DIE SIEDLER IM BANNKREISE LORCHS
c) Völkerwanderung
Haag blieb aber auch in den neuen und unruhigen Zeiten der germanischen Wanderungen im Banne Lorchs. „Heiß umfehdet, wild umstritten" ist nun die alte Römerstadt Lorch; wer sie aber besitzt und besiedelt, dem gehört auch das Haager Gebiet; zerrissen wird der Gau nie, auch nicht abgetrennt von seinem Vorort jenseits der Enns. Zunächst gelang es dem Germanenstamme der Rugier in den Jahren zwischen 453 und 488 n. Chr. aus der Gegend nördlich der Donau her immer mehr und mehr Besitz zu nehmen vom Lande zwischen Traisen und Ennsfluß und sich sogar der Stadt Lorch zu bemächtigen!
Lorcher Gau wird Rugierland
Der heilige Severin wanderte predigend von Mautern nach Lorch und war Römern wie Rugiern sowie der kelto-romanischen Bevölkerung geistlicher Tröster. Als die Römer unser norisches Uferland schließlich ganz aufgeben mussten (488-493), nahmen sie die Leiche des verstorbenen Severin nach Italien mit; für den Lorcher Gau aber bürgerte sich nun der Name Rugierland ein; wie weit dieses Rugierland nach Ost und West reichte, ist unsicher. Die Rugier waren Arianer, Bekenner der Irrlehre des Priesters Arius.
Inzwischen war der Fürstensohn und Heerführer Odoaker, der dem germanischen Stamme der Skiren angehörte, nach Rom gezogen. Seine Begegnung mit dem heiligen Severin und dessen Prophezeiung ist ja bekannt. Odoaker hatte mit seiner Gefolgschaft einige Jahre in der kaiserlichen Leibwache gedient und wurde im Jahre 476 von seinen Mannen zum König von Italien ausgerufen.
Odoaker und die Rugier
Der oströmische Kaiser war anfangs mit diesem Vorgehen einverstanden (der weströmische Kaiser wurde von Odoaker abgesetzt); später aber versuchte der Oströmer die Rugier zu einem Einfall gegen Odoaker in Italien zu bewegen. Dieser aber kam dem Plane zuvor und besiegte die Rugier Ende 487 in ihrem eigenen Land. Ein Großteil der Gefangenen, darunter das rugische Königspaar, wurde in Italien hingerichtet. Dem rugischen Königssohn Friedrich hingegen gelang die Flucht in die Heimat, wo er die Herrschaft für kurze Zeit behaupten konnte. Gegen ihn entsandte nun im Jahre 488 Odoaker seinen jüngeren Bruder Hunwulf ins Rugierland. Dieser besiegte Friedrich und veranlasste über Befehl Odoakers den Abzug aller jener Römer, die noch in den Städten Ufernorikums verblieben waren, nach Italien. Den Marsch nach Italien leitete der Römer Pierius, ein hochangesehener Unterfeldherr Odoakers, den dieser auszeichnenderweise in der ältesten uns bekannten Urkunde eines germanischen Königs (vom 18. 3. 489) seinen Bruder nennt.
Abzug der Römer
Während also Pierius die Römer unserer Gegend und den Leichnam des heiligen Severin nach Italien führte, zog im Frühsommer 489 Hunwulf sein gesamtes Volk, bestehend aus Skiren, Sueven (Schwaben), Herulern, Osen, Sadagen - wahrscheinlich Scharen aus verschiedensten germanischen Stämmen - aus ihrem Gebiet im pannonischen Raum um den Plattensee in den südlich der Donau gelegenen Teil des Rugierlandes, also in den Lorcher und Ybbser Gau. Für die Gesamtheit dieser einwandernden Stämme und Völkersplitter vorzüglich ostgermanischen Ursprungs, vermischt mit hunnischen Resten, bürgerte sich bald der Name des mächtigsten aus dem Osten donauaufwärts gezogenen Stammes ein: der Name Bayern.
