Geistigkeit Bambergs und Gleinks
Von Bambergs Besitzungen in Kärnten, vom dort benachbarten Millstatt, strahlt der neue Geist tiefster Kirchlichkeit bald nachher aus. Eines der ältesten und ehrwürdigsten Gedichte, die „Genesis", eine Erzählung von der Schöpfung der Welt, entstand unter diesem Einfluss vor 1078 in Kärnten. Aber auch in Gleink, das zu Haag in innigster Beziehung steht, weil es ja, mit Gebieten der Hofmark Haag beschenkt, im Jahre 1128 als bambergisches
Kloster entsteht, zeigt sich der clunyazensische Antrieb, der vom Liede des Ezzo und von bambergischer Geisteshaltung ausging. In breiter und gelehrter Weise führt eine Handschrift, dem Kloster Gleink aus dieser Zeit entstammend, das religiöse Thema vom Antichrist durch. In genau derselben breiten, gelehrten Art, inhaltlich ganz dem bambergischen Ezzoleich verwandt, etwas ungefüge und schwer in der Sprache, entsteht in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das jüngere Anegenge; die nähere Herkunft des Gedichtes ist unbekannt, nur Österreich als seine Heimat steht sicher. Was die Pfarrer in Haag ihren Hörern gepredigt haben, lässt sich aus diesen Schriften recht schön entnehmen; denn überall im gesamten Gebiet der bambergischen Hofmark Haag ist Art und Geist des fränkischen Hochstiftes jetzt deutlicher spürbar als in späteren Jahrhunderten.
Wie weit aber erstreckt sich denn diese Hofmark, deren Bedeutung uns immer mehr ersichtlich wurde? Ihren räumlichen Umfang können wir nur erschließen, indem wir die aus der Hofmark abgesplitterten späteren Herrschaften Salaberg, Rohrbach und Klingenbrunn zusammenfügen und all das noch hinzunehmen, von dem wir wissen, dass es der Bischof von Bamberg einmal von seiner Haager Hofmark weggeschenkt oder sonstwie verloren hat.
Umfang der bambergischen Hofmark
Aus den Scherben gleichsam müssen wir die alte Herrlichkeit zusammenstellen, anders können wir sie nicht mehr ersehen. Dabei war die Hofmark nicht wie heutige Bezirke ein abgerundetes und räumlich geschlossenes Fleckchen auf der Landkarte, sie umfasste vielmehr Bauernhöfe und dazugehörende Gründe, da und dort verstreut und in verschiedener Dichte. Einen festen Kern hatte sie freilich, vollständig umfasste sie das weit ausgedehnte Pfarrgebiet von Haag, griff aber im Westen und Nordwesten auch in die Gemeinden von St. Valentin und Ernsthofen hinein, da in Noppenberg, Burgholz, Hippersberg, Mathleiten (Gemeinde Ernsthofen) und in Lembach (Gemeinde St. Valentin) sich stets bambergische Untertanen der Herrschaften Salaberg und Rohrbach hielten. In der Gemeinde Haidershofen blieben die Orte Burg, Unterburg und Vorburg immer ein Besitz der Bamberger Herrschaft Salaberg und früher waren offenbar auch hier die ausgedehnten Güter des Klosters Gleink und des Schlosses Dorf an der Enns, soweit sie in der Gemeinde Haidershofen liegen, bambergischer Besitz. In der politischen Gemeinde Weistrach gehörten vor allem die Katastralgemeinden Holzschachen, Rohrbach und der nördlichste Teil der Katastralgemeinde Hartlmühle (das alte Zaucha) zum zusammenhängenden Besitz unserer Hofmark, die sich an dieser Stelle mit dem Murschenhofe und der Friedelmühle, späteren Gütern des Klosters Gleink, dem Markte Sankt Peter näherte. Die Sieghub, jetzt Siegmayer, Katastralgemeinde Weistrach, unterstand gleichfalls dem Bischof von Bamberg, in St. Johann in Engstetten gehörte ihm die nördliche Hälfte, namentlich mit Degendorf und Nennersdorf angeführt. In der Wolfsbacher Pfarre sind Bamberger Besitz: von der Katastralgemeinde Meillersdorf westliche und südliche Teile mit den Höfen Hof, Groß- und Klein-Hungelöd, von Bubendorf der Westen mit Straß und Adersdorf. Die Güter am Grillenberg, zu Köstling (Röstling) und Lumpenthal scheinen dem Bischofe bald entfremdet worden zu sein.
