RITTERSITZE AUF BISCHOFSGRUND
b) Das Geschlecht der Hagwalder
Unter den ritterbärtigen Geschlechtern, die in der bischöflich-bambergischen Hofmark Haag im 12. Jahrhundert sesshaft waren, nahmen die de Hagwalde den vornehmsten Platz ein. Sie waren nicht bloß Ritter, sondern ausgesprochene Dienstmannen (Ministerialen) der Bischöfe von Bamberg. Ihnen war anscheinend das ganze Gebiet der Hofmark Haag zur Verwaltung anvertraut, was damals unter dem Begriffe der Burghut verstanden wurde. Denn der Bamberger Bischof war weit entfernt, und ein ferner Hausherr ist so gut wie keiner.
Hagwald
Unter diesen Umständen wird immer der Mann am wichtigsten, der das Haus, den Besitz für seinen Herrn hütet und verwaltet. Er ist und bleibt immer nur der Dienstbote und Dienstmann seines Herrn, ist aber doch diejenige Person, die innerhalb seines Verwaltungsbereiches am meisten anzuschaffen hat. So befehligten auch sie die in der Hofmark dem Bamberger Bischof dienenden Ritter und Bauern, soweit sie es im Namen ihres Herrn, des Bischofs, tun konnten.
Hagwald ist Hochwall
Größe und Glanz der de Hagwalde beruhte ausschließlich auf der einstens genossenen Gunst des Bischofs; was sie wurden, verdanken sie dem Hochstift Bamberg, das sie wahrscheinlich überhaupt erst hier angesiedelt hat. Das Wohnen unter dem Krummstab, der nur von der Ferne walten konnte, kam den Hagwaldern besonders gut an. Vermutlich hat sich das Geschlecht erst nach seiner Ansiedlung durch einen Bamberger Bischof seinen Namen zugelegt nach dem großen Wald, dem Haager Wald, der seit 1002 das Kernstück der hiesigen Hofmark war, dessen Rodung und Besiedlung mit christlichen Bauersleuten die Hauptaufgabe darstellte. Ihren Burgsitz bauten sie in der Nähe des Bauernhofes Maier in Hochwall - der Name ist belegbar aus Hagwald entstanden -, dort, wo später das Hagwalder Ritterlehen lag und heute die Hagwalder Felder (mundartlich: Hochwaller Felder) sich ausbreiten.
In einer Urkunde aus dem Jahre 1151 werden die Brüder Erchenpold, Pilgrim und Friedrich de Hagwalde bereits als Bamberger Ministerialen angeführt. Die Burghut dürfte von ihnen, wie es auch anderwärts Sitte war, gemeinsam geführt worden sein. Von Erchenpold, dem ältesten der Brüder, und von seinem gleichnamigen Sohne spricht die Urkunde von 1178; auch im Jahre 1183 gibt es einen Erchenpold de Hagwalde.
So nahmen die Hagwalder regsten Anteil an allem, was Haag und seine Umgebung betrifft. Sie erlebten die Freudentage, als Heinrich Jasomirgott den Streit mit den Welfen beendigte und als treuer Anhänger der Staufer dem Kaiser Friedrich Barbarossa zu Willen das Herzogtum Bayern an Heinrich dem Löwen gab und dafür sein Österreich zum Herzogtum erhoben bekam (1156). Für die Hagwalder war es eine bedeutsame Veränderung an den südlichen und westlichen Grenzen ihrer anvertrauten Hofmark, als im Jahre 1180 die Markgrafen von Steyr von Barbarossa zu Herzögen der Steiermark erhöht wurden, als im Jahre 1186 am Georgenberg bei Enns der Babenberger Leopold V. den Erbvertrag mit Herzog Ottokar von Steiermark Schloss, und gar erst, als die steirischen Lande kraft des Erbvertrages im Jahre 1192 dem babenbergischen Herzog zufielen. Als im Jahre 1207 Herzog Leopold VI. den Benediktinern zu Gleink steiermärkische Güter im Ennstale schenkte, benötigte er einen bambergischen Ministerialen als Zeugen für die Vergrößerung des bambergischen Klosters Gleink und rief Erchenpold de Hagwalde nach Linz. Ein zweiter Ministeriale aus der bambergischen Hofmark Haag, Dietrich von Zaucha, war bei dieser wichtigen Handlung dabei.
