Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

DIE SIEDLER IM BANNKREISE LORCHS

a) Urgeschichte

Die Landschaft um Haag war zweifellos schon einige Jahrtausende vor Christi Geburt nicht ganz menschenleer. Funde aus der jüngeren Steinzeit (rund 3000 bis 2000 v. Chr.) wurden im westlichen niederösterreichischen Alpenvorlande, darunter in den Gerichtsbezirken St. Peter i. d. Au und Haag, zu Tage gefördert. Als bisher ältesten Fund unserer Gegend kennen wir eine große durchlochte Steinaxt, die in Strengberg gefunden wurde und aus dem dritten Jahrtausend vor Christus stammt, Zu diesem Fund gehören auch Tonwaren, bandförmig bemalte Gefäße. Die Menschen, die diese Gebrauchsgegenstände vor ungefähr 5000 Jahren herstellten, gehörten der sogenannten donauländischen Kultur an, die von einer vorindogermanischen und durchwegs bäuerlichen Bevölkerung herrührte. Sie bauten schon Weizen, Gerste und Hirse und züchteten Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen.

Urgeschichtliches Bauerntum

Besonders fällt uns auf, dass schon damals so wie heute im Haager Gebiet durchaus nicht dorfweise gesiedelt wurde, sondern auch der prähistorische (urgeschichtliche) Bauer wie ein König auf Einzelhöfen saß oder in kleinen Weilern zusammen-siedelte. Hunde bewachten bereits ihre Behausungen.

Funde aus der Steinzeit

Außer dieser Strengberger Lochaxt wurde auch eine auf Haager Gemeindegebiet gefunden, u. zw. in Haindorf, Katastralgemeinde Schudutz; auch in Porstenberg wurden Funde getätigt.

Da das Auffinden solcher jahrtausendealter Geräte eigentlich nur ein Spiel des Zufalls ist und in unserem Gebiete keine Grabungen vorgenommen wurden, besagt die Haindorfer Lochaxt keineswegs, dass hier die älteste Siedelstätte im Gebiete der heutigen Stadt Haag anzusetzen oder etwa um Haag ein Siedlungsmittelpunkt vorhanden gewesen sei. Besitzen wir doch auch Lochäxte aus Wolfsbach, St. Pantaleon und Erla, während wiederum St. Valentin, St. Peter, St. Michael am Bruckbach und St. Johann in Engstetten Steinbeile aus derselben Zeit aufzuweisen haben.

Ungefähr um 2000 v. Chr. wanderten indogermanische Völker aus dem Norden hier ein, die sich rassisch mit der donauländischen Bevölkerung vermengten und so eine Mischkultur schufen.

Frühbronzezeit

Unweit der Seitenstettner Friedhofskirche St. Veit und sogar auf dem Plattenberge wurden Funde aus dieser Zeit ausgegraben, die uns den Beweis liefern, dass damals, wahrscheinlich ziemlich über das ganze Mostviertel mit Ausnahme höherer Gebirgstäler und größerer Höhen verstreut, größere Siedlungen bestanden. Wenige Zeit später, nämlich um 1800 v. Chr., kamen neue Volksscharen von Westeuropa her, die wir nach ihrer Bestattungssitte, die Toten gefesselt an Armen und Beinen und in Hockerstellung der Erde zu übergeben, die Hockergräberleute nennen. Sie verwendeten für ihre Waffen und Geräte als Werkstoff das eben erst erfundene Metall, die Bronze, bestehend aus neun Teilen Kupfer und einem Teil Zinn.

Im übrigen waren die Kulturwandlungen gegenüber der vorangegangenen jüngsten Steinzeit recht gering. Die Gräberfunde von Ernsthofen und Piburg an der Enns belehren uns, dass der in der Haager Gegend lebende Volksstamm auch in Oberösterreich und Bayern verbreitet war. Damit erscheint zum ersten Male deutlich die nahe bevölkerungsmäßige Bindung der Haager Gegend an Oberösterreich, wie auch heute die blutsmäßige Bindung an das Land westlich der Enns stärker ist als die zum östlichen Niederösterreich.

