DIE SIEDLER IM BANNKREISE LORCHS
b) die Römer
Der römische Kaiser Augustus sandte im Jahre 15 vor Christus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius über die Alpen bis zur Donau mit dem Auftrage, diese Landstriche dem Römerreich einzugliedern. Schon Jahrzehnte zuvor war das keltische Königreich Norikum ein Bundesverhältnis mit Rom eingegangen, um den nördlich der Donau sitzenden Feinden standhalten zu können.
Provinz Norikum
Die Angliederung Norikums an das römische Weltreich ging daher ziemlich friedlich vor sich, so dass das Königreich als ganzes mit unverändertem Namen nun eine römische Provinz bildete. Das keltische Volk blieb auf Haus und Hof und bei seinen alten Sitten und Gebräuchen. Viele von ihnen lernten selbstverständlich im Verkehr mit den Römern, die wir uns als eine Art Besatzungstruppe vorstellen müssen, die römische Weltsprache, das Latein, und wurden auch zum römischen Heeresdienst (auf freiwilliger Grundlage) herangezogen.
Allmählich erfolgte eine Angleichung an die höhere Kultur der Römer, ausgehend von den Militärlagern und den römischen Zivilstädten. Der Bau von Steinhäusern und das Pflanzen der Weinrebe sind solche Angleichungen an die römische Zivilisation. So darf es uns nicht wundern, wenn in der Loderleiten bei Enns, die ja von den römischen Lagern bei Lorch und Albing nicht weit entfernt liegt, verwilderte Stöcke der echten und edlen Weinreben vorkommen, die der Sage nach von Römern gepflanzt wurden.
Römische Provinzverwaltung
Die römische Verwaltung der Provinz Norikum erhielt durch Kaiser Diokletian (284-305) eine einschneidende Änderung; die Provinz wurde im Zusammenhang mit einer das ganze Reich umspannenden Verwaltungsreform in zwei Verwaltungsgebiete geteilt, und zwar in Ufernorikum von der Donau bis zu den Tauern, und in das binnenländische Norikum, das hauptsächlich Kärnten umfasste Die Haager Gegend gehörte daher zu Ufernorikum, das, der politischen Einteilung der Römer entsprechend, in Stadtgaue (civitas, Mehrzahl: civitates) gegliedert war und von den Städten aus verwaltet wurde. Der Name der Stadt wurde auf den Gau übertragen, wie das heute noch bei Salzburg fortlebt. So verwaltete der römische Stadtkommandant (Stadtpräfekt) von Wels das Gebiet zwischen Hausruck und dem Ennsfluß, das Gebiet um Haag hingegen fiel ursprünglich in den Verwaltungsbezirk St. Pölten (Aelium Cetium).
Lorchs Entstehung
Bei der Ennsmündung war bereits ein militärischer Stützpunkt für eine Donauflottille ausgebaut und Lauriacum (Lorch) genannt worden. Im Jahre 205 n. Chr. war der Bau des Militärlagers, das zunächst dem Welser Präfekten unterstand, vollendet; auch eine Schildfabrik befand sich dort. Neben dem Militärlager erwuchs aber bald das städtische Municipium (die Zivilstadt Lorch), das durch Kaiser Caracalla im Jahre 212 das Stadtrecht und damit verbunden einen Verwaltungsbezirk erhielt. Woher sollte nun für Lorch ein Verwaltungsbezirk genommen werden, wenn bereits das Land von der Traun bis zur Enns zu Ovilava (Wels), das Gebiet von der Enns bis zum Wienerwald (der damals übrigens mons Cetius, d. h. St. Pöltner Berg hieß) zu Cetium (St. Pölten) gehörte? Eine eigenartige Lösung wurde gefunden: Der neuentstandene Verwaltungsbezirk wurde nicht aus dem Welser herausgebrochen, sondern zum allergrößten Teil aus dem St. Pöltner Bezirk. Er umfasste einen kleinen Brückenkopf westlich der Enns, rund um das eigentliche Stadtgebiet von Lorch und reichte östlich dann von der Enns bis zur Ybbs, wenn nicht gar bis zur Erlauf, Damit verwaltete die westlich der Enns gelegene Stadt ein östlich der Enns gelegenes Gebiet, das nun civitas Lauriaca oder in germanischer Zeit dann „Lorcher Gau" genannt wurde, da ja Karl der Große die römischen Verhältnisse höchstwahrscheinlich ziemlich genau übernahm.
