Einzelhöfen. Ja selbst heute ist es der nunmehrigen Stadt noch anzumerken, dass sie aus dem starken Bauerntume gewachsen, als Bauernsiedlung entstanden ist. Nur hatte das Zusammensiedeln um die Kirche die Möglichkeit geschaffen, leichter die Feinde abzuwehren.
Beginn des gotischen Kirchenbaues
Der Zeit der Hussitenkriege (1422-1437) blieb es vorbehalten, die Wehrhaftigkeit des jungen Marktes gewaltig zu stärken. Im Jahre 1435 wurde unter Pfarrer Dietrich von Kölln das Presbyterium der Kirche neu gebaut, die dabei zu einer richtigen Wehrkirche im gotischen Baustile umgestaltet wurde. Die Kirche begann damit einer Gottesburg zu gleichen, die breit und fest dem Hügel entwächst, umgeben von einer Mauer mit Schießscharten und Zinnen. Es ist kein Wunder, dass zur selben Zeit Haag eben als Markt erstmals genannt wurde. Markt sein und sich wehren können hängt ja zusammen. Mit dem Umbau der Pfarrkirche zu einer gotischen Wehrkirche war natürlich auch ein finanzielles Problem verbunden. In Pfarrer Dietrich von Kölln schienen aber die Haager einen tüchtigen Wirtschaftsmann mit eigenem beträchtlichem Vermögen gehabt zu haben. Er konnte in Spitz vier Weingärten kaufen (am 25. April 1433) und sie mit einem Acker und einer Wiese zu Haag für die Kirche stiften (24. 12. 1443).
Finanzielle Lage des Pfarrers
Abgesehen davon war die Kirche zu Haag nicht arm. Sie galt im Gegenteil als eine der besten Pfründen. Ein päpstliches Rundschreiben, vom Kardinalpriester Ägidius zu Avignon am 28. Mai 1366 erlassen, richtete sich an Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte und an einige wichtige Pfarrherren, unter ihnen auch an den Pfarrer von Haag. Einen anderen Beweis für das vorhandene Vermögen jedes Pfarrers zu Haag besitzen wir in der Höhe des Kathedraticums, einer Abgabe, die jeder Pfarrer für die Verleihung der Pfarre an den Bischof zu Passau zu richten hatte. Mit 80 Pfund Pfennige anno 1429 erscheint sie ziemlich hoch im Vergleich zu anderen Pfarreien. Pfarrer Dietrich hat sich aber auch um das Seinige zu wehren gewusst: dies zeigt wiederum ein schiedsrichterlicher Spruch des Bischofs von Bamberg.
Sagen um den Kirchenbau
Dietrich von Kölln (auch Köllern geschrieben) konnte aber dennoch vorerst nur das Presbyterium und den Kirchenturm (noch nicht in heutiger Höhe!) bauen lassen. Rund dreißig Jahre später und gewiss unter beträchtlicher Mithilfe der Bevölkerung wurde das dreischiffige Langhaus (41.5 m lang) und der Musikchor errichtet. Alte romanische Mauerreste scheinen mit eingebaut worden zu sein. Sage und Volksmeinung erzählen von diesem Kirchenbau, dass einige Steyrer am Werke mitgearbeitet hätten, dass sie im Bauernhofe Werkgarn (auf dem Wege von Steyr nach Haag) ihr Arbeitszeug aufbewahrt hätten und dass schließlich sich sogar ein großer Unglücksfall beim Bau der Kirche ereignet habe. Ein Maurer sei vom Gerüst tödlich abgestürzt. Am interessantesten an diesen Erzählungen ist die Mitwirkung der Steyrer, die kein bloßes Sagenmotiv und keine Verwechslung späterer Ereignisse mit früheren - wie der tödliche Sturz, der sich tatsächlich 1812 ereignete - sein kann. Ungefähr gleichzeitig mit der Kirche in Haag wurde die Pfarrkirche St. Gilgen zu Steyr im selben gotischen Stil und mit vielen Ähnlichkeiten errichtet. Auch in Steyr handelt es sich um eine Erweiterung der dem heiligen Ägid und Koloman geweihten Kirche, die in der Art erfolgte, dass durch einen gänzlichen Um- und Einbau romanischer Teile kein Rest des alten Werkes mehr zu sehen blieb. Der Steyrer Geschichtsschreiber Preuenhuber berichtet uns darüber in seinen „Annales Styrenses" auf Seite 95.
Vermutliche Baumeister
Begonnen wurde in Steyr der Bau im Jahre 1443 - acht Jahre später als in Haag - durch Meister Hans Puxbaum, der ab 1446 am „Steffel" in Wien baute und 1454 starb. Die Meister Merten Kranschach und Wolfgang Denck (1515 gest.) setzten die Arbeit fort. Die Bauhütte in Steyr war zweifellos die nächste, und so ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass die eben erwähnten Steyrer Baumeister und mit ihnen auch etliche Steyrer Steinmetze an der Haager Kirche gewerkt haben. Vor allem kommen Meister Puxbaum für die erste Bauperiode und Meister Kranschach für die zweite, rund dreißig Jahre spätere, in Frage.
Das Baumaterial, der Sandstein, soll - wiederum nach unüberprüfbaren mündlichen Traditionen - aus einem Steinbruch bei Haag selbst stammen. Der Steinbruch sei aber in späterer Zeit aufgefüllt worden, das Versorgungshaus und die Kapelle sei mit Piloten darauf gebaut worden. Der Name Steinmetzhäusl haftet wie zur Bestätigung heute noch an diesen Grundparzellen.
Typisch für den gotischen Kirchenbau ist die turmlose und nur wenig architektonisch gegliederte Westfassade der Haager Pfarrkirche. Das Muster dafür erstellten ursprünglich die Zisterzienserkirchen Und dann die Bettelordenskirchen, die in ihrer asketischen Haltung für einfache und möglichst schmucklose Kirchenbauten eintraten. Diese Orden gaben das Vorbild für viele niederösterreichischen Pfarrkirchen im 15. Jahrhundert, wofür der Kunsthistoriker R. K. Donin als weitere Beispiele neben Haag auch die Pfarrkirchen von Waidhofen an der Ybbs, Pöggstall, Mödling und Weitra anführt.