Recht beachtlich sind die Bronzebeigaben in den Hokkergräbern. Beile, Messer, Nadeln und Schmuckgegenstände zeugen für ein hohes technisches Können und für eine rege Bronzeindustrie; Händler zogen mit ihren Bronzeschätzen von Gehöft zu Gehöft und tauschten sie gegen die Produkte der Landwirtschaft. Was aber mag die Menschen damals zu ihrer uns heute so seltsam erscheinenden Bestattungsart bewogen haben?

Hockergräber

Fesselten sie ihre Toten aus Furcht vor einer Wiederkehr? Es ist möglich, da ja der Mensch seit je an ein Weiterleben nach dem Tode glaubte, wenn auch dieser Grundglaube einer Uroffenbarung vielfach in abergläubische Vorstellungen ausartete. Allmählich scheint die ältere Kultvorstellung der Steinzeitmenschen, die ja nicht verdrängt oder vernichtet worden waren, sondern eher durch die beiden neuen Völkerzufuhren rassisch „aufgesaugt" wurden, neuerdings zur Herrschaft zu gelangen. Die Menschen bestatten in der mittleren Bronzezeit wieder in der alten Form der Grabhügel. Die Toten werden nun flachliegend beigesetzt und über sie wird ein großer Hügel aus herbeigeschaffter Erde aufgetürmt.

Hügelgräber

Solche Hügelgräber aus der mittleren Bronzezeit (1400-1250 v. Chr.) finden wir in Windpassing bei Ennsdorf. Nach den Geräten, hauptsächlich den Tonwaren, können wir in dieser Periode eine kutlurelle Gemeinschaft feststellen, die von der Enns nach Westungarn, in die Slowakei und nach Südmähren reicht.

In der darauffolgenden jüngeren Bronzezeit (1250900 v. Chr.) drangen jedoch von Nordosten her - geographischer Ausgangspunkt der Wanderwelle war die Lausitz nördlich von Böhmen - ganz andersartige neue Bevölkerungsgruppen in unser Gebiet ein, die Stammväter der späteren Illyrer, die wir heute fast nur mehr in Albanien finden. Ihre Volkskultur weist völlig andere, fremdartige Züge auf, die sich wiederum vorwiegend in den Begräbnissitten ausdrücken.

Urnenfelder

Wir finden in Gräbern aus dieser Jungbronzezeit, in Ennsdorf, Ernsthofen und Aschbach, also rings um Haag, keine Skelette vor, sondern Tonurnen, gefüllt mit der Asche verbrannter Leichen. Aschenurne um Aschenurne, in die Erde gegraben, bilden Friedhöfe der sogenannten „Urnenfelderzeit".

Gab es seit Beginn der Bronzezeit (1800 v. Chr.) bereits Leute, die nach Kupfer schürften (etwa im Salzburgischen), so erweiterte sich der Bergbau nach dem Eindringen der Illyrer, ungefähr um 900 v. Chr., auf Eisen und Salz. Die natürliche Folge war ein zunehmender Wohlstand der Bevölkerung, welcher sich besonders in den Bergbaugebieten, wie etwa in Hallstatt, bemerkbar machte; wir sprechen daher auch von einer Hallstattzeit oder der älteren Eisenzeit (900 400 v. Chr.). Wie in der letzten Bronzezeit, so wohnen auch in der ersten Eisenzeit im Alpenvorlande die Illyrer. Aber sie gehen von der ihnen eigentümlichen Leichenverbrennung im Laufe von ungefähr dreihundert Jahren ab und führen um 900 wieder die Körperbestattung ein, so wie sie ihre Vorgänger in unserer Gegend geübt hatten. Zum zweiten Male beobachten wir also denselben Vorgang; er ist überdies ein markantes Beispiel, das sich auch anderweit in der Geschichte oft wiederholt, und zeigt, wie die volkhafte Kultur der Unterworfenen die Kultur des eingedrungenen „Herrenvolkes" allmählich immer mehr durchdringt und sich schließlich siegreich durchsetzt.