Die Bayern
Mit diesem Namen wurde nach der wohlbegründeten Ansicht Zibermayers, eines Sohnes der Ennser Heimat, ein germanischer Stamm bezeichnet, der ursprünglich an einer Schwarzmeerbucht sesshaft war (daher Baier = Buchtbewohner), dann die Donau entlang bis zu den Kleinen Karpathen gezogen war und schließlich sich zwischen Traun und Erlauf südlich der Donau niedergelassen hatte. Während wir den Zug Hunwulfs vom Plattensee nach Enns ziemlich genau für das Jahr 489 und 490 angeben können, kann der Zug der Bayern, der in seiner Endphase aus dem Gebiet zwischen den Kleinen Karpathen und dem Plattensee erfolgte, nur ungefähr für die Jahrhundertwende um 500 angesetzt werden. Jedenfalls schwindet der Name Rugierland für unseren Lorcher Gau in dieser Zeit, die Landschaft erscheint von Bayern besiedelt, die sich als ihre erste Hauptstadt im neuen Stammesgebiet die Stadt Lorch wählten.
Lorch im bayrischen Kerngebiet
Damit war für den bayrischen Stamm die Wanderzeit abgeschlossene, wenn sich auch ihr Siedlungsraum später noch weiter vergrößerte, nach Westen bis zum Lech, nach Osten über die Herlungerburg bei Pöchlarn hinaus bis zum Wienerwald und zur Leitha, nach Süden bis ins Pustertal und zur Salurner Klause und nach Norden über die Donau ins alte Rugierland greifend, bis zum Böhmerwald. Die Landschaft zwischen Enns und Erlauf aber, also die Haager Gegend, insbesondere mit dem Vororte Lorch, gehörte von Anfang an zum Kerngebiet des bayrischen Volksstammes und ging auch dem bayrischen Stamme trotz aller Schicksalsschläge niemals mehr gänzlich als Siedelraum verloren. Dies kann mit großer Sicherheit behauptet werden, obwohl bisher keine Funde aus bayrischer Frühzeit hier vorliegen Illyrer, Kelten, Römer, Rugier und Hunwuifs Scharen waren die Vorläufer der bayrischen Siedler um Haag. Die Illyrer wurden vom Stoß der Kelten in die Hochgebirgstäler und nach Süden abgedrängt, die Römer zogen zum größten Teile aus dem Ennser Gebiet wieder ab; Kelten, Rugier, Teile der Skiren und Heruler wurden hingegen von den Bayern gänzlich überdeckt, entweder verdrängt oder aufgesaugt in Blutsvermischung oder vielleicht sogar in den Stammesverband aufgenommen.
Östliche Kultureinflüsse
Alles, was nach den Römern an germanischen Stämmen sich den Ennser Gau zur Wohnstatt erkoren hat, kam aber aus dem Osten, die Donau herauf und brachte so manches Kulturgut aus dem östlichen, griechischen Kreis des Römerreiches mit. Unsere Mundart hat einige Erinnerungen an diese Tatsache bewahrt. Nach dem griechischen Kriegsgott Ares nennt unser Landvolk auch heute noch den Dienstag seinen „Eartag", während alle übrigen germanischen Stämme diesen Wochentag nach dem germanischen Kriegsgott Thiu benennen (Ziustag, Dienstag, englisch: Tuesday). Ebenso kennen die Altbayern keinen Donnerstag - der Name kommt vom Gotte Donnar sondern nur einen „Pfingsda", was wiederum vom griechischen Worte für „fünf" sich ableiten lässt und eine bloße Zahlenbenennung für den fünften Tag der Woche bedeutet.
