AUFLÖSUNG DER HOFMARK
Schenkungen an Gleink
Die Auflösung der Hofmark ging aber auch noch in ganz andere Weise vonstatten. Sie hatte schon früher eingesetzt durch die Schenkungen Bambergs an Gleink. Auf dem Wege der Schenkung wurde weiterhin die Hofmark zersplittert. Ein Nachkomme eines gewissen Bruno hatte bereits im Jahre 1128 einen Hof an der Erla, den Brunhof, für seine Mühewaltung als eine Art Untervogt im Dienste Gleinks geschenkt bekommen. Der Brunhof muss an Heinrich von Grieven aus der Familie de Hage gelangt sein, denn der übergab ihn wieder an das Spital am Pyhrnpaß im Jahre 1259. Garsten erhielt von Bischof Werntho von Bamberg im Jahre 1334 den Hof an der Aiche, auf dem der Bauer Conrad saß, und das Lehen auf der Chaipen mit dem Bauern Ulrich (beide, Aicherbauer und Keipeneder, in der Hofmark Haag gelegen) geschenkt. Es musste dafür alljährlich am Tage der heiligen Margaretha eine Messe für des Bischofs Seelenheil und ebenso alljährlich eine Messe an seinem Sterbetag gelesen werden. Ein paar Monate zuvor war Bischof Werntho in Haag gewesen (am 29. Juli) und hatte alle Schenkungen für Gleink bestätigt. Gleinks Hofamtmann aus dieser Zeit war Heinrich der Werkgarner, der im Jahre 1340 das Gut am Werichgadem, das er bisher nur zu Landsiedelrecht gehabt hatte, zu Erbrecht geschenkt erhielt und dazu eine Wiese zu Mergerspruck an der Erla und eine bei dem Goglhof. Gleink erhielt dann 1350 das Gut Hag bei Zauchasteg von Berthold von Losenstein. Eine große Schenkung an Gleink erfolgte 1360:43 Weinmar der Teuerwanger, Bürger zur Steyr und seine Hausfrau Kunigunde geben mehrere Güter, bisher Lehen von Bamberg, als Stiftung für Seelenmessen. Diese Güter sind „der Schwaben" (heute Schwabenreit oder Schwabenmaier), Neureith und Schneckenschlag (Ziegelstadel, Katastralgemeinde Gstetten), dazu zwei Güter auf dem Helmprechtsöd in der Wolfsbacher Pfarre (Meilersdorf). So kommt es, dass Gleink fast ein eigenes Herrschaftsgebiet innerhalb der Haager Hofmark entwickeln konnte.
Entstehung der Gutsherrschaft "Pfarre Haag"
Aber auch der Pfarrer zu Haag selbst wurde etwas Ähnliches wie ein Inhaber einer Grundherrschaft. Von einer eigentlichen pfarrlichen Grundherrschaft kann natürlich trotz allem nicht geredet werden. Dazu hätte die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit über einige Untertanen gehört, wie sie eine Klosterherrschaft durch den Vogt hatte. Das war hier nicht gegeben. Der Pfarrer hatte nur eine Reihe von Bauernhöfen geschenkt erhalten, deren Besitzer ihm Zehent und Robot leisten mussten. Für dieses „Geschenk" hatte der Pfarrer für sich und alle seine Nachfolger „auf ewige Zeiten" Gegenleistungen zu erbringen, Messen und Requien an bestimmten Tagen zu lesen. Im Jahre 1352 haben die Brüder Conrad, Heinrich und Rudiger von Zaucha eine solche Schenkung getan. Das Gut Pötzlberg, das Gatterbauern-, Pöller-, Aigner- und Hörtlehnergut, die Hofstätten am Aigen, Preuer- und Sailerhofstatt wie auch die vor dem „Freythofthor" fielen dem Pfarrer Andreas Rueschinger und seinen Nachfolgern zu. Auf der Hofstatt vor dem Friedhofstore - der Friedhof lag ja damals rund um die Kirche - konnte nun ein Pfarrhof erbaut werden. Die Stiftungen der Familie Rohrbach mit fünf Untertanen im oberen Urltale wurde bereits (bei den Anfängen dieses Geschlechtes) erwähnt. Dazu kam von Rohrbach noch Wald im Ausmaße von 40 Joch, das Windholz, und der Zehent aller Felder zu Klingenbrunn. Im folgenden Jahrhundert kam dann noch die Stiftung des Pfarrers Meuerlein hinzu, der zur Ehre Gottes, Marias und Dorotheas eine ewige Vicarie auf dem Dorothea-Altar seiner Pfarrkirche gründen wollte (1411); die Höfe und Güter hierfür erhielt er durch Gunst des Bischofs aus Bamberger Lehen. Eine andere Schenkung erfolgte wiederum durch Pfarrer Dietrich von Kölen und betraf 60 Tagewerke Weingarten in Spitz an der Donau (1433). Soviel vorläufig über die Anfänge und die erste Entfaltung der Haager Pfarrherrschaft. Was aber dem Haager Pfarrer gestiftet wurde, war vom Standpunkte Bambergs aus keine Entfremdung; denn das Recht der Präsentation des Pfarrers (des Vorschlages, wer in Haag Pfarrer werden soll) blieb ja weiterhin beim Bamberger Bischof, der auch drei Altäre und Präbenden zu verleihen hatte. Die Einkünfte freilich, die Bamberg bisher von diesen Höfen hatte, gingen dem Bischof und seinen Domherren verloren, wenn eines ihrer Lehen an den Pfarrer oder an Gleink kam.