Aussehen der Kirche
Noch heute erblicken wir die stattliche dreischiffige Hallenkirche mit ihrem reichen Netzgewölbe fast so, wie sie damals entstanden ist. Das beträchtlich überhöhte Mittelschiff ist beinahe doppelt so breit wie das südliche Seitenschiff und wirkt mystisch-dunkel, zumal auch die Glasfenster aus dem 19. Jahrhundert in dunklen Farben gehalten sind. Die ursprünglichen gotischen Glasfenster stiftete Hans von Rohrbach im Jahre 1435 mit dem Bildnis der Heiligsten Dreifaltigkeit, St. Georgs, Nikolaus, Michaels und Kunigundens (nach Hoheneck). In allen drei Schiffen finden wir ein reiches Netzrippengewölbe, das auf achteckigen Pfeilern ruht. Der Chorabschluss wird mit fünf Seiten eines Achteckes gebildet, die Oratorien oberhalb des Chores tragen Wimperge. Der Nord- wie der Südeingang weist schöne gotische Spitzbogentore auf und über beiden Eingängen war eine Pechnase angebracht, wodurch der Charakter einer Wehrkirche vollends betont wurde. Überdies trägt der Kirchenturm oberhalb der Glockenstube ein Wehrgeschoß, das an den Ecken durch runde Türmchen mit Schlüsselscharten erweitert ist.
Wehranlagen
So konnte die Kirche in unruhigen Zeiten ein fester Zufluchtsort werden. Doch ehe der Feind an sie herankam, hatte er noch die bezinnte und mit Schießluken versehene Kirchhofsmauer zu stürmen, was bei dem steilen Gelände schwer fiel. Der ebene Zugang zur Kirche auf der Ostseite war aber durch einen mächtigen steinernen Torbogen geschützt, dem ein Stockwerk für die Benefiziatenwohnung aufgesetzt war. Vier solche Benefiziaten (Hilfspriester, die die Messe lasen) gab es nunmehr schon neben dem Pfarrer in Haag.
Verleihung der Marktrechte
So gingen die Entwicklung von Markt und Kirche meist Hand in Hand. Als das erste Kirchlein gebaut war, entstand eine Bauernsiedlung bei ihr; als die mächtige gotische Wehrkirche nahe vor der Vollendung stand, erfolgte die öffentlich-rechtliche Anerkennung Haags als Markt. An der Erhebung Haags zum Markt war freilich der Grundherr der im Markte ansässigen Bauern und gleichzeitige Vogtherr der Kirche nicht unbeteiligt. Es war der kaiserliche Rat Johann von Rohrbach, Inhaber auch der Herrschaft Neuberg am Inn, auf dessen Bitten Kaiser Friedrich III. im April des Jahres 1464 Haag als Markt bestätigte und den Einwohnern von Haag, die von „alterher margkht und burgerrecht" gehabt, den Namen Bürger zuerkannte. Damit hoben sie sich von ihren bäuerlichen Nachbarn rechtlich ab und konnten eine eigene Bürgergemeinde bilden.
Zum Unterschiede von den Bauern unterstanden nun die Haager Bürger in zivilrechtlichen Fällen nicht mehr dem herrschaftlichen Gerichte, sondern dem Marktgerichte, dem ein Marktrichter vorstand. Ihn entnahm der Grundherr aus den Reihen der Haager Bürgerschaft und setzte ihn ein. Dem Marktrichter waren die Ablieferung der landesfürstlichen Steuern wie der Abgaben an die Herrschaft, die Beschau von Maß und Gewicht und der Güte der gewerblichen Erzeugnisse anvertraut. Außerdem hatte die Bürgergemeinde das Recht, aus ihrer Mitte den Marktrat zu wählen, der sich wahrscheinlich aus 12 Ratsbürgern zusammensetzte.
Entwicklung des Handels
Die Haager Bürger waren noch immer zum Großteil Ackerbürger, die sich hauptsächlich mit der Landwirtschaft beschäftigten und nur nebenher ein Gewerbe ausübten. Hierin, in der Lebensweise, unterschieden sie sich gar nicht von den Bauern oder den immer zahlreicher werdenden Landhandwerkern ihrer nächsten Umgebung. Allerdings hatten sie als Bürger das Recht voraus, Handel mit ihren Erzeugnissen treiben zu können. Kaiser Friedrich III. bewilligte ihnen deshalb auch, an jedem Montag einen Körnermarkt und alljährlich am Thomastag einen Jahrmarkt (21. Dezember) zu halten. Der Getreidehandel bildete eben die wirtschaftliche Grundlage dieses Bürgertums. Dies zeigt auch deutlich jene Gauhandelsvereinigung, der Haag laut Bestätigung des Kaisers Friedrich seit dem Jahre 1448 angeschlossene war. Vorort der Vereinigung war die Stadt Waidhofen an der Ybbs, die Tagungen des Gauhandelsbundes fanden dort statt. Aufgabe des Gauhandels aber war es, die Berg- und Hüttenleute von Innerberg und Eisenerz mit Getreide zu versorgen und ihnen dafür im Tauschhandel Eisen abzunehmen. Dem Tausch wurde allerdings schon Geldwert zugrunde gelegt. Die Haager Bürger führten ihr Getreide freilich nur zum Waidhofner Wochenmarkt und erhielten dort als Gegenwert Eisenfabrikate, unter denen sich vor allem Messer, Sensen, Sicheln und Strohmesser befunden haben werden, die dann von den Haager Bürgern wiederum an die Haager Bauern weiterverkauft wurden. So konnte sich sehr früh schon ein kleiner Kreis von Händlern innerhalb des Marktes Haag entwickeln, während das eisenverarbeitende Gewerbe wegen Waidhofens Hammergewerke keinen günstigen Boden finden konnte. Außer den Hufschmieden haben sich in Haag keine eisenverarbeitenden Gewerbe niedergelassen.
Bürgerrechte
Wer konnte nun Haager Bürger werden und sich solcher Vorteile bedienen? Nur wer ehelicher Geburt und selber schon verehelicht war, ein Haus im Markte besaß und einen Beruf ausübte, der ihm die Führung eines Haushaltes erlaubte, galt als Bürger. Nur sie hatten das Recht, den Marktrat zu wählen oder selber gar als Ratsbürger gewählt zu werden und eines der unbezahlten Ehrenämter auszuüben, wie die Ausübung der Markt-und Feuerpolizei, die Regelung der Ein- und Verkäufe beim Jahrmarkt und Wochenmarkt. Die übrigen Marktbewohner, ledige Leute oder solche, die keine Häuser besaßen, wurden „Inwohner" genannt; das Hausgesinde wie die Handwerksgesellen zählten gleichfalls zu ihnen.
