RITTERSITZE AUF BISCHOFSGRUND
Die Probleme der Zeit
Schwere Gewitter ziehen über Mitteleuropa, und von ihren Verheerungen wird bald dieser, bald jener Landstrich erfasst. Der Kaiser und der Papst sind im Kampf; ihr Streit geht darum, wer von ihnen die Fürst-Bischöfe investieren, d. h. einsetzen darf. (Investiturstreit 1073 bis 1122) Bestellt sie der Kaiser, so hat er in den Bischöfen und ihrer weit ausgedehnten Macht die stärkste Stütze im Reich, denn er setzt natürlich dann nur seine allergetreuesten in die bischöflichen Ämter ein. Er glaubt sogar, ein Recht dazu zu haben. War es denn nicht so, dass weite Ländereien gerade von den Kaisern den Bischöfen geschenkt und anvertraut wurden, damit sie sicher ausgenützt und verwaltet würden? Haben wir das nicht gerade auch am Beispiele Bambergs gesehen? Andererseits konnte der Papst ein solches Vorgehen im Interesse der Kirche auf keinen Fall dulden. Ihm war wichtig, dass nur fromme und religiöse Männer Bischöfe würden, ob sie nun dem Kaiser ergeben waren oder nicht.
Um diese Frage gehen nun jahrzehntelang heiße Kämpfe. Sie sind um so schwerer, da die beiden Standpunkte schroff einander gegenüberstehen. Die clunyazenische Reform, die tiefe Frömmigkeitswelle aus dem Kloster Cluny, hatte ja viele Priester, und Mönche und noch mehr Laien erfasst. Wir sahen ihre Auswirkungen im Liede des Priesters Ezzo, das von Bamberg her im Gleinker und damit auch im Haager Gebiet bekanntgeworden war. Aber die Bischöfe, die ihren Reichtum in so umfangreichem Maße vom Kaiser hatten, Priester, die lieber verheiratet leben wollten, Grafen und Ritter, die dem Kaiser den Eid hielten, standen wieder dagegen. Und die Entscheidung, ob die kaiserliche oder die päpstliche Partei Oberhand gewinnt, lag allzu oft an einer Tausendschaft von Rittern und ihren scharfen Schwertern.
Dem Bauern in der Haager Hofmark schienen Kaiser und Papst schier übernatürliche Mächte. Den Kampf dieser beiden Spitzen der Christenheit konnte er nicht abändern und nicht entscheiden, in keiner Weise beeinflussen. Er konnte sich nur ducken und zusehen, wie das Gewitter ausging; er konnte sich nur bange fragen, ob ihn ein Blitzschlag davon treffen, ob er Schaden erleiden würde. Er arbeitete, manchmal stark geängstigt und von Gewissensfragen gequält, aber sonst unverdrossen, weiter an der Rodung seiner Mark. Er schlug Bäume und brannte Stöcke aus, zog Furchen mit dem Pflug und streute die Saat.
Die Macht der Ritter
Aber der Ritter und die Macht seines Schwertes wurden in solch stürmischen Zeiten wichtig. Und solange Ross und Schwert den Kampf entschieden, blieb die Bedeutung des Ritterstandes bestehen. Sie nahm sogar im folgenden Jahrhundert (1125-1215) noch zu, da die beiden Herzogsgeschlechter der Welfen und Staufen um die Kaiserkrone stritten, da ein Barbarossa den italienischen Städten und dem Papste gewaltig den Kampf ansagte und da schließlich die Ritterschaft ganz Europas wiederholt zum Kreuzzug ausritt.
Diese allgemeinen Zeitverhältnisse mussten sich auch auf eine Gegend auswirken, die einen Teil des europäischen Durchzugsgebietes zwischen Alpen und Donau ausmacht: Auf die bambergische Hofmark Haag.
Wege in den Ritterstand
Auch hier entstanden, im 12. Jahrhundert (1100-1200) bereits nachweisbar, ritterbürtige Geschlechter. Die Gunst des Bamberger Bischofs hatte vielleicht das eine und andere bäuerliche Geschlecht von Zehent und Robot befreit, hatte für das verliehene Land den vornehmeren Dienst mit der Waffe und zu Pferd verlangt. Wieder ein anderes Geschlecht war vielleicht bereits als ritterbürtiges (von Rittern geborenes und abstammendes) in die Hofmark aus Bayern oder Franken verpflanzt worden. Sie alle hatten dem Bischof von Bamberg den Treueid zu leisten, der sie zur Verteidigung der Hofmark gegen innere und äußere Feinde verpflichtete. Sie genossen dafür den Schutz des Bamberger Bischofs, die Huld genannt, und erhielten etwas größere Lehen als die Bauern. Die ritterlichen Lehen konnten den Grundbesitz von zwei, drei, vier Höfen umfassen; mehr Besitz scheint in der Hofmark Haag selten gewesen zu sein. Da der Ritter von der bäuerlichen Arbeit befreit war und nur militärische Dienstpflicht zu leisten hatte, ließ er die ihm verliehenen Höfe von bäuerlichen Hintersassen, auch Holden genannt, bewirtschaften und behielt deren Zehent und Robot für sich; der Bischof als der eigentliche Grundherr hatte sie ihm ja geschenkt, wie er eben auch dem Pfarrer von Haag und dem Kloster Gleink Höfe mit daraufsitzenden Holden und deren Zehente übertragen hatte.