St. Peter und St. Michael bambergisch
Je weiter er vom Haager Mittelpunkt entfernt liegt, umso dünner gestreut liegt der bambergische Besitz. Außer Zweifel steht er im oberen Urltale mit den Höfen Kaiserlehen, Tanzellehen, Weinapfellehen, alle schon gegen Kürnberg zu liegend. Urlabwärts lag der Sitz der bambergischen Ritter, der Pauz von Wisenbach; sie hatten Gut Gassenek und den Haghof inne und vielleicht noch mehr von St. Peter. Der Name der Pfarrkirche St. Peter deutet ja auf die Kathedralkirche in Bamberg, ebenso wie St. Michael am Bruckbach, wo sich auch bischöflich-bambergischer Streubesitz befand. Noch in den Jahren 1420 und 1446 haben die Bamberger Bischöfe Albrecht und Anton Zehenthäuser von St. Peter und St. Michael mit dem bambergischen Ritterlehen Zaucha an die Ritter Herleinsperger mitbelehnt. Von diesen Häusern befanden sich nachstehende in St. Michael: am Pöglein (Bogmühl) in der Aue (Oberau) - benachbart liegt die Bischofsmühle -, dann das Mäzellehen (Mazlehen), der Widemberg (Wimm), die Höfe zu den Micheln (Taschenberg und Tramberg = Wirtshaus und Pfarrhof von St. Michael am Bruckbach), ferner der Hof am Hölzlein und der am Hinterholz (Vorderhölzel und Hinterhölzel).
Zum bambergischen Ritterlehen Zaucha gehörten den Lehensbüchern nach ursprünglich auch Höfe in Allhartsberg, am Sonntagberg, in Windhag; selbst Kematen scheint in einem gewissen Zusammenhang zu Bamberg zu stehen; der Name des Ortes ist typisch fränkisch, und einmal machte sich der Bamberger Bischof auch dort geltend.
Jetzt, da wir die Gesamtheit des bambergischen Besitzes überblicken und seine räumliche Erstreckung zwischen Enns und Ybbs erkennen, können wir uns nicht des Eindruckes erwehren, dass jenes Geschenk Heinrichs an den unbekannten Ritter Pilgrim doch nur einen sehr bescheidenen Teil späteren bambergischen Besitzes ausmacht. Neben dem Allod „Winnesdorf" und dem Allod „Hage", von denen in den ersten Jahrzehnten unserer Hofmark allein die Rede war, hören wir zwei und drei Jahrhunderte später von einem Ritterlehen Zaucha und von einem vierten Güterkomplex der Pauz von Wisenbach im Urltale. Dabei mutet uns der Name Pauz besonders seltsam an; er ist ursprünglich wohl slawischer Herkunft von babec oder pavec und erinnert uns sehr an das kroatische „baba" = Großmutter, das in den kroatischen Dörfern Burgenlands gang und gäbe ist und stellenweise sogar von den Deutschen verwendet wird. Aber eine Fürstin Baba war es auch, nach der die Burg Babenberg und die spätere Stadt Bamberg den Namen haben. Ergeben sich hier Zusammenhänge? Wir wissen es nicht!
Umfang der Hofmark
Ob jetzt die Pauz von Wisenbach mit bambergischen Franken erst zu uns hergekommen sind oder gleich den Zauchas noch aus der Periode slawischer Siedlungen um Haag ihren Namen tragen, ist nicht so wichtig. Gewichtiger erscheint die Frage, wie diese vielfach verstreuten Gebiete des Zaucha-Lehens und Wisenbacher-Lehens an Bamberg gelangt sind: Stück um Stück in zähem wirtschaftlichem Ringen erworben oder doch als eine einzige große Gabe und gleichzeitig mit dem „Allod Hage" vom Kaiser geschenkt? - Lauter Fragezeichen und keine Antworten, die hieb- und stichfest sein könnten. Die bischöflich-bambergische Hofmark um Haag sagt uns nicht, woher sie stammt und wie sie entstand. Als Werk Heinrichs II. steht sie vor uns da, umfangreich und bedeutend, und wir erkennen nur die Früchte der in ihrem Rahmen geleisteten Kulturarbeit.
Rodung des Ennswaldes
Diese Kulturarbeit zeigt sich in zweifacher Hinsicht an: zunächst einmal durch die Tatsache, dass in wenigen Jahrzehnten aus der Haager Mutterpfarre eine Reihe von Tochterpfarreien entstand. Diesbezüglich sei auf das nächste Kapitel verwiesen. Zweitens musste aber gleich im ersten Jahrhundert in der bestehenden Hofmark sehr viel gerodet worden sein, viele neue Häuser mussten entstanden sein, von fruchttragenden Äckern umwoben. Aus diesem Grunde konnte um 1128 eine stattliche Zahl von Höfen, teilweise am Rande des Salaberger Waldes gelegen, aus dem Verband des hochstiftlich-bambergischen Güterbereiches genommen, und zur Bestiftung des Klosters Gleink verwendet werden. Diese erste ausschlaggebende Verkleinerung der Hofmark Haag erfolgte anlässlich der Gründung des Benediktinerklosters Gleink bei Steyr im Jahre 1128 durch Otto I. von Bamberg, den heiligen Bischof. Was dem neuen Kloster in seinen ersten fünfzig Lebensjahren alles aus dem Haager Gebiet geschenkt wurde, erfahren wir in einer Bestätigungsurkunde, die Bischof Otto II. von Bamberg für das Kloster Gleink am 24. 4. 1178 hat ausstellen lassen.