Lorch als Mittelpunkt im Ennswald
Im Bannkreise der Römerstadt Lorch liegt nun unser Haager Gebiet durch mehr als ein halbes Jahrtausend. Die Einheimischen um Haag, die meist bei ihrer alten Bauweise, dem Holzbau, blieben, lernten in Lorch zuerst den römischen Stein- und Ziegelbau von der dort stationierten zweiten italischen Legion kennen und bewundern.
Lauriacum oder Lorch war daher auch der Mittelpunkt eines Straßennetzes, von dem die nächste Umgebung Haags berührt wurde. Unmittelbar durch heutiges Gemeindegebiet führte eine Straße von Mauer bei Öhling über Aschbach, Windfeld, Hundsham, Hinterholz, Egg in die Umgebung von Schaching und von dort weiter nach Kroissboden, heute in der Katastralgemeinde Schudutz.
Römisches Straßennetz im Ennswald
Hier hatte sie Haager Gemeindegebiet erreicht und verlief nun südwestlich nach Altened, wo sie wieder nach Norden bog und über den „Flösserweg" nach Lichtenberg ging. Die Römerstraße wich aber der Stelle, wo heute der Hof Lichtenberg steht, aus und zog nach Klaubling (Katastralgem. Reichhub). Nach Nordosten führend verließ sie dann in der Richtung Altenhofen das Gemeindegebiet, Über Albing, einem bedeutenden römischen Standlager, führte sie dann nach Lorch. Dieser Straßenzug war die unmittelbare Verbindung zwischen dem militärischen Stützpunkt Aschbach und dem römischen Verwaltungssitz Lorch und insofern von Bedeutung. Zwischen den beiden Orten Aschbach und Albing bestand keine römische Niederlassung, sondern bloß eine Poststation namens Elegium (d. h. ausgesuchter Platz), die Dr. Hans Blank zwischen Egg und Kroißboden vermutete; sie lag also im späteren Wolfsbacher Pfarrgebiet, und zwar ungefähr in der Hälfte des Weges Albing-Aschbach.
Eine zweite Römerstraße verband Aschbach mit den nördlich von Steyr gelegenen Ennsübergängen bei Raminghofen, Haidershofen und Hainbuch. Sie berührte Hainbuchen (nördlich von Krenstetten), Giebl und Straß in der Wolfsbacher Pfarre, die Friedlmühle an der Zaucha, Joboltner, Hartlmühl und Weistrach, von wo an sie mit der heute noch benützten Straße nach Steyr über den Wachtberg identisch ist, Neben diesen beiden Straßenzügen Mauer bei Öhling-Lorch und Mauer-Aschbach-Steyr, das allerdings unter diesem Namen noch nicht bestand, gibt es noch verschiedene Altstraßen und alte Saumwege, von denen allerdings nicht feststeht, ob sie bis auf die Römerzeit zurückreichen; immerhin wäre es möglich. So zweigt eine Altstraße von der Römerstraße knapp nördlich von Klaubling ab und führt vorerst als tiefer, vergraster Graben zur Straße nach Haag, der sie bis Radelsbach folgt, Hier verläßt sie diese und führt über einen Damm und eine gewölbte Steinbrücke nach Süden zu einem Bahndurchlaß (den ersten westlich der Haltestelle). Sie trifft nun auf die Straße Haag-St. Valentin und deckt sich mit ihr in Richtung Haag bis über die Brücke des Haager Baches, um dann, Haag im Osten liegen lassend, nach dem in der Karte eingezeichneten Karrenweg in südwestlicher Richtung weiterzulaufen. Die Altstraße folgt nun der Straße Haag-Pernersdorf und von hier weiter jener, die nach Westen zwischen Reitersdorf und Hundsdorf zur Enns führt. Nach dem Ennsübergang bei Hainbuch-Staning zieht sie nach Gleink. Altstraßenreste, bald links, bald rechts des beschriebenen Weges, kennzeichnen ihn als alte Verkehrsverbindung. Westlich von Hundsdorf trifft unser „Gleinker Weg" - wir wollen ihn so nennen, weil er von Haag nach Gleink zieht - auf ein weiteres von Süden nach Norden laufendes, sehr altes Straßenstück, in dem wohl noch viel eher eine der kleineren römischen Verbindungsstraßen erkannt werden könnte.