Unsere bayrische Mundart
Auffallend erscheint es gleichfalls, dass die Bayern in ihrem gesamten Sagengute, das ja in der Völkerwanderungszeit sich bildete, sich eng an den ostgotischen Sagenkreis anschlossen und nicht etwa wie die westgermanischen Stämme Siegfried, sondern den Ostgotenkönig Theoderich, auch Dietrich von Bern genannt, zu ihrem Haupt- und Stammeshelden machten. Dies kann uns wiederum ein Hinweis sein, dass die Bayern seit jeher den Ostgoten benachbart waren und sich zu ihrem Kulturkreise gehörig fühlten. Kamen doch schließlich auch die Ostgoten aus Gegenden des Römerreiches und dem Römerreich benachbarten Landstrichen, die durchaus unter dem Einfluss der griechischen Sprache und Schrift standen. Schließlich gibt uns noch eine dritte Tatsache zu denken. Sowohl die Griechen wie auch die Goten und die Bayern benützen neben der Einzahl und der Mehrzahl die Zwiezahl, den Dual, für die Anrede, die sich auf zwei Personen bezieht. Diese Zweizahl hieß bei den Goten „ugkis", „ugk" und „igkis" (gesprochen unkwis, unk und inkwis), sie lautet heute noch in unserer Mundart „enk" und „ös" (gotisch iswis gesprochen). Auch hier können wir beobachten, dass uns von keiner anderen deutschen Mundart mehr diese Zweizahlformen, auch nicht aus alter Zeit, überliefert sind und Goten und Bayern der Sprache nach enger verwandt sind als Bayern und Schwaben-Alemannen etwa. Es erhebt sich überhaupt die Frage, ob die Bayern nicht, gleich den Goten, dem ostgermanischen Zweige angehören. Vieles, was an Separatismus der Bayern, an Abneigung gegenüber anderen deutschen Stämmen und an politischen Selbständigkeitsbestrebungen die Geschichte zu erzählen weiß, ließe sich so psychologisch leichter erklären.
Die Bayern Ostgermanen?
Die Einwanderung der Bayern bedeutete zunächst den Zusammenbruch der kirchlichen Organisation im österreichischen Donauraum. Sie bekannten sich weder zum arianischen noch zum katholischen Christentum. Wenn auch die Bayern ein mächtiger germanischer Stamm waren, wurden sie von Anfang an von den Awaren und Slawen, die ihnen vom Osten her nachdrängten, hart bedroht und mussten sich um Hilfe bei den westlichen Nachbarn umsehen. Dies waren die Alemannen und Schwaben, die jedoch bereits von den Franken beherrscht wurden. Der Frankenkönig Chlodovech hatte um 500 n. Chr., als die Bayern bei uns sesshaft wurden, ein mächtiges Reich errichtet, dessen Herrschaftsgebiet fast über ganz Frankreich ging. Die Söhne Chlodovechs breiteten dieses Reich auch noch über das Maintal, über die Sitze der Thüringer und Schwaben aus.
Fränkische Oberhoheit
Selbst die Bayern mussten die fränkische Oberhoheit anerkennen und damit auch das Christentum, das sie zur Zeit ihrer Einwanderung noch nicht besaßen, annehmen. Der heilige Eustachius, ein Mönch aus Irland, kam aus dem burgundischen Kloster Luxeuil, im heutigen östlichen Frankreich gelegen, um die Bayern zu bekehren. Da Lorch in der Römerzeit ein Bischofssitz war und nun als Hauptstadt der eingewanderten Bayern galt, kann mit Sicherheit angenommen werden, dass Eustachius auch Lorch als einen Stützpunkt für sein Bekehrungswerk ausersah. Allerdings war dieser erste Versuch, vom abendländischen, dem römisch-lateinischen Kulturkreis her, die Bayern zu missionieren, nicht ganz erfolgreich. Das Christentum fasste zunächst noch nicht festen Fuß, die Bayern verehrten bald wieder ihre alten Stammesgötter, nachdem es ihnen gelungen war, das lose Abhängigkeitsverhältnis von den Franken zu lösen. Sie taten dies nicht ungestraft.