Der Bürger unterschied sich auch dadurch von den Bauern, dass er nicht von der Herrschaft vorgeladen werden konnte, sondern der Marktrat oder die ganze Bürgergemeinde für ihn eintrat. Diesen Rechten standen aber auch Pflichten gegenüber. Jeder hatte seinen Bürgereid dem Marktrate zu leisten und sich damit zu verpflichten, im Notfalle persönlich den Markt zu verteidigen und den Wachtdienst im Gemeindegebiet zu leisten. Der Name Bürger kommt schließlich von der Burg; als eine solche galt nun auch der Markt, der mit seinen Wehranlagen und Häusern ein einheitliches militärisches Festungswerk darstellte, das wohl von den „Besitzern" am besten verteidigt werden konnte.
Marktgrenzen, Marktbefestigung
Wie nun die Marktbefestigung ausgesehen hat, kann mangels Belege für Haag nicht geschildert werden. Wahrscheinlich lag auch der Markt nicht so offen da, wie es heute den Anschein hat. Vergleiche mit den Nachbarmärkten helfen uns etwas. Vom Markte St. Peter in der Au ist bekannt, dass er schon im 14. Jahrhundert außer der Burg und der befestigten Pfarrkirche ein Markttor, Lederertor geheißen, besaß; dies lässt dort auf eine Befestigung des Marktes schließen. Die nächsten Städte: Enns, Steyr, Waidhofen, waren selbstverständlich mit einem Mauerring umgeben. In Haag könnte leicht - im Anschluss an die Friedhofsmauer - ein Befestigungswerk angelegt gewesen sein, das auf der einen Seite oberhalb des Stiegenwirtes zum heutigen Gasthaus zur Steinwand, auf der anderen Seite, längs des Gasthofes Schafelner führend, immer die Hochfläche vom abfallenden Steilhang getrennt hätte. Alte Ansichten lassen dies zumindest vermuten. Was die Umfriedung im Osten betrifft, so spricht die Tatsache dafür, dass der Pfarrhofgarten, gegenüber dem Gerichtsgebäude, schon außerhalb der Gemarkung, das Riesenfels'sche Schlössel (die alte Schule und spätere Post) aber als noch innerhalb des Marktes liegend gegolten hat. Von Befestigungen ist hier nirgends etwas zu merken; vielleicht lassen noch heute die Straßenzüge die alte Gemarkung erahnen.
Feindliche Streifzüge um Haag
Bei Feindesgefahr hatte der Bürger, angeführt vom Marktrichter, dort Stellung zu beziehen, wo sie ihm vom Marktrichter angewiesen wurde. Auch nach den Hussitenkriegen, in denen die tauglichen Haager mit den Steyrern in zwei Heerwagen anno 1431 gegen den Feind zogen (nach Pritz, Geschichte der Stadt Steyr), galt es, den Markt bei verschiedenen Gelegenheiten in den Verteidigungszustand zu setzen. Im Kriege Kaiser Friedrichs III. mit seinem Bruder Erzherzog Albrecht VI. im Jahre 1458 verwüsteten kaiserliche Truppen die Gegend zwischen Strengberg und Steyr ziemlich arg. Unsere Bauern auf den Einzelgehöften werden sehr unter der Soldateska gelitten haben, der Markt kaum. Vier Jahre später (1462) hatte der böhmische König Georg Podiebrad Besatzungstruppen in Strengberg aufgestellt und ließ sie bis an die Mauern der Stadt Steyr streifen. Wieder war Haag im höchsten Alarmzustand; mehr wurde darüber nicht überliefert.
Der Ungarnkrieg (1485)
Zwanzig Jahre später, im Kriege Kaiser Friedrichs III. gegen den Ungarnkönig Matthias Corvinus, spielt der Markt Haag als militärischer Stützpunkt für die Oberösterreicher eine Rolle. Die Bürger aus Steyr mit ihrem Richter Hans Köll legten im Verein mit den Haagern Befestigungen am Markthügel an, stellten auch das Befestigungswerk der Kirche in Bereitschaft, mussten jedoch den Markt am 1. Juni 1485 den Truppen des Königs Matthias überlassen. Die Veste Rohrbach hielt sich länger, doch auch sie wurde zwei Jahre später von den Ungarn erobert. Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen, der im Dienste des Kaisers stand, vermochte zwar vorübergehend mit seinen Söldnern Haag und Umgebung von den Ungarn zu säubern, musste dann jedoch wieder über die Enns zurück. Die Ungarn setzten sich nun in den Tettauer Schanzen bei Ernsthofen fest. Dort kam es im Jahre 1488 zu einem Waffenstillstand, aber erst der Tod des ungarischen Königs Matthias (1490) befreite unsere Bevölkerung von der Kriegsnot. Schuld daran, dass Haag den Ungarn in die Hände fiel, trugen nicht die tapferen Verteidiger, sondern die Energielosigkeit Kaiser Friedrichs III. (sein Spottname bei den Deutschen war „des Reiches Erzschlafmütze"), die den Ungarn Wien überließ und sie mit solcher Übermacht bis zur Enns vordringen ließ.
Erneuerung des Gauhandels
Nach diesen widrigen Kriegsläuften konnte sich Haags Bürgerschaft wieder mehr dem Handel hingeben. Die Privilegien der Gauhandelsvereinigung wurden durch Friedrichs III. Sohn und Nachfolger, durch Kaiser Maximilian, erneut im Jahre 1496 bestätigt. Dem Bund gehörten nun alle Städte und Märkte zwischen Enns und Erlauf an: neben dem Vorort Waidhofen die Stadt Ybbs, die Märkte Haag, St. Peter, Aschbach, Amstetten, Nieder-Wallsee, Ardagger, Ulmerfeld, Steinakirchen, Scheibbs, Purgstall, Blindenmarkt, sowie die jungen Märkte Seitenstetten und Ybbsitz.
Das Gewerbe
Über das Gewerbe, das im 15. Jahrhundert in Haag ausgeübt wurde, fehlen viele urkundliche Nachweise.. Doch ist mit Sicherheit anzunehmen, dass neben dem Lebensmittelgewerbe, den Bäckern, Fleischhauern und Gastwirten, auch Schuhmacher und Schneider, Weber und Hufschmiede im Markte wie in der bäuerlichen Umwelt Haags vertreten waren.