Altstraße im Ennswald
Es ist vielleicht eine Fortsetzung jener römischen Vizinalstraße, die über Kematen-Gaflenz-Weyer ins Ennstal führte und von dort als die spätere „Eisenstraße" nach Raming und Enns abwärts; allerdings benützt sie nicht das enge Tal der Enns selbst, um bei Überschwemmungen nicht gefährdet zu sein, sondern zieht über Höhenrücken, was übrigens eine typische römische Gewohnheit ist. Auch der auf dem Gebiete der Altstraßen so kundige Hofrat Jandaurek vermag lediglich den Verlauf dieser Altstraße etwa vom Gehöft „Aicher" bei Haidershofen anzugeben. Nach seinen Angaben zieht sie durch den zwischen Linzeröd und Mosing gelegenen Wald und folgt bald der gegen Norden am Rande der Lagerleiten nach Ernsthofen ziehenden Straße. Südlich von Burg überkreuzt sie den von Klaubling über Pernersdorf nach Gleink führenden Weg. Eine Abzweigung führt nach der vermutlich urgeschichtlichen Wehranlage bei Burg, wo der Sage nach ein römischer Grenzstein stand, an dessen Stelle später eine Kapelle errichtet wurde; nach der Meinung anderer soll ein römischer Wachtturm vorerst in eine Kirche Maria-Burg umgebaut 'worden sein.
Römische Stützpunkte im Ennswald
Durch Rutschungen wurde die Kirche vernichtet und es blieb lediglich ein Seitenschiff erhalten, das zu der hier stehenden Kapelle umgestaltet wurde. Auf alle Fälle befinden wir uns hieran der Loderleitenstraße auf einem sehr alten historischen Boden. Die Straße selbst führt uns über Ernsthofen nach Kanning, wo die alte Wolfgangkapelle von verrauschten Zeiten zeugt, wieder über Altenhofen nach Albing ins Römerlager, während ein anderer Straßenast nördlich von Ernsthofen, bei Gaissing-Kronsdorf über die Enns setzend, nach Lorch weist.
Wir dürfen uns aber nicht vorstellen, dass das römische Militär, das aus allen römischen Provinzen stammte, oder dass die aus allen Winkeln des Römerreiches kommenden Händler ihre Kultur und Zivilisation auch in jene Gebiete brachten, die den römischen Stützpunkten weiter entfernt lagen. Daher finden wir nur in der Nähe der römischen Ansiedlungen die römischen Flachgräber, während in den übrigen Teilen der Provinz die einheimischen Kelten an ihren alten Sitten, wie zum Beispiel an der Hügelgrabbestattung, festhielten. Ebenso scheint beim Wohnungsbau ein einschneidender Unterschied zwischen Römerorten und Siedlungen der Einheimischen bestanden zu haben. Die Römer verwendeten für ihre Mauern Ziegel oder behauene Steine, die heimische Bevölkerung dagegen dürfte neben dem Holzbau auch Lehmbauten aufgeführt haben; sie schlugen Pflöcke in die Erde, umwanden und verbanden sie mit Weidenruten, die sie dann mit Lehm ausfüllten.
Romanisierung
Daher kommt der Name „Wand", während die Ausdrücke „Mauer" und „Ziegel" dem römischen Wortschatz entlehnt sind. Jene Lehmstockwände, im Volksmund „lamsteckerwend" genannt, haben sich noch vielfach bis knapp zur Gegenwart bei uns erhalten. Viele aus den römischen Truppenkörpern aber erhielten nach ihrer Entlassung aus dem Militärdienst Grund und Boden in der Nähe ihrer Standorte und gingen Verbindungen mit der einheimischen Bevölkerung ein. Manche Kelten wiederum traten als Arbeiter in den römischen Ziegeleien und Waffenfabriken, als Pächter römischer Grundbesitzer in ein Dienstverhältnis zu den Römern, lernten ihre Sprache, Sitten und Gewohnheiten besser kennen und nahmen sie schließlich an, So bildete sich durch jahrhundertelange Verschmelzung, vielleicht erst sehr spät um 300 n. Chr., ein neuartiger Volksschlag, der nicht mehr rein keltisch und auch nicht mehr rein römisch genannt werden kann, eben eine kelto-romanische Schichte, kurzweg auch Romanen geheißen.