Die Slawen
Bald waren sie wieder dem Drucke der Awaren und Slawen ausgesetzt. Schon um 625 n. Chr. gelang dem Kaufmanne Samo die Vereinigung der slawischen Stämme zwischen dem Böhmerwald und der Save. Er gründete ein südslawisches Großreich, dessen Bestand er gegen Franken und Awaren zu schützen wusste, und gliederte ihm auch die Gegend um Haag an, zumindest wurde sie damals von slawischen Siedlern durchsetzt, wenngleich die Bayern nicht aus der Landschaft wichen. Samos' Reich zerfiel jedoch bald nach seinem Tode im Jahre 668, die Bayern erstreckten ihre Herrschaft wieder über das Gebiet östlich der Enns. Aber die Kraft der östlichen Völker war nicht gebrochen. Um 700 überschritten die Awaren und die von ihnen unabhängig gemachten Slawen den Wienerwald, zogen westwärts und verwüsteten Lorch, wohl ein schwerer Schlag in der Geschichte des bayrischen Volkes. Der bayrische Herzog musste das Feld räumen und bis zur Traun die Slawen eindringen lassen, seinen Hauptsitz verlegte er von Lorch in das gesicherte Regensburg, gleichfalls eine ehemalige Römerstadt (Castra regina). Das von den Awaren verwüstete Land Ufernorikum stand nun umso mehr schutzlos und offen dem Eindringen der Slawen da. Sie schoben vor allem von Süden her ihren Siedelraum über die Ausläufer der Alpen, längs des Ybbsflusses und der Enns ins fruchtbare Alpenvorland und breiteten sich sogar über die Donau ins Waldviertel aus. Diese Slawen wurden zum Unterschied von den Tschechen im böhmischen Becken von der Wissenschaft als Alpenslawen bezeichnet und wurden von den Bayern „Winden" oder „Windische" genannt.
Awaren
Die Awaren, das eigentliche Herrenvolk, haben nun in der Haager Gegend kaum gesiedelt; sie unternahmen nur Streifzüge von der ungarischen Ebene und vom Wienerwald her bis zur Enns und darüber hinaus. Die Alpenslawen hingegen ließen sich hier dauernd nieder, wenn auch ihre Siedeltätigkeit ihrer geringen Zahl wegen nur von minderer Bedeutung war. Sie saßen neben den Bayern und von ihnen völklich abgesondert. Wir können in der damaligen Zeit überhaupt nur von einer spärlichen Besiedlung unseres Gebietes sprechen. Es wäre denkbar, dass der Haager Wald, damals noch bedeutend umfangreicher als heute, eine natürliche Scheide zwischen den in Weistrach gehäuften Ansitzen der Windischen und der um Haag seßhaften bayrischen Bevölkerung darstellte. Dafür spricht einiges: Im Haager Gebiet finden wir nur südlich und südöstlich des Haager Waldes slawische Fluss- und Ortsbezeichnungen. Es sind dies der Name des Zauchabaches (slaw. suda = die Trockene), von dem der Zauchasteg und der Zauchahof herrühren, weiters die Hofnamen Wienersdorf (ursprünglich = Windischendorf) und Göblitz. In der größeren Umgebung von Haag dürften Alpenslawen in Weistrach (slaw. Ortsname und Sitz eines slaw. Zupans, Häuptlings), in Dobrach an der Url und am Ramingbach gesessen sein. Denn Ramingbach (urkundlich noch rubinich = slaw. Fischbach geheißen), Frusnich und Sabinich haben slawische Namen; es sind dies alles Wässer, die in die Enns münden.
Slawische Siedlungen um Haag
Gegen die Enns zu, diesmal nordwestlich von Haag, finden wir auch den Ortsnamen Unterwinden, der uns ursprüngliche slawische Besiedlung anzeigt. Ja, bis ins 12. Jahrhundert scheinen sich Alpenslawen als völkische Sondergruppe in den Tälern und Seitentälern der Enns und Ybbs gehalten zu haben. So bestätigte der steirische Markgraf Ottokar zum Beispiel im Jahre 1110 Schenkungen an das Benediktinerkloster Garsten und nennt in der Schenkungsurkunde einen gewissen Otwin, der auf zwei von Slawen bewohnten Höfen bei Hausmenning an der Ybbs sitzt. Ebenso wird ein Lehen eines Wojwoden (slawischen Fürsten) im Ennstal erwähnt. Allmählich aber gingen die Slawen in der bayrischen Bevölkerung auf. Vom Anfang an der Zahl, dem Besitz und der Kultur nach weniger gewichtig, mussten sie sich wohl der deutschen Sprache im Verkehr mit den Nachbarn bequemen, glichen sich immer mehr an und vermischten sich bald blutsmäßig mit den Bayern. Der Haager Heimatdichter Josef Wagner hat in einer geradezu großartigen Schau in seiner Ennswaldeiche die zur Ehe führende Liebe eines bayrischen Bauernburschen zum dunkellockigen Windenmädchen und den Sieg über den väterlichen Widerstand geschildert. So ähnlich wird es in den späteren Jahrhunderten wohl gewesen sein; die slawische Sprache schwand dadurch ganz aus dem Mostviertel.