Der Ritter war nun mehr als der Bauer; die rechtliche und gesellschaftliche Höherbewertung beruhte auf seiner Waffenfähigkeit. Aber in einem blieb er dem Bauern noch über ein Jahrhundert lang gleich: in der Unfreiheit und Abhängigkeit vom Grundherrn. Bei Heiraten und Schenkungen, bei allen Besitzveränderungen bedurften die Ritter der Erlaubnis ihres bischöflichen Herrn. Starb dieser und wurde ein neuer Bischof vom Domkapitel gewählt (Herrenfall), mussten sie neu um Belehnung mit ihrem Ritterlehen ansuchen und dafür eine Abgabe bezahlen; schied ein Ritter aus dem Leben (Mannfall), mussten seine Söhne oder Erben gleichfalls um Neubelehnung bitten.
Leben der Ritter
Der Hof, auf dem der Ritter (miles) saß, unterschied sich oft wenig vom Hof des bäuerlichen Untertanen. Mit Knechten und Mägden wirtschaftete er wie ein Bauer, nur dass er selber nicht bei der Arbeit zugriff und für sich mehr den Herrn spielte. Als „Herr" wird er aber erst sehr spät in den Urkunden bezeichnet. Ursprünglich hatten diese stolze Anrede nur Bischöfe, Herzöge, Grafen und Freie Herren; ab 1270 bürgerte sich die Bezeichnung auch für die Ritter (milites) in der Hofmark Haag ein und heute wäre schon ein Lehrbub böse, würde man ihn nicht „Herr" nennen. Nur selten war der Ritterhof eine richtige Burg nach heutiger Vorstellung. Holzzäune und bescheidene Erdwälle waren oft das Verteidigungswerk eines ritterlichen Anwesens und die meisten der ritterlichen Geschlechter Haags sind sang- und klanglos wieder zum Bauerntume abgesunken, von dem sie sich nur wenig erhoben hatten.
Rittersitze an den Grenzen der Hofmark Haag
Dies gilt vor allem für die Rittergeschlechter an den Grenzen der bambergischen Hofmark. An der Erla saß linksseitig die steirische Ritterfamilie der Tröstel am Tröstelberg, rechtsseitig wohnten einstens die Ritter de Brune dort, wo heute der Brunhof steht. Ihm gegenüber, auf der anderen Erlaseite, erinnert der Poppenhof an einen ehemaligen Rittersitz, der aber kaum bambergisch war. Um den Mündungswinkel, den weiter nordwärts der Haager Bach mit der Erla bildet, deuten vier Maierhöfe auf eine Zugehörigkeit zu Rittersitzen: Leitenmaier, Edelmaier, Plumaier und Untermaierhofen. Die Rittersitze, deren Landwirtschaft diese Maier verwalteten, sind verschwunden und vergessen. Nur einen Rittersitz erlaabwärts können wir mit Gewissheit angeben: Seggau, wo im 13. Jahrhundert die Ritter de Schecke hausten. Ihr Hof steht auf Haager Boden zum Unterschied von dem der benachbarten Ritter von Wasen. Haags Nordgrenze schirmten die Ritter „de Stirbenze" (heute Stiebitzhof) und vielleicht waren auch die Ritter „de Aich"' bambergische Untertanen. Falls sie auf dem heutigen Hof Aichet gesessen sind, trifft die Vermutung zu.
Ritter von Haag
Im Osten der bambergischen Hofmark war nicht bloß das bedeutende Geschlecht der Ritter von Meilersdorf in der Wolfsbacher Pfarre zu Hause. Knapp an der Pfarrgrenze zwischen Wolfsbach und Haag mahnt uns der Bauernhof „Maier zu Haag" an den benachbarten, nun verschollenen Sitz der Ritter de Hage. Zwischen ihm und dem abgetragenen Schloss Klingenbrunn liegt der kleine Weiler Paga. Hier gab es im 13. Jahrhundert ein unbedeutendes Rittergeschlecht, das sich nach Paga nannten und bald wieder bäuerlich geworden sein dürfte. Ein ähnliches Schicksal war offenbar den Nachkommen des Dietmarus de Schataue beschieden, der am 24. April 1223 als Zeuge in einer Urkunde Bischof Ekberts von Bamberg für das Kloster Gleink fungierte; der Weiler Unter-Schadau zwischen St. Johann und Wolfsbach ist eine laute Erinnerung an das bäuerlich gewordene Geschlecht.
Alle diese unbedeutenden Ritterfamilien wie die Bruner, Seggauer, Pagaer, Braunsberger und Schadauer tauchen in den Urkunden nur sehr spärlich und erst in späterer Zeit auf, sie gleichen Kometen, die rasch kommen und gehen. Durch längere Zeit und über ein bis zwei Jahrhunderte hinaus begleiten andere, bedeutendere Rittergeschlechter die Schicksale unserer Hofmark: die Ritter „de Hage" und die „de Hagwalde", die Klingenbrunner und die Geschlechter, die den Süden der Hofmark schützten: de Zaucha und die bambergischen Ritter von Wisenbach.