Christianisierung
Der zwischen den Flüssen Enns und Ybbs gelegene Lorcher Gau (römisch: civitas Lauriaca) unterstand um das Jahr 400 n. Chr. in militärischer Hinsicht dem Oberbefehlshaber von Pannonien in Carnuntum wie überhaupt die ganze Provinz Ufernorikum. Damals (etwa um 350 n. Chr.) wurde auch die Leidensgeschichte des heiligen Florian (Passio sancti Floriani) schriftlich abgefasst, das Sterben jenes Heiligen beschrieben, der im Jahre 304 n. Chr. bei der allgemeinen Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian nachgewiesenermaßen in Lorch den Märtyrertod gefunden hatte. Doch bietet uns diese Tatsache keinen genügenden Anhaltspunkt dafür, dass in unserer Gegend damals schon die christliche Lehre unter der kelto-romanischen Bevölkerung verbreitet war. Anders war es freilich bei den Stadtbewohnern, bei den Soldaten und den römischen Zivilbeamten und den aus allen Teilen des Imperiums stammenden Händlern. Liebte es doch die römische Reichsverwaltung, mit Germanen durchsetzte Legionen nach Kleinasien, Syrien und Palästina zu senden und dafür wiederum kleinasiatische Legionen längs des Rheins und der Donau aufzustellen. So können wir gerade auch in unseren österreichischen Legionsstädten sehr früh Kultstätten orientalischer Religionen, besonders solche des Mithraskultes, antreffen.
Mithraskultur und Christentum
Um das Ende des dritten Jahrhunderts nach Christus (300) standen Mithraskult und christlicher Glaube in unseren Gegenden als die beiden großen Soldatenreligionen da, bis dann das Christentum das Übergewicht errang. Zur Zeit des heiligen Florian bestand schon sicher eine Christengemeinde in Lorch; es wird uns ja von vierzig Christen berichtet, die außer dem heiligen Florian noch den Märtyrertod erlitten. Wie drang nun überhaupt das Christentum zu den Romanen im Lorcher Gebiet?
Bis zum Jahre 300 n. Chr. war es mehr dem Eifer einzelner Glaubensboten aus dem Soldatenstande und dem Zufall überlassen, wohin der christliche Same getragen wurde. Eine durchgreifende Christianisierung erfolgte erst im vierten Jahrhundert (300-400 n. Chr.). Damit hängt auch der Ausbau einer kirchlichen Organisation und Hierarchie zusammen, die von Sirmium (heute Mirtrovica an der Save) die Drau, die Mur und die Donau aufwärts erfolgte. Aber auch Aquileja machte in kirchenpolitischer Hinsicht seinen Einfluss nach Norden geltend; und von Mailand aus hat sich der heilige Bischof Ambrosius (seit 374 Bischof dieser Stadt) bemüht, mit Hilfe der Markomannenkönigin Fritigil sogar die nördlich der Donau sitzenden Germanen für das Christentum zu gewinnen.
Lorch als Bischofsitz
Von den Jahren um 400 n. Chr. können wir ruhig behaupten, dass im gesamten Ufernorikum das Christentum verbreitet war, Lauriacum nicht nur Bischofsitz, sondern kirchlicher Mittelpunkt der Donauprovinz gewesen ist und nur mehr die „Hinterwäldler" und bewusst traditionsstolze römische Beamte vom Christentum nichts wissen wollten.
Zusammenbruch der Römerherrschaft
Während die Römer im großen und ganzen den Limes und die Donaugrenze gegen Norden hin im vierten und beginnenden fünften Jahrhundert noch halten konnten, drangen vom Osten her die Scharen der Hunnen unter ihrem Anführer Attila in die südlich der Donau gelegenen Viertel Niederösterreichs ein und ritten um 450 auf ihrem Zuge nach Westen jedenfalls auch über die Römerstraße nach Albing und Lorch. Obwohl Attila nicht mehr in den Lorcher Gau zurückkehrte, sondern von Frankreich über die Po-Ebene, Krain und Kroatien nach Ungarn zog und dort im Jahre 453 starb, trat doch für lange Zeit keine Ruhe mehr in Ufernorikum ein, so dass mit Recht die Geschichtswissenschaft mit dem Hunneneinfall die Periode der Völkerwanderung beginnen lässt.
Haags römischer Grabstein
Als steinernen Zeugen der Römerzeit besitzt Haag die Hälfte eines römischen Grabsteines, der neben dem Kircheneingang auf der Südwand der Kirche eingemauert ist. Woher er stammt, kann nicht mehr angegeben werden. Vermutlich wurde er einst von Lorch hergeführt. Das Grabmal stellt drei Personen, offenbar eine Familie, dar und ist ziemlich verwitterter Stein. Inschrift befindet sich dabei keine.