Vermutliche Gründung Haags
Zunächst aber standen sich beide Völkerschaften immerhin mit einem gewissen Misstrauen gegenüber. Die Siedlungen wurden voneinander abgegrenzt und abgeschlossene, befestigt und „umhegt". Solcher Hage und Hecken gab es viele, teils als Schutzorte der Winden (Windhag zum Beispiel), teils als feste Sitze der Bayern. Mit Vorliebe wurden sie auf Anhöhen, Hügeln oder auch richtigen Bergen gebaut. Ist nun unser Haag ein solcher Schutzort?
Ganz gewiss! Freilich wissen wir nicht, wann es entstand, ob zwischen 550 und 700 n. Chr., als zum ersten Male die Siedlungen umhegt werden mussten, oder in der späten Karolinergerzeit um 900, als dies wiederum rätlich schien. Später auf keinen Fall mehr, da wir dann den Namen schon urkundlich genannt finden. Die logische Überlegung sagt uns auch, dass diese Umzäunung auf dem Haager Berg, dessen Wehrkirche bis ins Spätmittelalter hinein militärische Bedeutung hatte, ein bayrischer, deutscher Schutzort gewesen und als solcher entstanden ist. Liegen doch im Südosten und Nordwesten nachgewiesenermaßen slawische Siedlungen. Gegen diese galt es sich zu schützen, anders hätte ein „Haag" wenig Sinn. So spiegelt sich schon im Namen unserer Stadt ein Stück Besiedlungsgeschichte, ein Stück jener österreichischen Geschichte überhaupt, deren Sinn die Lage zwischen den Völkern bestimmt.
Friedliches Nebeneinander von Slawen und Bayern
Zwischen den Völkern kann es aber auf die Dauer nicht immer Misstrauen und gegenseitiges Abschirmen geben. Der Alltag, sein Broterwerb, Tausch und Handel zwingen zum friedlichen Nebeneinander. Das bestand zwischen Windischen und Bayrischen bald, schon im 8. Jahrhundert, und erklärt sich aus der gemeinsamen Bedrohung durch die Awaren, die an der Traisen, an der Kampmündung und östlich davon saßen. Herzog Tassilo III. von Bayern war bestrebt, gute Beziehungen mit den Windischen zu pflegen. Er wollte ungestört sein Hauptaugenmerk auf den Unabhängigkeitskampf seines bayrischen Volkes gegen das mächtige Frankenreich richten. Nebenbei konnte er durch die Stiftung des Benediktinerklosters Kremsmünster im Jahre 777 n. Chr. hoffen, von diesem Kloster aus die Slawen ostwärts der Enns zu missionieren, christlich zu machen und - was damals Hand in Hand ging - zu germanisieren und durch Zuzüge vom heutigen Oberösterreich das Land eindringlicher zu besiedeln. So war den Bayern aus vielerlei Gründen eine gute Nachbarschaft mit den Slawen geboten. Daß sie bald nach 770 bestand, wissen wir durch Nachrichten.
Bekehrung der Bayern zum Christentum
Die Jahre um 700 n. Chr. bringen auch in religiöser Hinsicht eine entscheidende Wende. Das Christentum der römischen Kirche wurde ganz offiziell von den bayrischen Herzögen angenommen. Wenn auch vom Süden her, von Sirmium und Aquileja, frühzeitige Pfarrgründungen da und dort im Österreichischen vorgenommen wurden, so brachten die von Westen kommenden Glaubensboten, der heilige Rupert, der heilige Emmeran und der heilige Korbinian zum zweiten Male die christliche Frohbotschaft nach Salzburg, Regensburg und Freising und bekehrten knapp vor dem Jahre 700 die herzogliche Familie. Ob die Behauptung, dass der Awarensturm von 700 auch die Verlegung des Bischofsitzes von Lorch nach Passau bewirkt habe, wirklich in dieser Form zutrifft, bleibe hier dahingestellt, wenngleich später Passauer Bischöfe sich als Nachfolger der Lorcher Bischöfe fühlten. Eine feste kirchliche Organisation für die Bayern schuf erst Bonifatius, der Apostel der Deutschen, durch die Einrichtung von vier bayrischen Bistümern: Passau, Salzburg, Regensburg und Freising. Ein Menschenalter nachher schon erweisen sich die bayrischen Herzöge als große Förderer der Slawenmission.
