Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

Erstmals sprachen Ennswaldzungen den trauten Namen Osterreich; und als er vierzig Jahr erklungen, tönt er noch immer schön und weich. Aus Volkes Mund ist er entsprungen, kein Schreiber fand ein bess`res Wort; wie Enns und Ybbs ihn einst gesungen, klingt dieser Name ruhmreich fort.

995: Entstehung der Mark Osterreich
996: Erste urkundliche Nennung mit diesem Namen in Neuhofen/Ybbs

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DIE HERREN IM ENNSWALD

b) Haag als westlichster Teil der Ottonenmark

Die neue Mark

Zum Unterschied von der karolingischen Mark im Osten, die weiträumig, kein geschlossenes Gebiet war und besonders nach Osten weit über die Volksgrenzen hinausreichte, war die ottonische Mark räumlich kleiner, dafür aber begrenzter und geschützter. Sie musste mehr auf Verteidigung eingerichtet werden, da nun angriffslustige Feinde, die Böhmen im Norden und die Ungarn im Osten, saßen. Nach der Darlegung des niederösterreichischen Landesarchivdirektors Hofrat Dr. Karl Lechner verliefen die Grenzen dieser neuerrichteten ottonischen Mark folgendermaßen:

Die Westgrenze bildete ursprünglich wohl die Erla, wenn auch mehrmals in Urkunden des 10. Jahrhunderts die Enns als Grenzfluß bezeichnet wird. Wir können uns diesen scheinbaren Widerspruch aber sehr leicht erklären, wenn wir den Landstreifen zwischen Erla und Enns mit offenen Augen durchwandern, die Ortsnamen und Besiedlungsformen reden lassen.

Der Grenzschutzstreifen zwischen Enns und Erla

Der ganze sechs bis acht Kilometer breite Landstreifen zwischen Enns und Erla, der sich von der Donau südwärts bis zu den Ausläufern der Alpen bei Behamberg hinzieht, bildete wohl überhaupt eine Art Grenzschutzgürtel für Bayern, wie er für die Zeit von 907 bis 955 gegen die Magyaren gewiss notwendig war. Es wäre äußerst unklug gewesen, den Feind erst abzuwehren, wenn er schon über die Enns gekommen war. Neben den beiden Burgen, der Ennsburg und der Styraburg, am Westufer des Flusses, schien es geboten, auch im Vorfelde der bayrischen Grenze, also östlich der Enns, Wehranlagen und Fluchtburgen zu errichten, zumal ja dort der gleiche Volksschlag hauste und gleiches Blut pulste. Die Namen Pyburg, Herzograder Wald, Altenrath, Burg an der Loderleiten wie auch Unterburg sprechen dafür. Besonders der Name Herzoggrad dürfte sehr alt sein und noch aus einer Zeit stammen, in der dort windische Bevölkerung saß; liegt doch auch Unterwinden in der Nähe. Das slawische Wort Grad entspricht dem deutschen „Burg", und mit dem Herzog konnte nur der von Bayern verstanden sein, den es ja seit dem Ende des Karolingerreiches wieder gab. Auffallen kann es uns auch heute noch, dass gerade in diesem Gebiet die Dorfsiedlung mit Gewannflur - natürlich nicht mehr ganz eindeutig, aber doch sehr stark sichtbar - vorherrscht, während westlich der Enns in Oberösterreich, wie auch östlich der Erla in Haag der Einzelhof neben Weilern mit der Blockflur die gebräuchlichste Siedlungsform blieb. Bei der Blockflur steht der Bauernhof in der Mitte des zu ihm gehörigen Blockes von Äckern, Wiesen und Wäldern. Bei der Gewannflur sind die Höfe der Bauern in Dörfern aneinandergeschmiegt, die ihnen gehörenden Felder und Auen liegen streifenmäßig verteilt um den ganzen Ort herum. Die Bauern haben zwar weit zu ihren Arbeitsstätten, aber sie sind durch das Aneinanderrücken geschützt und können ihre Behausungen wie eine einzige befestigte Burg verteidigen. Wenn wir nun gerade diese Siedelform zwischen Enns und Erla, mitten in einem Gebiet des Einzelhofes antreffen, so bezeugt diese Tatsache eindeutig einen Grenzschutzstreifen für die Zeit der Magyarenherrschaft. Nach dem Sieg über die Ungarn im Jahre 955 konnte die neuerrichtete Mark selbstverständlich nur östlich dieses Gürtels, das heißt östlich der Erla beginnen, wobei es immer fraglich blieb, ob der ganze Grenzschutzstreifen noch zu Bayern zu rechnen sei oder ob man nicht doch die Mark an einer so eindeutigen landschaftlichen Grenze, wie es die Enns ist, beginnen lassen sollte. Wir wissen, dass sehr bald die Enns als Grenze den Sieg über den viel kleineren Erlabach davontrug. Bereits im Laufe des 11. Jahrhunderts war das Bewusstsein von einem Grenzschutzstreifen geschwunden und an Stelle der unbedeutenden Erla trat die mächtigere Enns als Westgrenze der ottonischen Mark hervor. Ähnlich verhielt es sich auch mit der Nordgrenze der Mark Ostarichi, wie sie zwischen 955 und 996 im Volksmunde hieß. Auch hier lag an Stelle einer Grenzlinie nördlich der Donau ein breiter Grenzstreifen deutsch besiedelten Landes, der sich vom 11. bis zum 13. Jahrhundert immer mehr nach Norden ausweitete. Die ursprüngliche Südgrenze Ostarichis ist ungefähr durch die Höhen des Wachtberges, Behamberges, Daxberges und Plattenberges wie St. Michaels bestimmt, wie dies spätere steirisch-landesfürstliche Urbare rückschließen lassen.