Bald nach dem Jahre 1207 müssen die Hagwalder ihre überragende Stellung innerhalb der Hofmark eingebüßt haben, wenngleich nur für kurze Zeit. Jener Dietmar de Hagwalde, der im Jahre 1223 in einer Zeugenreihe genannt wird, ist bloß ein Ritter! Aber die weiteren Hagwalde, die in Urkunden aus den Jahren 1239, 1252, 1264, 1274, 1275 und 1284 mit den Vornamen Dietmar (der Vater) und Friedrich, Dietmar, Richerus, Siegfried (seine Söhne) aufscheinen, nehmen schon wieder die erste und wichtigste Stelle ein.
Reichsacht über Bambergs Bischof
Die Haager Hofmark hat aber auch in diesen Jahrzehnten die gewaltigste Erschütterung seit ihrem Bestande erlebt, und das konnte nicht spurlos an der Familie vorübergehen, die dem Bischof hier die Burghut leistete.
Der Bamberger Bischof Ekbert von Andechs und Meran, Spross eines berühmten Grafengeschlechtes, war als angeblicher Mitschuldiger an der Ermordung des deutschen Königs Philipp von Schwaben (1208), eines Staufers, geächtet worden. Der mit der Reichsacht Belegte war vogelfrei und all seiner liegenden und fahrenden Habe verlustig. Als Vollstrecker der Reichsacht wurde der österreichische Herzog Leopold VI., der Glorreiche, betraut, soweit es sich um bischöflich-bambergische Herrschaftsgebiete in seinen Herzogtümern Österreich und Steiermark handelte. Zwischen den Jahren 1209 und 1214 erfolgte nun durch Leopold VI. die Besitzexekution. Er übernahm wahrscheinlich zunächst die Verwaltung der gesamten Hofmark, löste die Dienstmannen und Ritter von ihrem Lehensband mit dem Bischof, benachteiligte bischofstreue Männer, nahm ihnen Lehen und gab sie an Leute seines Vertrauens.
Verluste im Jahr 1208
Einen ganzen Gebietsteil dürfte er überhaupt von der Hofmark Haag abgesplittert haben, jenes Lehen an der Url, in dem die Pauz von Wisenbach walteten und das ganz heran bis zur Kirche in St. Peter reichte. Die Ritter von Wisenbach wurden in die Gefolgschaft des Herzogs aufgenommen und waren nun landesfürstliche Vasallen. Papst Innozenz III. beeilte sich jedoch, Bischof Ekbert, der eigentlich unschuldig verdächtigt worden war, von der Reichsacht zu befreien und ihm wieder zu seinen Besitzungen zu verhelfen. Er richtete deshalb an den Salzburger Erzbischof ein Schreiben mit dem Auftrage, den Herzog von Österreich unter Androhung des Interdiktes zur Rückgabe der bambergischen Güter zu zwingen. Die Bedrohung mit dem Interdikt war keineswegs gering zu schätzen. Die Durchführung dieser Maßnahme hätte es allen Priestern verboten, öffentliche Gottesdienste zu halten und die Sakramente zu spenden. Taufen, Hochzeiten, kirchliche Einsegnungen bei Begräbnissen hätten dann unterbleiben müssen. Wie sehr das Gemüt der Bevölkerung, die noch durchwegs gläubig war, bedrückt worden wäre, lässt sich denken. Glücklicherweise blieb es bei der bloßen Drohung. Auch an den Herzog richtete Innozenz III. einen Brief mit der direkten Aufforderung, die in Besitz genommenen Güter des Hochstiftes Bamberg, soweit sie in Österreich lagen, wieder herauszugeben.
Im Jahre 1214 wandte sich nun das Blatt zu Gunsten Bischof Ekberts. Kaiser Friedrich II. enthob ihn der Reichsacht und nahm ihn wieder in Gnaden auf. Ekbert konnte nun von Ungarn, wohin er geflohen war, wieder heimkehren und wusste das Vertrauen des Kaisers so sehr zu gewinnen, dass ihn dieser im Jahre 1234, nach der Ächtung des österreichischen Herzogs Friedrich II., des Streitbaren, zum Reichsverweser für Osterreich und Steiermark einsetzte.