In der Landschaft zwischen Enns und Ybbs wurden solche friedliche Absichten durch den großen Awarenvorstoß im Jahre 783 allerdings gestört, wenngleich die Awaren den Siedlungen anscheinend keinen größeren Schaden zufügten. Es waren doch mehr Raub- und Streifzüge. Schließlich unterlag Tassilo im Jahre 788 dem Frankenkönig Karl dem Großen, der das ganze Stammesgebiet der Bayern seinem Reiche einverleibte und seinerseits nun mit den Bayern und Franken zielbewusst den Kampf gegen die Awaren aufnahm. Noch im selben Jahre besiegte sein Heer die Awaren auf dem Ybbsfelde (788). Zur Sicherung der Ostgrenze seines großen fränkischen Reiches schuf er die Mark im Osten, die sogenannte awarische Mark, ein Gebiet, das südlich der Donau von der Enns bis zur Raab reichte.
Karl der Große
Im Jahre 791 brach Karl der Große selbst auf, sammelte ein Heer an der Enns, rückte südlich der Donau längs der Stromrichtung vor, zerstörte die awarischen Festungen im Wienerwaldgebiete und am Kamp und gelangte dann ungehindert bis in die ungarische Tiefebene, dem Zentrum awarischer Kraft. Er bestellte für das neugewonnene Gebiet einen Markgrafen, der als sein Beamter für die militärische Sicherheit der ihm anvertrauten Mark zu sorgen hatte. Aber auch er hielt sich bei der politischen Organisation dieses Markgebietes an die vorgefundene Situation. Gehörte doch das Gebiet um Haag, zwar östlich der Enns gelegen, doch seit der Römerzeit zur westlich der Enns gelegenen Stadt Lorch. So blieb es weiterhin: der Lorcher Gau, fester als die übrigen Gaue der Mark mit dem bayrischen Herzogtume verbunden, umfasste nach wie vor den ganzen Ennswald, in dessen Mitte Haag liegt. Die Einzelgaue wurden unter der Oberaufsicht des Markgrafen von Gaugrafen verwaltet. Ihre Abgrenzung erfolgte vielfach nach den alten Grenzen der römischen Civitates. Die Siedler im Bannkreis der Stadt Lorch aber wechselten seit den Zeiten des großen Karl, des ersten Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, nicht mehr ihre Siedelstätten.
Der Ennswald dauernd von Bayern besiedelt
Neue Völkerschaften und Stämme kommen weder zu den sesshaften hinzu, noch schwinden diese. Wohl hat das Land noch einen großen Sturm zu bestehen, wohl ändern sich beständig die Besitzverhältnisse, der Volksschlag bleibt nun über ein Jahrtausend hinaus der gleiche. Als die beständigen Siedler im Ennswalde haben sich die bayrischen Bauern behauptet.
Zeit | Völker | Vorbereitung des Christentums | Stattliche Geschichte |
---|---|---|---|
bis 300 | Römer und Kelten | Vereinzelnte Christen | Norikum! Lorch entsteht und wächst allmählich |
bis 400 | Romanisierung | Durchdringende Christianisierung. | Ufernorikum civitas Laureaca |
bis 500 | Römer, Keltoromanen | Organisation der Kirche vollendet Severin als Führergestalt | Lorcher Gau wird Rugierland |
bis 600 | Hunwulfs Scharen Bayern | Arianische Rugier | Lorch: Hauptstadt der Bayern |
bis 700 | Eindringende Slawen ab 625 | Eustachius missioniert; Rückfall ins Heidentum und Bekehrung | teilweise Abhängigkeit |
bis 800 | Friedliches Nebeneinander der Slaven und Bayern | Bayrische Mission der Slawen | Zerstörung Lorchs durch Awaren. Regensburg Hauptstadt. |