Gleinker Besitz
Es war dies kein geschlosseneer Besitz, wohl aber lassen sich drei Gruppen von benachbarten Gehöften neben einigem Streubesitz erkennen; die größte lag westlich und südwestlich der heutigen Stadt Haag und umfasste je zwei Bauerngüter „im Graben" (heute Grabner) und Werckgadem (heute Werkgarn), drei Güter in Keppeldorf und sechs in Richersdorf. Zwei weitere Höfe lagen noch näher an Gleink, westlich der Erla, nämlich „Silbermuel" bei Weinzierl und „Hausleiten" ganz nahe dem Kloster Gleink.
Die zweite Gruppe von Bauerngütern bestand aus fünf Höfen in Windischdorf und zwei Höfen in Zaucha, dem Zauchhof wie dem Murschenhof. Diese kurze Notiz sagt unendlich viel: Wir treffen wieder auf Winnersdorf, das 1002 von Kaiser Heinrich II. auf Pilgrim und von ihm auf Bamberg und nun an Gleink überging.
Eine dritte Gehöftegruppe, die Gleink erhalten hatte, liegt in der Katastralgemeinde Gstetten, östlich der Westbahn: drei Höfe in Reut (heute Neureit) und zwei in Ziegelöd (urkundlich „Zugesode"). Außerdem besaß nach der vorgenannten Bestätigung von 1178 das Kloster Gleink noch zwei Höfe „an dem Maierhof", je zwei Höfe in Dehendorf (Gemeinde St. Johann in Engstetten) und in Straß wie zwei Bauerngüter in Kirchwege (vermutlich neben Weydach, in der Gemeinde Wolfsbach).
Ferner bestätigte Bischof Otto II. gleichzeitig eine Schenkung Arnhelms von Volkensdorf an das Kloster Gleink: sie betrifft drei Höfe in „Crebesbach circa heimberge" (Kroisboden, Katastralgemeinde Heimberg), die ehedem bischöflich-bambergisches Lehen waren, ebenso zwei in Dürrenperge (Dirnberg bei Goldstein), das Zaunergut bei Goldstein wie sechs Güter im Tale, die seit dem Bestehen der Pfarre Haag zu ihr gehörten. Sie heißen dem letzten Gleinker Grundbuch zufolge: Leherbauer, Ober-und Unterwieder, bis 1848 auch Winden genannt, das Dürnbergergut, das Talbauerngut, die Wehrhub und das Schamlosbauergut in Hainberg, das 1308 Schammayr genannt wurde.
Neben diesem weitgehenden und tiefen Einblick in die Verhältnisse der Hofmark bietet uns die Urkunde von 1178 noch weitere Neuigkeiten: das Gebiet wird urkundlich erstmals „Hofmark Haag" genannt und unter den Zeugen des feierlichen Aktes werden die Ritter und Ministerialen unserer Hofmark namentlich angeführt; es sind die Geschlechter von Wiesenbach, von Haag und Hagwalde vertreten.
Aus wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Gründen war nun Gleink gezwungen, die erhaltenen Güter im Pfarrsprengel von Haag zu einer Einheit zusammenzufassen. Die neugeschaffene Verwaltungseinheit führte den Namen Gleinker Amt in Haag; ihm stand ein Amtmann vor, der ein treu ergebener bäuerlicher Hintersasse des Klosters war. Der urkundliche Nachweis eines solchen Gleinker Amtes stammt aus dem Jahre 1308. 22 Unterteilungen eines Herrschaftsgebietes in einzelne, Ämter waren damals in Österreich allgemein gebräuchlich und blieben es auch, bis zur Aufhebung der Grundherrschaften im Jahre 1848.