Verluste in St. Peter in der Au
Mit der Aufhebung der Reichsacht ließen sich allerdings die früheren Besitzverhältnisse Bischof Ekberts nicht mehr vollständig wiederherstellen. Wohl konnte er treugebliebene Ritter, die in schwerer Zeit im Stillen zu ihm gehalten hatten, etwas belohnen, Geschädigte in ihr altes Recht wieder einsetzen, wie dies bei den Hagwalde der Fall gewesen sein dürfte. Aber von der Begnadigung des Bischofs im Jahre 1214 bis zu seiner Machtfülle als Reichsverweser vergingen zwanzig Jahre und was verloren war, blieb mindestens zu einem Teil verloren, wie es seit jeher bei Rückstellungsversuchen immer nur einen Teilerfolg gab. Geschichtliche Entwicklungen lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer rückgängig machen: die Gebiete um St. Peter blieben landesfürstlich und entwickelten sich im Verein mit anderen Besitzteilen zu einer eigenen Herrschaft mit eigenen Schicksalen.
Die Familie der Ritter Hagwalde musste aus dieser Erschütterung günstiger herausgegangen sein als das Hochstift Bamberg selbst. Sie hatte nach wie vor die Gunst Bambergs und erfreute sich einer guten Vermögenslage. Sie hatten gewiss gut unter dem Krummstab zu leben, der ihnen um diese Zeit sogar das ganze Gebiet der Haager Hofmark verpfändete. Erst Bischof Arnold, Graf von Salm, konnte im Jahre 1286 die bambergische Hofmark Haag aus der Pfandschaft von Theoderich Hagwalde um hundert Pfund Pfennige lösen.
Hagwalder als Vogtherr
Da eine Zeit lang das Ministerialengeschlecht, die Dienstmannen also, das Gut ihres Herrn als Pfand für verliehenes Geld in der Hand hielten, konnten sie sich leicht eine Stellung erwerben, die ihnen die tatsächliche Herrschaft über das Gebiet in die Hand spielte. Der Bischof von Bamberg war nur mehr ein Oberlehensherr, der gerne guthieß, was die Hagwalder mit Zehent und Robot der Bauern taten und wem sie Lehen verliehen; dazu kam, dass Rudolf I. im Jahre 1279 auf die Vogtei über Haag verzichtete und der Bischof von Bamberg sie nun wieder einem seiner Getreuen geben konnte. Er dürfte sie Theoderich von Hagwalde anvertraut haben, jenem Herrn Dietrich, der im Jahre 1299 urkundlich als Vogt aufscheint.
Aber die Herrschaft der Hagwalder ging rasch dem Ende zu. Bald nach dem Jahre 1320 meldet kein Buch und kein Stein mehr von ihrem Dasein in der Haager Gegend. Ein Ulrich de Hagwalde erhält im Jahre 1311 von Königin Elisabeth, der Witwe Albrechts I., sieben Arbeitsstellen beim Pfannhause zu Hallstatt für sich und seine Erben als Burglehen verliehen und dürfte zu diesem Zeitpunkte eine engere Bekanntschaft mit Friedrich dem Röhrenbacher (siehe Rohrbach!) eingegangen sein. Damit hat sich die Familie der Hagwalder offenbar einem anderen Gebiete zugewandt; wenngleich ihr Name noch ab und zu auftaucht - z. B. wird Jans der Hagwalder im Jahre 1360 für die Nähe Greins bezeugt - Bedeutung hatten sie für Haag keine mehr.
Die Jahrhundertwende um 1300 hat in unserem Landstriche nicht bloß das Aussterben und den Besitzwechsel für die großen Grafengeschlechter bedeutet - die Habsburger kommen aus Schwaben zu uns und mit ihnen die schwäbischen Herren von Wallsee -, auch auf der gesellschaftlichen Ebene der Ministerialen und Ritter gab es damals ein Aussterben alter Familien und ein Hochkommen neuer. Der vielfach rasche Wechsel bringt viel Verworrenheit und Dunkelheit in die Verhältnisse dieser Jahrzehnte. Fest steht nur, dass sich als Erbe der Hagwalder und ihres von Bamberg verliehenen weitreichenden Lehensbesitzes etwa achtzig Jahre später Burg und Herrschaft Salaberg darstellen. Zur Herrschaft Salaberg gehört bis in die Zeit Maria Theresias der Grund um Hochwall, das Hagwalder Lehen und die Hagwalder Felder, der Haager Wald selbst und die meisten Bauernhöfe der Haager Gemeinde.