Hafnerzunft
Eine bedeutende Rolle hat damals das Hafnergewerbe gespielt, das zunftmäßig organisiert aus Meistern, Gesellen und Lehrjungen bestand. Bereits Ulrich von Rohrbach hat - etwas nach 1420 - dieser Zunft der Hafner einen Wald, „in der Haie liegend und „Schachen genannt", zum Nutzgenuss überlassen. Dafür mussten der Herrschaft Rohrbach jährlich zu Michaeli drei große „Milchhäfen" geliefert oder zehn Stück kleineres Geschirr nach Auswahl des Herrschaftsbesitzers als Abgabe gereicht werden. Dieses Geschirr ließ die Herrschaft selber vom Michaelimarkt abholen. Es bestand zwar zu St.-Michaels-Tag kein öffentlich anerkannter Jahrmarkt, sondern bloß ein Kirtag, bei dem aber das Hafnerhandwerk in „Standln" seine Erzeugnisse den Kauflustigen angeboten hat. Über zwei Jahrhunderte erhielt sich nachweislich diese Verpflichtung des Hafnergewerbes; noch 1664 war sie in Kraft. Die Haager Hafnermeister lieferten viele und gute Töpfe; daher hatten sie schon vor 1500 landesfürstliche Freiheiten für den Handel ihrer Erzeugnisse erhalten, die ihnen den Verschleiß ihrer Waren bis tief nach Oberösterreich hinein erlaubten. In aller Ruhe gedieh dies Gewerbe, in allem Frieden fand es Absatz, die Natur gewährte ihm reichliche Tonlager.
Handelskrieg Steyr gegen Haags Hafner
Aber die Steyrer begannen immer mehr die Konkurrenz aus Haag zu fürchten, sobald sie sich selbst um 1590 an die Erzeugung von Geschirr wagten. So oft nun die Haager mit ihrer Ware über Steyr nach Oberösterreich zogen, wurde ihnen in Steyr das Geschirr gewaltsam abgenommen und zerschlagen. Darüber empört, beriefen sich die Haager Töpfer auf den 20. Artikel ihrer landesfürstlichen Freiheiten, der ihnen den Verkauf ihrer Produkte „das Kraxentragen" erlaubte, „weil das Handwerk so floriert und maßen es die Vernunft selbsten gibt, dass derley geschirr an Orten, an welchen Werkgenossen wohnen und allwo sie guten tauglichen Ton haben können, mit Nutzen keinen Verschleiß hat, dass das commodum nur in Orten gesucht werden muss, an welchen Mangels an Material nicht dergleichen aufgebracht werden kann".
Diese Berufung auf ihre landesfürstlichen Freiheiten nützte im Jahre 1599 nichts mehr. Da ließen die Haager den Steyrern durch den Pfleger von Salaberg sagen, sie wüssten schon, warum man ihnen solche Beschwer mache: „Weil das Geschirr in Haag besser, stärker, formlicher sei. Als dann Oberösterreich an Bayern verpfändet wurde und der Statthalter Graf Herbersdorf dort regierte, verbot er natürlich den Haagern das „Kraxentragen" ins Oberösterreichische, „da durch ein solches den Handwerkern und auch anderen ehrlichen Meistern das Brot gleichsam vor dem Munde abgeschnitten wird" (1629). Damit begann der Abstieg eines Gewerbes, das für Haag nicht nur das älteste und bedeutendste im Zeitraum von 1400 bis 1600 gewesen ist, sondern das auch im ganzen Land, was die Menge betrifft, wahrscheinlich nicht seinesgleichen hatte. Heute dienen die Tonlager nur mehr der Ziegelfabrikation.
Weberzunft
Ob nun neben den Hafnern noch andere Gewerbe vor dem Jahre 1500 in einer oder mehreren Handwerkszechen vereinigt waren, muss dahingestellt bleiben. Aus etwas späterer Zeit gibt es sichere Nachrichten.
So errichteten die Leinenweber im Jahre 1544 ihre Handwerkszunft im Markte Haag. Die Aufnahme bei den Webern blieb jedoch nicht bloß auf Marktbürger oder Inwohner beschränkt; auch die in der Umgebung und in den Bauernhöfen wohnhaften Weber wurden der Zunft einverleibt. Die Zunftstatuten von 1544 - leider sind sie uns nicht erhalten geblieben - beruhen auf der Handwerksordnung der Wiener Leinenweber, wie dies auch bei den Leinenwebern der damaligen Märkte Amstetten, Aschbach, Seitenstetten und St. Peter in der Au der Fall war.
Unsere Haager Leinenweber hatten jedoch viel durch „Fürkauf" und „Störer" zu leiden, d. h. fremde Kaufleute handelten Garn und Leinwand in unerlaubter Weise bei unzünftigen Leinenwebern ein, die handwerksmäßig nicht genügend vorgebildet erschienen, keinen Lehrbrief besaßen und ihre Arbeit nicht prüfen ließen. Solche „Störer" beeinträchtigten natürlich den Geschäftsgang der redlichen Handwerksmeister stark, sie unterboten mit ihren „unbeschauten", mitunter schlecht verfertigten Waren die üblichen Preise. Ebenso unredliche Händler erwarben im „Fürkauf" (Vorkauf) gerne diese billigeren Waren, die sie als vollwertige weiterverhandelten. Trotz Aufforderung der „Zünftigen" in Haag ließen sich diese Störer nicht in die Leinenweberzunft einverleiben; sie wollten sich die Gebühren für die Aufnahme und die vierteljährlich an die Zunftlade zu bezahlenden Geldbeiträge ersparen. Solche regelmäßige Störer saßen zweifellos schon in der nächsten bäuerlichen Umgebung des Marktes Haag, aber auch im weiteren Umkreis bis zur Enns und bis zur Donau. Der heute noch geläufige Ausdruck „auf die Stör gehen", geht auf sie zurück, wobei freilich heute etwas anderes damit gemeint ist, nämlich das Arbeiten auswärts, auf Bauernhöfen gegen Taggeld und Verpflegung.
