RITTERSITZE AUF BISCHOFSGRUND
e) Die Ritter von Klingenbrunn
„Da drüben, wo das Schilfrohr weich sich wiegt und schmiegt im verödeten Teich, hat ruhmvoll einst in Ostmarks Landen das Schloss von Klingenbrunn gestanden.
So dichtete unser Haager Dr. Josef Wagner in der „Ennswaldeiche". Er hatte vor allem die späteren Zeiten vor Augen, die Jahre zwischen 1487 und 1848, da sich zwanzig Minuten Gehzeit östlich der Haager Kirche das Wasserschlösschen erhob.
Aber als das Schloss Klingenbrunn erbaut wurde, war die Zeit der Ritter von Klingenbrunn schon lange vorbei, hatte Rohrbach bereits das Lehen Klingenbrunn von den Zaucha geerbt. Nur der Name war der Stelle haften geblieben, wo einstens das Haus der Ritter gestanden hatte. Die Ritter von Klingenbrunn brachten ihren klangvollen Namen aus Oberösterreich mit, als sie vom Hochstifte Bamberg in der Hofmark Haag in Dienst genommen und mit Grund belehnt wurden.
Klingenbrunn
Gleichwie das Geschlecht der Piberbacher, das der Abt von Seitenstetten aus Oberösterreich zu sich gerufen hatte, dem Dorfe und der späteren Gemeinde Biberbach den Namen gegeben hat, übertrugen auch unsere Ritter den Namen Klingenbrunn von Oberösterreich auf ein niederösterreichisches Fleckchen. Sie bauten ihre wohl unscheinbare Burg zwischen kleine Anhöhen im Tale des Haager Baches noch während des 12. Jahrhunderts und umgaben sie mit einer teichartigen Anlage, da sie sonst gar zu ungeschützt gewesen wäre.
Den ersten urkundlichen Nachweis, dass die Klingenbrunner in der Hofmark Haag und im Dienste Bambergs standen, haben wir aus dem Jahre 1223. Damals stellte der Bamberger Bischof Ekbert aus dem Geschlechte der Grafen von Meran für Gleink eine Bestätigungsurkunde aus, in der unter den bambergischen Rittergeschlechtern die Brüder Otto und Rudiger de Klingenbrunn an dritter Stelle aufscheinen. Sie scheinen auch noch zwanzig Jahre später gelebt zu haben, als Bischof Heinrich von Bamberg dem Gleinker Abte eine Urkunde ausstellte. Wiederum zwei Jahre später hören wir von einem Richerus de Chlingenbrunne. Als urkundlich letzter der ritterlichen Familie tritt uns im Jahre 1272 ein Ulrich de Chlingelbrun entgegen. Auch die Klingenbrunner dürften, wie so viele Geschlechter, bald nach 1300 Besitz und Bedeutung verloren haben. Ihre Burg und ihr Lehen gingen zunächst an Zaucha über. Von Friedrich Zauchinger kaufte es Hans von Rohrbach. Die Rohrbacher Herren haben fast immer den Rittersitz Klingenbrunn innegehabt, die Schicksale beider Herrschaften sind miteinander verflochten. Die Besitzer von Rohrbach haben das erwähnte Wasserschlösschen im Jahre 1487 erbauen lassen und ließen es auch, als es schon etwas verwahrlost und verfallen war, in den Jahren 1847 und 1848 niederreißen. Vom romantischen Bauwerk ist nichts mehr sichtbar. So vergeht die Herrlichkeit der Welt; der Ort aber ist ein beliebtes Ausflugsziel der Haager geblieben.
Mit der Aufzählung dieser Rittergeschlechter sind wir freilich noch nicht ganz zu Ende. In der Rotte Meilersdorf, die zur Ortsgemeinde Wolfsbach gehört, saßen gleichfalls bischöflich-bambergische Ritter. Ein Georg von Meilersdorf war mit den Rittern von Rohrbach verwandt. Die Meilersdorfer sind aber gleichfalls ein Geschlecht, das sich bald wieder der Hofmark Haag entfremdete. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden sie Gefolgsleute der Herren von Wallsee, unter deren Schutz ihr Geschlecht noch lange weiterblühte.