Abgaben der Bauern an die Herrschaft
Was die Bauern überhaupt ihrem Grundherren zu leisten hatten, war nach der Größe des Hofes und seiner rechtlichen Stellung sehr verschieden; im allgemeinen war es in dem Zeitraume von 1300-1450 nicht besonders viel. So musste der Bauer auf dem Gute Werkgarn, laut Urkunde von 1340, am St. Georgen-Tag 14 Schillinge Wiener Pfennig an das Kloster Gleink entrichten, sowie drei Pfennige und ein Huhn (Vogtpfennige und Vogthuhn) an den Vogt. Aber nicht durchwegs waren um diese Zeit die Leistungen in Geld zu entrichten. Die meisten hielten noch am alten System der Naturalabgaben fest und nur wenige hatten sie in Geld abgelöst. Nach dem Urbar, das sich Gleink um 1313 anlegen ließ, hatte ein großer Hof wie der Gleinker Meierhof zu Haag jährlich ein Scheffel Korn und vier Scheffel Hafer zu liefern, zu Ostern 60 Eier, vier Käse, zwei Lämmer, 10 Ellen Leinwand und an Stelle der Robotarbeit 20 Pfennige. Zu Martini galt es zwei Gänse und vier Masthühner dem Kloster zu bringen, während am Aschermittwoch vier Masthühner, vier Schulterstücke, vier Weinkäse und sechs Pfennige für den Vogt fällig waren. Im Vergleiche zu den Steuern der Neuzeit sind diese Abgaben erträglicher. Trotzdem summierten sie sich für das Kloster Gleink ganz gewaltig. Allein von den 47 Untertanen, die es von seinem Gleinker Amt in Haag hatte, erhielt es alljährlich seine 14 Talente, vier solidi und 15 Pfennige an Geld und an Naturalien: 20.5 Meter Korn, 28 Meter Weizen, 8 Mut und 24 Meter Hafer; drei Schweine, 64 Schulterstücke, 8 Lämmer, 45 Gänse, 187 Masthühner, 86 Käse zu Ostern und 58 Weinkäse zu St. Michael, eine Unzahl Eier und 34 Ellen Leinwand.
Noch mehr bekamen natürlich an Zehent und Diensten die größeren Herrschaften Salaberg und Rohrbach, weniger als Gleink der Pfarrer von Haag. Leider sind uns weitere Aufzeichnungen über bäuerliche Leistungen an die Herren aus dieser Zeit nicht erhalten. Was aber erhielt Bamberg noch? Nichts mehr oder nur sehr wenig! Das Marchfutter, eine Haferabgabe, die innerhalb der Markgrafschaft Österreich ursprünglich den Pferden des schützenden Reiteraufgebotes zukommen sollte, hat Bamberg im Jahre 1349 den Herren von Wallsee überlassen, die damals Vogteiherren waren, anderes war mit der Pfandherrschaft Salaberg vergeben.
Kein Wunder, wenn mit dem Verluste der Einkünfte die finanzielle Lage des Hochstiftes Bamberg noch schlechter wurde und zwei Bullen des Papstes Martin V. vom Jahre 1431 besagen, dass der Bamberger Bischof mit seinen Einkünften kein Auskommen mehr hat; um 1440 dachte man in Bamberg daran, die Herrschaften in Kärnten, einen Riesenbesitz also, zu versetzen oder zu verkaufen. Ein Zeichen, dass auch dort die Entwicklung ähnlich verlaufen ist. Es kam aber doch nicht so weit.