Kampf der Leinenweber gegen das Störerunwesen
Das Störerunwesen bei den Leinenwebern war schließlich so arg geworden, dass sich die Haager Leinenweberzunft im Jahre 1580 genötigt sah, beim Statthalter von Osterreich ob und unter der Enns, bei Erzherzog Ernst, dem Bruder Kaiser Rudolfs II., um Abhilfe zu bitten. Sie wandten sich zunächst an den Richter und den Rat des Marktes Haag, dass er sie unterstütze, ihr Ansuchen in die übliche Gesuchsform bringe und ihre Bitte mit Begleitworten weiterleite. Dieser „Supplikation", die in Urschrift im Wiener Hofkammerarchiv liegt, ist folgendes zu entnehmen:
Die in den befreundeten Märkten „Ambstetten, Aschpach, Seitenstötten und Sant Petter" bestehenden Leinenweberzünfte können sich zum Unterschied von dem Haager Handwerk bereits einer landesfürstlichen Bestätigung ihrer Handwerksordnung erfreuen. Die Haager lebten zwar gleichfalls immer „brav und treu" nach derselben Zunftordnung, erhielten sie jedoch niemals vom Landesfürsten bekräftigt. Dadurch fehlte ihnen die öffentliche Handhabe zur Abstellung der erwähnten Übelstände. Freilich hatten schon frühere Herrscher das Störerunwesen in öffentlich bekanntgegebenen Generaledikten strengstens verboten, doch haben diese Verbote bei den Haager Störern wie bei den dorthin fahrenden Kaufleuten wenig Beachtung gefunden und die Ortsobrigkeit, die Grundherren, sind gleichfalls den zünftigen Leinenwebern in ihrem Existenzkampfe nicht beigestanden. Den einzigen Ausweg erblickt die Haager Marktbehörde in einer landesfürstlichen Spezialbestätigung der Haager Leinenweberordnung, vermöge der das Haager Marktgericht berechtigt ist, die Störer auszuweisen. Da nun der Markt Haag „der äußerste und letzte ist so gegen die Enns und Donau lieget", erbitten die Haager den räumlichen Bereich ihrer Leinenweberzunft bis zur Enns und Donau zu erstrecken und diese Bestimmung auch in die Statuten aufzunehmen; ansonsten soll allerdings die Wiener Ordnung wie bisher gelten. Die Marktbehörde schließt ihre Bittschrift mit der treuherzigen Versicherung, für Erzherzog Ernst mit „embsigen täglichen Gebet zu Gott umb dero Gesundt, langes Leben und glückliche gottselige Regierung" zu bitten. Das Schreiben wurde jedenfalls in positivem Sinne erledigt, wie aus den angebrachten Kanzleivormerken auf der Rückseite des Gesuches zu ersehen ist. Die landesfürstliche Bestätigung der Zunftordnung ist allerdings in Verlust geraten.
Eine ganz stattliche Anzahl von Webstühlen muss damals innerhalb und außerhalb des Marktes bestanden haben und die Pfarrmatriken der Barockzeit bezeugen den gleichmäßigen Weiterbestand dieser Industrie in den Jahrzehnten von 1630 bis 1660.
Das Anfertigen von Webstoffen ist in jenen Jahrhunderten Hand in Hand gegangen mit dem Färben der Tücher. Färber wie Lederer gab es in Haag gleichfalls schon sehr früh, und beide Gewerbe benötigten zu ihrer Ausübung das Wasser des Haager Baches. Sie waren auch sehr angesehen und stellten vornehmlich die Ratsbürger; ja, der erste uns namentlich bekannte Marktrichter ist der Färber Wolf Eder (1594, in einer Kirchenrechnung). Die Leistungen der Haager Färber finden heute noch Bewunderung, nicht mit Unrecht sprach man von einer „Tüchelmalerzeit".
Marktbestätigungen und Wappenbrief
Die Blüte von Handwerk und Gewerbe in Haag und damit die Vergrößerung von Haag scheint überhaupt das Werk der drei tüchtigen Generationen zwischen 1530 und 1620 gewesen zu sein. In diesem Zeitraum erfolgten auch die regelmäßigen Bestätigungen der Marktprivilegien durch den jeweiligen österreichischen Landesfürsten. Sie geschahen am 18. 6. 1522 durch Ferdinand I., am 18. 3. 1565 durch Maximilian II., am 5. 4. 1582 durch Rudolf II., durch Matthias wiederum am 3. 5. 1610 und am 12. 6. 1627 durch Ferdinand II. Der Haager Wappenbrief wurde bereits unter Ferdinand I. am 31. 10. 1563 ausgestellt. Er zeigt den heiligen Michael, im Levitenrock und mit Stola und Schwert auf einem Hügel stehend, in der Hand die ausgleichende Waage haltend. Der Wappenbrief beschreibt das Wappen folgendermaßen: „Ein blauer oder lammfarbner Schild, im Grund desselben ein schröpfiger Berg sein natürlichen Felsenfarb darauf, über sich und fürwerts des hailigen erzengel sanct Michael piltnus mit zwaien Flügln in einem langen engen weißen und durch einen weiten fliegenden levitenrock becleit und einer gelben stollen creutzweis angetan, in seiner linken ein waag und in der rechten Hand zum straich über sich ein plosses schwert haltend.
Eisenverarbeitendes Gewerbe
Kurz vor Erhalt des Wappenbriefes (1557) wurde den Haagern gleichfalls von Kaiser Ferdinand I. das Recht zugesprochen, Innerberger Eisen zu verschleißen. Einige Bürger des Marktes mochten wohl damals Eisen-Ganz- und Halbfabrikate von der Stadt Steyr bezogen haben, die sich ja das Monopol auf Roheisen aus Innerberg-Eisenerz zu sichern gewusst hatte. Vielleicht haben gerade die aus Steyr stammenden Kölnpeck, die durch den Eisenhandel sehr reich geworden waren und 1531 die Herrschaft Salaberg gekauft hatten, den Gedanken an den Eisenhandel den Bürgern zu Haag nahegelegt. Allerdings lässt sich weder für diese Zeit noch für das folgende Jahrhundert ein Kaufmann nachweisen, der sich ausschließlich mit Eisenhandel beschäftigte. Eisenverarbeitendes Gewerbe war aber vorhanden, wenngleich in bescheidenem Ausmaß. Im Jahre 1595 existierten vier Nadler und Haftelmacher, die in vier kleinen Hofstätten in nächster Nähe des Marktes hausten und dem Haager Marktgerichte unterstanden. Noch im Jahre 1619 übten sie ihren Beruf aus, waren aber so verschuldet, dass ihre Steuerrückstände bis 1595 zurückgingen. Der Buchhalter der nö. Kammer (Finanzbehörde für Nieder- und Oberösterreich) fürchtete (anno 1619), dass die verschuldeten vier Nadler und Haftelmacher niemals ihre Steuerrückstände begleichen könnten und eher ihr Gewerbe aufgeben, ihre Hofstätten verlassen würden - ein deutliches Zeichen, dass sich diese Industrie gegen die Konkurrenz in Steyr und Waidhofen bei uns in Haag nicht behaupten konnte. Die, einsichtige Steuerbehörde gab sogar zu, dass die vier armen Leute gar nicht in der Lage seien, ihre Steuern zu bezahlen, weshalb sie bei der Hofkammer in Wien einen Steuernachlass beantragte; er wurde schließlich auch bewilligt. Dennoch hat sich das Gewerbe nicht halten können; die vier Hofstätten gingen an einen Schuster, einen Schneider und an zwei Leinenweber über. Nur ein Messerer, der wahrscheinlich die Klingen von der Raming bezog und die Messer fertigstellte, behauptete sich im 17. Jahrhundert. Misslang auch der Versuch, eisenverarbeitendes Gewerbe in Haag sesshaft zu machen, so muss doch um 1570 einige Aussicht auf sein Gelingen bestanden haben.