Grenze der Ottonischen Mark

Selbstverständlich wurde auch sie sehr bald dynamisch immer weiter nach Süden verlegt, und zwar in jenem Ausmaße, in dem zur beginnenden Babenbergerzeit auch das Gebirge kolonisiert wurde. Die Südgrenze der ottonischen Mark verlief am Beginne dieser Zeit nach Lechner dann weiterhin vom Sonntagberg nach Osten über die ersten höheren Voralpenberge bis zum Kohlreitberg, während die erste Ostgrenze längs der Großen und Kleinen Tulln und auf den östlichen Ausläufern des Wienerwaldes verlief.

Haag ist damit als westlichster Punkt der ottonischen Mark klar herausgestellt, das heißt aber in diesem Falle noch mehr als eben die Bezeichnung einer geographischen Lage.

Haags Lage

Die Wiedererrichtung der Mark im Osten erfolgte ja von Westen aus; wer als Neusiedler von dorther kam, musste sich die Mark von ihrem westlichsten Punkte aus erobern, für den war Haag die erste Station. Da erst die ottonische Mark, sie aber wohl von ihrem Anfange an, österreichisches Land geheißen hat, ist der Haager Boden wohl der älteste dieser Landschaft, der erste, der den trauten Klang des Namens Österreich trug.

Der österreichische Markgraf unterstand in militärischer und politischer Hinsicht von Anfang an dem bayrischen Herzoge. dass er nicht verwandt und verschwägert war mit den in der Mark güterbesitzenden adeligen Geschlechtern, schien dem deutschen Könige erwünscht; ebenso legten sie Wert darauf, dass die Markgrafen keinen allzu großen Besitz in der Markgrafschaft selbst hatten, damit sie ihr Amt unbeeinflußt von familiären und wirtschaftlichen Rücksichten ausüben könnten.

Stellung des Markgrafen

Aus diesem Grunde bestellte Kaiser Otto II. im Jahre 976 Leopold I. aus dem mainfränkischen Geschlechte der Babenberger zum Markgrafen in Österreich. Bis zum Aussterben seines Mannesstammes verblieb nun das babenbergische Geschlecht im Lande und stellte uns zunächst 180 Jahre lang die Markgrafen, dann aber durch 90 Jahre (von 1156-1246) die Herzöge von Österreich. Ihr Hauptsitz rückte von Pöchlarn über Melk, Tulln, Leopoldsberg schließlich nach Wien im Zusammenhang mit der ständigen Erweiterung des Landes nach Osten und Norden.

Natürlich versuchten sie von Anfang an neben ihrer hohen Amtsstellung auch zu Besitz und damit zu wirtschaftlicher Bedeutung zu kommen. So erhielten sie auf Grund einer königlichen Schenkung vorn Jahre 1034 Besitz im Urital.

Bayrischer Neukolonisten

Auch die bayrischen Bistümer (Hochstifte) und Klöster bemühten sich um eine Ausweitung ihrer Grundherrschaften, um Neuschenkungen und Gelegenheiten zu neuen Rodungen. Mit ihnen setzte ein Zug bayrischer Neukolonisten nach Österreich ein, neue von Oberösterreich stammende Familien tauchen nun auch im Gebiete zwischen Enns und Ybbs auf, wie die Herren von Stille und Heft, das Gründergeschlecht von Seitenstetten. Außerdem waren in diesem Landstriche zwischen Enns und Erlauf die Grafen von Peilstein, die von Formbach, die Grafen von Sempt-Ebersberg und die Herren von Machland reich begütert. Als die Sempt-Ebersberger im Jahre 1045 ausstarben, konnte Heinrich III. das damals ins Leben gerufene Kollegiatsstift Ardagger mit ihrem Güterbesitz reich beschenken und ausstatten und es dem Hochstifte Freising übergeben (1049). Sein Vorgänger, Kaiser Heinrich II., hatte schon früher, im Jahre 1011, das bayrische Benediktinerkloster Tegernsee mit Gütern in Strengberg beschenkt, aus denen sich in den kommenden Jahrhunderten die Herrschaft Achleiten entwickelte. Ein Otto von Machland wiederum bestiftete das Frauenkloster Erla bei St. Valentin in großmütiger Weise (1050).

Neues Leben entfaltet sich überall um Haag, aber auch ihm selbst sollte eine gewaltige Veränderung beschieden sein. Etwa fünfzig Jahre nach der Lechfeldschlacht vollzog sich die wirtschaftliche und besitzgeschichtliche Umwandlung unseres Raumes. Zwei Generationen benötigte es zum Aufbau einer neuen Welt des bäuerlichen Lebens: das Ergebnis ist die bischöflich bambergische Hofmark mit ihrem Mittelpunkt, dem heutigen Haag.