Grenzen der Haager Hofmark
Eine genaue Abgrenzung des Herrschaftsgebietes und seine Unterteilung in Ämter war aber nicht bloß aus verwaltungstechnischen Gründen notwendig, sondern diente auch dazu, künftige Besitzstreitigkeiten mit den Nachbarn zu vermeiden. Ein solcher benachbarter Grundherr war z. B. der Markgraf von Steiermark (ab 1180 Herzog), dessen Herrschaft Steyr mit dem Amte Pfriemreit, Ramingtal wie Behamberg und Kirnberg umfassend, die bambergische Hofmark im Süden und Südwesten abgrenzte. Die hier verlaufende Grenze zwischen Bamberger Besitz und dem der steirischen Ottokare war gleichzeitig auch Landesgrenze zwischen der Mark Osterreich und der damaligen Steiermark, die dem Kärntner Herzog unterstand; sie wird deshalb auch oft Karinthscheide (Kärntner Scheide) genannt. Kürnberg, Pfnurrenreuth, die Rotten Großberg (Gemeinde Kürnberg), Rauchegg (Gemeinde Dorf Sankt Peter) und Egg (ebenda) lagen schon jenseits dieser Scheide.
Im Südwesten trifft die Haager Hofmark mit Steinbach, das schon vor 1150 als Sitz der Steinbach bestand, und Tröstelberg gleichfalls auf Ritterlehen der steirischen Markgrafen. Zwischen Erla und Enns stieß sie damals überall auf Gleinker und Garstener Grund, teilweise auch wieder auf Besitzrechte der steirischen Markgrafen, die sie aus ihrer Vogtei über Garsten ableiten. Im unteren Erlatal, wo sich damals die Rittersitze Wasen und Altenhofen erhoben, lag Boden des österreichischen Landesfürsten und das Herrschaftsgebiet des Nonnenklosters Erla, das viel Besitz der ehemaligen Herren von Machland vereinigte. Erla wurde als Benediktinerinnen-Stiftung im Jahre 1050 von Otto von Machland gegründet und hatte das Patronatsrecht über die Pfarre St. Valentin.
Der nördliche Nachbar war durchwegs regernsee mit seinen Strengberger Besitzungen. Die Grenze verlief hier vom Bauerngute Sündhub an bis zum Engelbach in die Nähe des Gehöftes Hub, das dem Erlakloster unterstand. Hier befanden sich um 1200 zur Grenzverteidigung der Haager Hofmark die Ritter von Stirbenze, deren Name uns heute nur mehr im Maier zu Stiebitzhof und im Stiebitzhofe selbst erhalten ist. Das Rittergeschlecht, das am Henning saß und sich de Henning nannte, dürfte hingegen bereits Tegernsee unterstanden haben; war ja doch der hier verlaufene Engelbach die Scheide zwischen Bambergisch und Tegernseeisch; weiter ostwärts ist Pfarrgrenze gleich Herrschaftsgrenze. Im Osten waren der Passauer Bischof und dann seit 1116 immer mehr das Kloster von Seitenstetten, im Südosten die dem österreichischen Landesfürsten dienenden „de Url" die Nachbarn.
Aber gerade die Ostgrenze der bambergischen Hofmark Haag läßt sich nicht genau angeben. Selbst im 12. Jahrhundert dürfte sie offenbar gar nicht genau festgelegt gewesen sein. Daher musste der Passauer Bischof Diepold einen Besitzstreit zwischen dem Bamberger Bischof Otto II. und dem Abt und Kloster Seitenstetten schlichten. Er entschied zu Gunsten des Klosters, das die umstrittenen Güter schon mehr als 30 Jahre unangefochten hatte; wo sie lagen, wird uns leider nicht gesagt.
Waldrodung zwischen 1002 und 1178
Wenn wir abschließend noch einmal einen Blick auf die zwei wichtigsten Urkunden unserer Hofmark im 11. und 12. Jahrhundert werfen wollen, dann tun wir es in einer ganz besonderen Absicht: Die Urkunde aus dem Jahre 1002 berichtet uns von Winesdorf und 100 Mansen Waldes. Die Gleinker Güterbestätigung aus dem Jahre 1178 weiß schon von vielen Bauernhöfen an der Waldrandzone zu erzählen, in Windischdorf allein von fünf, in Richersdorf gar von sechs Höfen. Wir sehen daraus, dass binnen 170 Jahren oder innerhalb von fünf Generationen dem Walde eine stattliche Zahl von neuen Höfen mit den dazugehörenden Feldern und Wiesen abgewonnen wurde. Hier blicken wir, wie durch einen schmalen Spalt, auf den unendlichen Fleiß und die große Plage längst vergangener Jahrhunderte. Die Gebeine derer, die sich da so geschunden haben, damit Kinder und Enkel und spätere Geschlechter das tägliche Brot müheloser essen können, sind längst im alten, nun aufgelassenen Friedhof um Haags Kirche verfault und kein Lied meldet den Ruhm dieser unbekannten Helden des bäuerlichen Alltags.