Schneiderzunft
Günstiger war das Geschick den Schneidern. Sie erhielten 1580 eine Handwerksordnung' und ihrer Zunft gehörten auch die Schneidermeister von Ardagger, Nieder-Wallsee und Zeillern an, bis sie im Jahre 1651 ihre eigene Zunft mit dem Sitze in Nieder-Wallsee gründeten. So befanden sich Gewerbe und Handel an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert (um 1600) in einem stetigen Aufstieg und konnten stolz auf einige Leistungen blicken.
Türkengefahr
Die Zeitläufte waren freilich nicht immer friedlich. Die Türkengefahr war beständig gewachsen. Unter Sultan Soliman II., dem Prächtigen, war es dem türkischen Heere nach der Schlacht bei Mohacs (1526) gelungen, in Ungarn einzubrechen, die Krain, Untersteiermark, Kärnten und auch Wien zu bedrohen. Während der ersten Belagerung Wiens (1529) schwärmten Akindschi-Abteilungen, leichtbewaffnete türkische Reiterscharen, nach verschiedenen Richtungen bis zur Enns aus. Amstetten wurde in Brand gesteckt, Waidhofen an der Ybbs bedroht. Von Amstetten aus unternahmen im Jahre 1532 die Reiterscharen in zwei Richtungen einen Vorstoß: die eine ging im Tale des Urlflusses über Aschbach, Seitenstetten und Dorf Haidershofen gegen Steyr, die andere über Strengberg nach Ernsthofen. Sogar die Eroberung der Ennsbrücke war ihnen gelungen und offensichtlich hatte auch der Markt Haag unter diesen Streifscharen schwer zu leiden. Die Türken machten Gefangene, die allerdings von der Waidhofner Bürgerschaft nach einem siegreichen Gefechte auf dem Grasberge befreit werden konnten. In allen Orten musste übrigens zur Abwehr des Erzfeindes auch ein finanzieller Beitrag geleistet werden: die Türkensteuer. Sie betrug für Haag in den Jahren 1527-32 60 fl.
Neben der Türkengefahr bedrohte eine geistige Bewegung europäischen Ausmaßes gleichfalls die Welt der strebsamen Bürger, die sich immer mehr daran gewöhnten, auf eigenen Füßen zu stehen: die Predigt Luthers, sein Streitruf gegen Rom und die Aufforderung, die Priesterherrschaft zu brechen, fanden auch in Haag Gehör.
Luthertum Reichtum der Pfründen
Die Voraussetzungen für das Eindringen lutherischer Lehren waren recht günstig. Mit einem Pfarrer und vier Benefiziaten gab es in Haag eigentlich fünf Priester, von denen jeder eine ganz ansehnliche Pfründe genoss und damit den Neid und die Raffgier der Laien, vor allem der Grundherren, herausforderte. Von der Entstehung einer kleinen „Pfarrherrschaft" mit robot- und zehentpflichtigen Untertanen wurde schon gesprochen. Wie neben der großen Pfründe des Pfarrherrn auch noch die vier bedeutenden Pfründen für Messeleser entstanden, ist heute nicht mehr klar ersichtlich.
Benefiziaten in Haag
Einen Anstoß dazu dürfte schon die Stiftung Ulrichs und Annas von Rohrbach aus dem Jahre 1370 an Pfarrer Anton gegeben haben. Sie gaben das Gut an dem Aigen für 52 jährliche Messen an die Kirche zu Haag, wo sie vor dem St. Nikolaus-Altare ihre Gruft hatten. Bei „Aigen" handelte es sich um ein Gut, das, mit anderen Höfen in der Zetzenberger Pfründe zusammengefasst, den Unterhalt eines eigenen Benefiziaten (Messelesers) sicherstellte. Pfarrer Meuerl, der Nachfolger Pfarrer Antons, hat weiter gesorgt, indem er nicht nur die Rohrbacher Stiftungen entgegennahm, sondern selber im Jahre 1411 eine ewige „Vicarie" auf dem Dorothea-Altar seiner Pfarrkirche gründete. Die Güter für den Unterhalt dieses Vikars wurden aus Bamberger Lehen genommen; Bischof Albrecht von Bamberg behielt sich aber am 8. 4. 1411 das Recht vor, die Vikarie selber zu besetzen, d. h. den Vikar zu ernennen. Bischof Friedrich bestimmt (1431), dass der Kaplan des Dorothea-Altares in Haag, Andreas Paltram, das Bamberger Haus und die Wiese in Haag dem Pfarrer abtreten müsse, dafür aber die von Bischof Albrecht von Bamberg an die Haager Kirche gestifteten Häuser und Güter zu Haag nützen dürfe, d. h. die Einkünfte von diesen Gütern zu Lebzeiten für sich verbrauchen dürfe. So finden wir an Stelle eines Vikars im Jahre 1431 einen „Kaplan" des Dorothea-Altares (Andreas Paltram) und wieder etwas später um 1514 einen Benefiziaten, den Inhaber der Frühmesspfründe.