Illyrer im Ennswald

Aus der Hallstattzeit besitzen wir Funde in Ennsdorf (Skelettgrab) und in St. Johann in Engstetten. Diese toten Illyrer sind gleichsam die Vertreter des ersten Volkes in unserer Gegend, das wir dem Namen nach kennen und dessen Nachkommen heute noch existieren. Die Illyrer handelten mit Salz und Eisen bis nach Böhmen und bis nach Italien und benützten auch die Donau als Verkehrsweg; Donau und Erlauf sind übrigens illyrische Namen. Allerdings besaßen die Illyrer, soweit wir sehen, noch kein Staatswesen und wir wissen daher von ihnen weder den Namen eines Königreiches noch den eines Herrschers, wie dies zum Unterschied bei den Kelten der Fall ist.

Kelten

Die Kelten brachen um 400 v. Chr. von Gallien, dem heutigen Frankreich, über Süddeutschland ins Alpenvorland Ober- und Niederösterreichs ein. Aus der europäischen Geschichte wissen wir über dieses zahlenmäßig und kriegerisch starke Volk schon sehr viel, denn sie besiedelten nicht nur die Schweiz, Süddeutschland und Österreich, sondern auch die Po-Ebene. Bei uns gaben sie den Flüssen Enns, Ybbs und Url ihren noch heute bestehenden Namen. (Kelt. anos = Sumpf, konnte höchstens vom Unterlauf des Ennsflusses gelten; kelt. ivos = Eibe, Ybbs heißt also Eibenfluß; kelt. urula die Gewundene.) Die bei uns seßhaften Illyrer wurden vom starken keltischen Kriegervolk auf weniger fruchtbare Landschaften zurückgedrängt, zunächst in die Alpentäler und schließlich in die Hochalpen hinein. Das Gebiet zwischen Enns und Ybbs gehörte nunmehr zum keltischen Königreich Norikum, das vom Hausruck bis an den Raabfluß in Ungarn und von den Karawanken bis zur Donau reichte. Die Hauptstadt des Reiches war das in Kärnten gelegene Noreia. Während der ganzen jüngeren Eisenzeit (400 vor bis Christus) bildeten die Kelten die Herrscherschichte. Ihre Kultur kennen wir gut und benennen sie nach dem französischen Fundort La-Tene-Kultur, die Zeit von 400 vor Christi bis Christi Geburt auch die La-Tene-Zeit, aus der in unserer näheren Umgebung, in Lorch, auch Goldmünzen gefunden wurden.

ÜBERBLICK ÜBER DIE URGESCHICHTE:

Zeit

Kultur

Volk

Funde

Jüngere Steinzeit 3000-2000 v.Chr.

Donauländische Bandkeramik

Unbekannt, nicht indogermanisch

Strengberg, Haindorf, (Schudutz), Wolfsbach, St. Pantaleon, Erla, St. Valentin, St. Peter, St. Michael, St. Johann

Vor-Bronzezeit 2000-1800 v. Chr.

Mischkultur

unbekannt, indogermanisch, aus dem Norden

St. Veit bei Seitenstetten, Plattenberg

Ältere Bronzezeit 1800-1400 v. Chr.

Hockergräberkultur

unbekanntes Volk aus Westeuropa

Ernsthofen, Piburg an der Enns

Mittl. Bronzezeit 1400-1250 v. Chr.

Hügelgräberkultur

dasselbe

Windpassing bei Ennsdorf

Jüngere Bronzezeit 1250-900 v. Chr.

Urnenfelderkultur

Illyrer, aus der Lausitz eingewandert

Ennsdorf, Ernsthofen, Aschbach

Ältere Eisenzeit (Hallstattzeit) 900-400 v. Chr.

Hallstattkultur

Illyrer (indogermanisch)

Ennsdorf (Skelettgrab), St. Johann

Jüngere Eisenzeit 400-15 v. Chr.

La Tène-Kultur

Kelten (Noriker)

Münzfund bei Enns, die Kelten - ein indogermanisches Volk

15 v. Chr.: Beginn der Römerzeit, Beginn schriftlicher Nachrichten (Quellen), damit Beginn der eigentlichen Geschichte