In den Urkunden, die unsere Gegend betreffen, tauchen auch noch ab und zu Ritter von Grillenberg und Himberg auf; ob sie wirklich bambergische Vasallen waren und demnach in oder um Haag herum ihre Hofstatt hatten, ist äußerst fraglich, ja unwahrscheinlich. Die Erben all der angeführten Ritterfamilien sind zwei Geschlechter, die verhältnismäßig spät in die Hofmark zogen: die Rohrbacher auf Schloss Rohrbach und die Herleinsperger auf Salaberg. An Stelle vieler Rittersitze entwickelten sich die beiden großen Herrschaftsgebiete, deren Inhaber vom Rittertume aufsteigend zu Herren, Freiherren und Grafen wurden.
Dieser Vorgang ist allgemein bezeichnend: Während einige Ritterfamilien Bürger oder Bauern werden, verstehen es andere in einem wirtschaftlichen Aufstieg, der lange anhält, ihr Untertänigkeitsverhältnis immer mehr zu lockern und aufzulösen und so selber die allmächtigen, allgebietenden Grundherren zu werden.
Ende des Rittertums
Mit dem eigentlichen Rittertum ging es eben zu Ende. Seine Blütezeit war um 1200. Nach der Rückkehr aus dem dritten Kreuzzug im Jahre 1192 konnten sie bei der Vereinigung Steiermarks und Österreichs unter der Hand des Babenbergers noch ein gewichtiges Wort reden. Die Kenntnis des Orients und seiner Erzeugnisse, der Teppiche, der Blusen und Seidenwaren brachte ihnen eine gewisse Bequemlichkeit des Lebens, die im übrigen noch armselig genug war. Ritterliche Umgangsformen, ritterlicher Sang blühten. Doch der weiterschwelende Kampf zwischen Staufen und Welfen - denken wir nur an die Ermordung des Staufers Philipp vom Jahre 1208 und an die Flucht des geächteten Ekberts nach Ungarn - immer wieder erneuerte Fehden schwächten die Kraft des Rittertums. In Markt und Stadt aber begann sich ein neuer Stand zu rühren, der Handelsmann kam zu Geld; sein Einfluss nahm zu, der des Ritters ab.
Und als im Jahre 1315 die Schweizer bei Morgarten gezeigt hatten, dass selbst das stattlichste Ritterheer der neuen Kampfweise nicht gewachsen war, schwand auch die militärische Bedeutung des Ritterstandes. Wer von den Rittern die Zeichen der Zeit verstand, wandte sich dem Geschäfte zu und wurde Bürger und Kaufmann wie Ulrich de Hagwalde, der dem Salz in Hallstatt sein Interesse widmet. Den Wechsel von Grund und Besitz beschleunigten aber noch andere historische Entwicklungen. Im Jahre 1246 fiel der letzte Babenberger Friedrich der Streitbare in der Schlacht an der Leitha.
Neue Herren
Nach der Besiegung König Ottokars von Böhmen durch Rudolf von Habsburg (1278) kamen völlig landfremde Geschlechter zu Macht und Einfluss. Die Habsburger suchten besonders der schwäbischen Ritterschaft die wichtigsten Stellungen im Donaulande zuzuschanzen. Auch das mag so manchen alten angesessenen Ritter vertrieben haben, an dessen Stelle ein neuer willkommen war. Hatten doch auch die schwäbischen Wallseer bald die Vogtei über Haag an sich gerissen, die vorher Hagwald besaß.
Selbst dem Bamberger Bischof, der zu allen Zeiten seinen Rittern in der Hofmark Haag gnädig gesinnt war, setzte die neue Zeit arg zu. Die Herrschaft über sein Gebiet schwindet ihm immer mehr und bleibt ihm schließlich nur mehr als ein leerer, nichtssagender Titel. Das späte Mittelalter mit seinen Auflösungserscheinungen alles Bisherigen und seinem Übergang zur Neuzeit war angebrochen. Als der altgewordene Walter von der Vogelweide, der gewiss des öfteren durch unsere Gegend zog, all diesen Niedergang des Rittertums bereits um 1230 ahnte, sang er traurig sein Abschiedslied:
„Owe, war sint verswunden alle miniu jar?"
Doch das Leben ging trotz des Sterbens der alten Zeiten und der alten Geschlechter weiter, wenn auch nicht besser und nicht feiner.