Die neuen Besitzverhältnisse
Was der eine verliert, muss dem andern zugutekommen. Die bambergische Hofmark war zu Ende gegangen. Wer die neuen Herrschaften auf ihrem alten Gebiete zeichnerisch und farbig darstellen wollte, müsste eine seltsame Landkarte entwerfen. Wie wenn ein Maler verschiedene Farben mit dem Pinsel auf eine weiße Fläche gespritzt hätte, so sähe diese Karte der Hofmark Haag aus. Die hauptsächlichsten Farben aber wären die der Herrschaften Salaberg, Rohrbach, der Klosterherrschaft Gleink, der Pfarre und Kirche zu Haag. Wer sich das nicht vorstellen kann, nehme eine Karte des deutschen Reiches, wie sie der Geschichtsatlas für 1450 verzeichnet, und sehe sich dort die Buntscheckigkeit der Fürstentümer an. Was sich in der Großgeschichte abgespielt hat, geschah auch hier im kleinen örtlichen Bereiche: die Zertrümmerung.
Geistige Entwicklung: Ketzerei
Diese Zertrümmerung der alten Verhältnisse wäre nur einseitig aufgezeigt, wollte man sie nur besitzgeschichtlich sehen. Sie ging ja schließlich von Menschen aus, die im raschen Drängen das alte Weltbild und die alten Ordnungen in allen Dingen ihres Lebens abzustreifen begannen. Wie der Ritter dem Bürger in den Städten und größeren Märkten wich, wie die neuen Herren die alten verdrängten, wie das Geld immer mehr an Stelle der Naturprodukte aufkam, so litt auch die Einheit der Kirche unter den vielen Anhängern neuer Sekten. Die Patarener, Begharden und Waldenser machten sich um 1320 in Haag, Haidershofen, St. Valentin, Wolfsbach, Weistrach und St. Peter breit. Ihre Lehre gipfelte in der Behauptung, dass Luzifer mit dem Erzengel Michael im Kampfe liege, schließlich den Sieg erringen und seinen Parteigenossen ewige Freude verschaffen könne. Diesen absurden Lehren wurde scharf entgegengetreten; zu Krems und Steyr tagte das Gericht, denn Ketzerei galt auch den weltlichen Richtern als größte Unruhestiftung und ärgster Greuel. Einer der Anführer namens Neumeister wurde hingerichtet.
Das seelische Gleichgewicht hatte die Bevölkerung damit nicht gewonnen. Das plötzliche Auftreten einiger starker Pestwellen, so um 1349, erschütterte weiterhin die Gemüter und ließ fanatisierte Menschen zu Geißlerzügen sich zusammenfinden, die gegen den Willen der Geistlichkeit von Ort zu Ort zogen. Als dieser Auswuchs abgeebbt war, wusste das Volk neuerlich keinen Rat: seit 1378 gab es einen Papst in Avignon und einen anderen in Rom, 1409 kam gar noch ein dritter in Pisa dazu. Die einfachen Leute wussten wirklich nicht mehr, welcher von den dreien der wahre Papst sein konnte. Endlich brachte das Konzil von Konstanz die ersehnte Erlösung im Jahre 1417, einen einzigen, rechtmäßigen Oberhirten der Christenheit.
Die Zeit der Unruhe
Trotz aller Irrungen aber blieb der Kern der Gläubigkeit unversehrt. Die Frömmigkeit war Herzensanliegen vieler einfacher Menschen, Bürger wie Bauern geblieben; die vielen Stiftungen und der Unterhalt von vier Benefiziaten (Geistlichen) neben dem Pfarrer in Haag bezeugen dies. Aber von Böhmen her beunruhigten die Hussiten im Jahre 1431 Haags Bevölkerung, wenngleich sie unsere Gegend selbst nicht durch einen Einfall verheerten. Der Waffenlärm tönte allzu nahe, durchziehende und schlecht besoldete Soldaten, wie der Fahne Entlaufene bildeten auch in den weiteren Jahrzehnten ein Völklein, dem nicht recht zu trauen war; verschiedene Fehden der Herren untereinander vermehrten es beständig. Das Barometer der Zeit war dauernd auf Unruhe gestellt. Und in diesem brodelnden Jahrhundert erwuchs als Zuflucht in Gefahren die mauerumringte Kirche, der befestigte Markt zu Haag.