Pfründenerträge
Auch die Kürschnerpfründe ist um 1514 bezeugt; Benefiziat Wolf Pirhinger hat sie inne, der ein Haus, genannt „das stainern stöckl am Anger", besaß. Simon Huetenwehner kauft es ihm ab und stiftet es dann an die Pfarre. Er ist der Inhaber der Frühmesspfründe und erhält dann nach dem Tode Pirhingers auch noch die Kürschnerpfründe. Die vierte der Pfründen, die Posterpfründe, besaß anno 1522 Martin Inderfelder. Der Nutzgenuss dieser Pfründen war keineswegs gering. So trugen zum Beispiel die sieben Untertanen der Frühmesspfründe an barem Geld 9 fl., 4 Schillinge, 26 Pfennige, welche Summe sich für den Benefiziaten noch durch das Pachtgeld einiger kleiner Äcker und Innerpeunten auf insgesamt mehr als 13 fl. erhöhte. Dazu kamen die Naturalabgaben: Drei Herbsthahnen, drei Käse, 40 Eier, drei Faschinghennen, eine Gans; der Zehent, bestehend aus 40 Metz Weizen, 12 Muth Korn, 13 Muth Hafer, 2 Metz Gersten, 8 Metz Linsen, 50 oder 60 Reiser Flachs und nochmals zwei Zehentgänse. Ziemlich gleichen Ertrag konnte der Benefiziat der Polsterpfründe von seinen acht Untertanen, etwas weniger der Inhaber der Zetzenberger Pfründe von den sechs dazugehörenden Untertanen buchen. Am reichsten konnte sich der Benefiziat der Kürschnerpfründe schätzen, der zwar auch nur acht Untertanen, darunter aber sehr vermögende und einen sogar mit zwei Hofstätten als Zinspflichtige hatte. Mehr als alle vier Benefiziaten zusammen von ihren insgesamt 29 Untertanen bezog der Pfarrer von seinen 33 zinspflichtigen Häusern und Hofstätten.
Manche Pfarrer bloße Pfründengenießer
So war es kein Wunder, dass sich in den Genuß einer solchen erträglichen Pfründe gar viele drängten, die weniger an der Seelsorge und an dem großen Aufgabengebiet in Haag selbst, sondern mehr an den Erträgnissen interessiert waren. Das kann gewiss von all den Pfarrern gesagt werden, die gar nicht in Haag ihren Wohnsitz hatten, sondern in einer fernen Residenz nur Haager Pfarreinkünfte bezogen, die Seelsorge der Betreuung eines minder bezahlten Vikars überlassend. Als Beispiel sei Herr Christoph von Rohrbach angeführt, der Sohn des Herrn Wolfgang von Rohrbach und Klingenbrunn. In den geistlichen Stand eingetreten, wurde er bald Kanonikus von Passau und erhielt neben der Haager Pfarre auch die Pfarre zu Sierning in Oberösterreich, wo er sich aufhielt und am 20. Dezember 1526 begraben wurde; sein Vikar in Haag war Johann Schwaiger. Ähnlich tat es Graf Christoffel von Henneberg aus angesehenem fränkischem Adel, der Domdechant von Bamberg wurde und im Jahre 1537 die Pfarre Haag erhielt. Er bestellte als seinen Pfarrverweser den geistlichen Herrn Sebastian Korner.
Erst mit Johann Rauchenperger, der sich schon 1532 ohne Bambergs Wissen in den Besitz der Pfarre setzen wollte, dann getadelt wurde, sie aber doch 1540 erhielt, zieht ein Herr in die Pfarre ein, der sich ihr wiederum selber widmet. Zur Zeit seines Einzuges war bereits Luthers Lehre an allen größeren österreichischen Orten bekannt und vielfach auch schon angenommen worden.
Es ist wohl zu vermuten, dass sie in Haag, wo sich durch Jahrzehnte reicher Pfründengenuss und geringer Dienst an der Seelsorge so auffallend gegenüberstanden, gleichfalls in einigen Köpfen Einzug gehalten hat, dass auch hier der Kampf gegen das „Pfaffentum" - um mit Luther zu sprechen - als ein gottgefälliges Werk angesehen wurde und sich echtes religiöses Gefühl mit Neid und Hass gegen den Priesterstand unheilvoll und wunderlich vermischen konnte. Vorläufig fehlte freilich der protestantischen Bewegung in Haag noch der richtige Halt.
Der Pfarrer Johann Rauchenperger legte ein Verzeichnis der Pfarreinkünfte an, verwandte sie gut und scheint es verstanden zu haben, die Haager beim katholischen Glauben zu erhalten, wenigstens die maßgebenden Leute in Haag. Sicher hat er schon jenes Werk eingeleitet, das dann sein Nachfolger, Johann Burkgraf (1562-76), vollenden konnte: die Erhöhung des Kirchturmes.
Erhöhung des Kirchturms
Zweifellos wollten der Bauherr und die starkgewordene Bürgergemeinde mit dem hohen Turm ein Wahrzeichen ihres Heimatstolzes und ihrer gewachsenen wirtschaftlichen Kraft errichten lassen, denn der praktische Wert der Kirchturmerhöhung war gering. Zwar wurde, ein Stockwerk mit einem Wehrgeschoß dem quadratischen Turmgemäuer aufgesetzt und damit ein besserer Ausblick gegen nahende Feinde geschaffen, vorspringende Erker mit Schießscharten wurden angelegt, ein Großteil der Erhöhung erfolgte aber doch durch das aufgesetzte Helmdach aus Schindeln. Die Haager wollten eben vor allem ein schmuckes Gotteshaus haben, das weithin die Anwesenheit eines wehrhaften Marktes kündet. Im Jahre 1564 wurde das Kreuz dem vollendeten Turmwerk aufgesetzt. (Erst später wichen die Schindeln dem Kupferdach, das im ersten Weltkriege abgeliefert und gegen ein Blechdach eingetauscht werden musste.)
Protestantische Siege
Als wenige Zeit später Nikolaus Kölnpeck auf Salaberg starb (1570) und seine Söhne zum lutherischen Glauben sich ganz öffentlich bekannten, brachen andere Zeiten für Haag an. Nun zeigte es sich, dass der neue Glaube auch in Haag schon Anhänger gehabt hatte. Im Jahre 1576 gelang es den Protestanten, den Pfarrer Burkgraf und mit ihm oder auch schon vorher die Benefiziaten zu vertreiben.
Verwaltung der Benefiziatenlade
Die Benefiziatengüter gingen in die Verwaltung der „Benefiziatenlade" über, dorthin mussten nun die Bargeldabgaben eingezahlt werden. Aus der Benefiziatenlade wurde ein Geldinstitut, aus dem jeder gegen Zins borgen konnte, das aber auch zur Finanzierung baulicher gemeinnütziger Unternehmungen herangezogen wurde. Letzte Verfügung über sie hatte freilich der Oberlehensherr der Benefiziatengüter, d. i. der Bischof in Bamberg, der damit seinen Stellvertreter für Vermögensangelegenheiten in Osterreich, den Vicedom im bambergischen Hauptorte Wolfsberg in Kärnten betraute. Die erste Verfügung über das aus den Benefizien stammende Geld hatte jedoch der Inhaber der Vogtei zu Haag; das war der lutherische Herr auf Salaberg. Durch zwei Zechpröpste, Haager Ratsbürger und wahrscheinlich Protestanten, wurde die Gebarung der Benefiziatenlade kontrolliert. Dieser Zustand dauerte offenbar noch an, als am 26. Dezember 1579 der protestantisch gesinnte Pfarrvikar Anton Brunndorfer das Pfarregiment wieder an Johann Burkgraf zurückgeben musste. Die vier Benefiziaten sind nicht mehr wiedergekommen, ihre Pfründen werden weiterhin für andere Zwecke verwendet, bis sie schließlich 1604 dem Pfarrvermögen kanonisch einverleibt werden, das sich dadurch fast verdoppelt.
Turmgebäu und Uhrwerk
Ein Verzeichnis der Schuldbriefe aus dem Jahre 1577 ergibt, dass sowohl Herr Hans Köllnpeck 100 fl., als auch Haager Bürger insgesamt 342 fl. in die Benefiziatenlade schuldig sind. Aus den Schreiben, die zwischen dem Vicedomamt in Wolfsberg und dem Pfleger zu Salaberg gewechselt werden, geht auch hervor, dass aus der Benefiziatenlade Geld für das „Turmgebäu" in Haag genommen wurde. Am 3. April 1595 gestattet der Vicedom in Wolfsberg, Herr Graf Stadion, dass wiederum Geld und Schuldbriefe aus der Benefiziatenlade für den Turm und das Uhrwerk vom Vogte Nimrod Köllnpeck ausgefolgt werden. Sammlungen an Sonn- und Feiertagen sollen außerdem Geld für die Anschaffung des Uhrwerkes an der Kirche erbringen. Dass es sich aber nur um eine Renovierung des Uhrwerkes und eine Verbesserung des Turmgebäudes handelt, geht aus dem Akt hervor, in dem der Marktrichter Wolf Eder und die beiden Zechpröpste Matthias Werkgarner und Hans Lemperger (zu Untermaierhofen) am 9. Juni 1594 beurkunden, dass der bischöflich-bambergische Vicedom zu Wolfsberg der Bürgerschaft und Pfarrgemeinde auf ihre Bitten hin bewilligt hat, 240 fl. aus der Benefiziatenlade zu entnehmen. Als Inhaber des Verzeichnisses der Benefiziatenlade wird der Vogt, d. i. der Herr aus Salaberg, genannt.
Schule in Haag
Neben den Arbeiten an Kirche und Uhrwerk wurde noch Bedeutenderes aus der Benefiziatenlade finanziert: Der Bau eines Schulhauses, das zugleich die Wohnstatt für den Mesner und Organisten sein sollte. Rechnungen der Benefiziatenlade aus dem Jahre 1595 ergeben, dass insgesamt neun Fuhren Steine, fünf Fuhren Kalk, drei Fuhren Ziegel, Sand und Wasserfuhren für das "Schuellhauss" in Haag zu bezahlen waren. Andere. Rechnungen aus der selben Zeit reden von 11 Stämmen Holz, 9000 Schindeln, 25 Laden, 13.000 Schindelnägel und 700 Ladennägel; hier soll es sich laut Angabe des Originalpapiers nur um Ausbesserungen des Schulhauses gehandelt haben. Schon im Jänner 1590 gibt es eine Glasnerrechnung für das Schulhaus zu bezahlen und der Zimmermeister Wolfgang Mürsner erstellt eine Rechnung über 47½ Tage Arbeit im Schulhause. Zur selben Zeit wird auch das Frühmesserhaus für einen Gesellenpriester hergerichtet, für das unter anderem 10 Laden gebraucht werden.
Kooperatoren stat Benefiziaten
Alle Rechnungen der Benefiziatenlade aus der Zeit von 1590 bis 1596 sprechen zwei Tatsachen deutlich vernehmbar aus:
An Stelle der vier Pfründeninhaber traten zwei Kooperatoren („Gesellenpriester"); die seelsorgliche Tätigkeit katholischer Geistlicher geht also weiter und hat offenbar von den Protestanten gelernt. Denn wenn nun nach dem Protestantensturm des Jahres 1576 zum ersten Male von einer Schule in Haag die Rede ist, so erscheint damit eine Hauptforderung der Protestanten, nämlich der regelrechte Schulunterricht, von den Katholiken übernommen worden zu sein. Ja die Frage, ob die erste Kinderschule in Haag nicht ohnedies von Protestanten gegründet und errichtet und nur später vom katholischen Pfarrer in die Verwaltung übernommen wurde, bleibt wohl für immer offen.
Besetzung des Schulmeisterposten
Eines gibt uns ja zu denken: Anno 1596 war der protestantische Bürger Sebald Schmidtleuthner aus Waidhofen an der Ybbs von Herrn Nimrod Kölnpeck auf Salaberg für den Schulmeister- und Organistenposten in Haag ausersehen gewesen; er hatte die Probe bestanden und sollte anderen Bewerbern vorgezogen werden. Er wurde aber dann als „untüchtig" vom Kirchenobristeninspektor, vermutlich dem Dechant, abgelehnt und erhielt aus der Benefiziatenlade die Kosten seines vergeblichen Haager Aufenthaltes rückerstattet. Hier fand offenbar um die Besetzung des überaus wichtigen Amtes ein kleiner "Kulturkampf" statt, in dem der katholische Teil als Sieger hervorging.
Mit der Übertragung des Benefiziatenvermögens in die Hände des Pfarrers (1604) wurde dann endgültig die Sorge für die Schule und die Besetzung der Lehrerposten dem Pfarrer übertragen.
Haags bedeutende Rolle um 1600
Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, dass die Schule von Anfang an zweiklassig war, dass auch zwei Lehrpersonen, der Organist und noch ein Gehilfe (Mesnergehilfe) unterrichtet haben.
Haag hat am Ende des Jahrhunderts mit seinem erhöhten Kirchturm ein Wahrzeichen, mit seiner Schule aber eine kulturelle Tat ersten Ranges gesetzt. Schulen gab es zu jener Zeit wirklich nur in bedeutenderen Ortschaften. Durch ein beständiges Wachsen, durch Arbeit und erstarkende Wirtschaftskraft, trotz Hussiten (1421), Böhmen (1462), Ungarn (1485) und Türkenstürmen (1532) trotz der Glaubensspaltung und des in der Bürgergemeinde selber schwelenden Religionszwistes hat sich Haag um 1600 in die Reihe der maßgebenden Märkte Osterreichs eingereiht.