Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

DAS NEUE ANTLITZ HAAGS (25 Jahre Stadt)

b) Vor dem zweiten Weltkrieg (1932 bis 1939)

Straßenpflasterung und Verschönerungen

Haag hatte nun sein Dasein als Stadt unter Bewährung zu stellen und tat es auch. In den Jahren 1935 und 1936 ließ die Straßenverwaltung im Einvernehmen mit den beiden Gemeinden Stadt Haag und Land Haag die Linzer Straße im Anschluss an die Pflasterung und die ganze Bahnhofstraße bis zu den letzten Häusern hinaus asphaltieren. Die, übrigen Straßen, die durch die Stadt führen, wurden teils aus Gemeindemittel, teils aus privaten Mitteln geölt und gerichtet. Durch diese Maßnahmen sind die Bewohner des Ortes fast gänzlich von der lästigen Staubplage befreit worden.

Noch im Spätsommer 1935 hat die Stadtgemeinde den Park, den ihr der verstorbene Kaufmann R. Weiß testamentarisch vermacht hatte, herrichten lassen und der Öffentlichkeit übergeben. (Der Park liegt zwischen Jahnstraße und Bahnhofstraße). Eine wesentliche Verschönerung wurde der Stadt auch durch den Umbau des Hauses Höllriglstraße 1 zuteil, da dieses Haus mit der Vorderfront zum Stadtplatze sieht. Der Besitzer des Hauses, Bürgermeister Stephan Ströbitzer, ließ im rückwärtigen Trakt ein stattliches Gebäude errichten, in dem am 1. Juli 1936 die Apotheke untergebracht wurde. Größere Auslagen und Lichtreklameanlagen begannen wiederum Haag ein mehr städtisches Gepräge zu geben.

Der Haager Sanitätssprengel wurde im Frühjahr 1936 geteilt. Der letzte Gemeindearzt des ungeteilten Sprengels, Dr. Karl Schwaiger, war in den Ruhestand getreten und zwei Gemeindeärzte mussten nun angestellt werden. Überdies befasste sich die Rettungsabteilung schon seit längerer Zeit mit der Anschaffung eines neuen Rettungskraftwagens. Mit 15. August 1936 stand ein Erzeugnis der Steyr-Werke als neuer Rettungswagen zur Verfügung.

Im Sommer 1936 bedurfte die Pfarrkirche wiederum einer gründlichen Erneuerung und Reinigung, die zwei Monate beanspruchte. Schmuck nahm sich das aufgefrischte Gotteshaus mit den aufgefrischten Bildern, Statuen und Altären aus!

Geistiges Leben

Auch das geistige Leben pulste in Haag in altgewohnt frischer Regsamkeit. Am 1. Juli 1933 mussten die Pfarre und die Schule Abschied nehmen von Kooperator Josef Tillinger, der seit 16 Jahren als Seelsorger in Haag gewirkt hatte und nun als Pfarrer nach Zwentendorf kam. Von den Kindern, die mit großer Liebe an ihm hingen, wurde sein Scheiden sehr bedauert, und die Anteilnahme der ganzen Bevölkerung am Abschiedsfest gab Zeugnis von der Wertschätzung des Priesters.

Mit sechs Lehrkräften an den sieben Klassen der Volksschule (328 Schüler) und sieben Lehrkräften an den sieben Klassen der Hauptschule (290 Schüler) begann das Schuljahr 1933134. Die Wintersportbewegung ergriff in diesem Jahre die Schuljugend unseres Städtchens und alle anderen, die sich gleichfalls jung fühlten. Der „Deutschvölkische Turnverein" verwandelte seinen Spielplatz in einen Eislaufplatz und fast jeden Wintersonntag fuhr ein Kraftwagen mit Skifahrern auf den Plattenberg. Auch an einer ausgesprochen sportlichen Sensation fehlte es nicht in den dreißiger Jahren: Flugzeugbauer Franz Grabner begann Ende August 1936 mit seinem ersten selbstgebauten Motorflugzeug Probeflüge über Haag. Er hatte von Haus aus ein technisches Interesse und bastelte sich aus verschiedenen Bestandteilen deutscher Herkunft ein 20pferdiges Flugzeug in einjähriger Arbeit zusammen.

Am 3. Oktober 1936 feierte Geistl. Rat Franz Reininger sein 70. Wiegenfest. Die Gemeinde Haag-Land hat ihn aus diesem Anlass zu ihrem Ehrenbürger ernannt und ein schönes Fest veranstaltet, bei dem Bürgermeister Nagelstraßer für die Landgemeinde und Herr Sparkassendirektor Ströbitzer als Bürgermeister der Stadt dem Jubilanten gratulierten.

Turnverein, Gesangverein, Pfadfinder und Jungvolkbewegung wetteiferten in kulturellen Bestrebungen. Als vom 28. Juli bis 2. August 1937 in Breslau das 12. Deutsche Sängerbundfest stattfand, nahmen auch 23 Haager Sänger und Sängerinnen daran teil.

Politische Ereignisse

Die großen politischen Ereignisse jener Zeit sind noch allen in lebhafter Erinnerung. Sie im einzelnen aufzuzeigen, heißt auch heute noch, alte Wunden aufreißen. Eine spätere Zeit, fern den aufrüttelnden Begebenheiten, wird darüber leichter unparteiisch urteilen können. Als der Aufruhr im Februar 1934 gegen das Dollfuß-System entfacht war und in Steyr der Republikanische Schutzbund gegen das Bundesheer kämpfte, beteiligte sich auch die Haager Heimwehr an der Niederschlagung der Revolution. Der ganze Ernst des Bürgerkrieges wurde den Haagern zu Bewusstsein gebracht, als sie den Kanonendonner von Steyr herüber vernahmen; Haag hatte ihn zum letzten Male zur Zeit Napoleons vernommen! Die Auflösung der Sozialdemokratischen Partei, die Bundeskanzler Dr. Dollfuß nunmehr verfügte, hatte für Haag die Zuweisung des Spielplatzes der Sozialdemokraten (in der Nähe der Haltestelle) an die Volks- und Hauptschule zur Folge. Als Kundgebung des Dollfuß-Systems, die mit starken propagandistischen Absichten durchgeführt wurde, kann der Jugendsonntag vom 27. Mai 1934 gelten, der in Haag sehr gut gestaltet wurde und mit einem großen Festprogramm die Jugend aufrüttelte. Immerhin hat, vom Parteipolitischen abgesehen, der Tag ein begrüßenswertes Bekenntnis zum österreichischen Vaterland geboten und in vielen Jugendlichen das bewusst sein von der Eigenart des Österreichers und den Willen zum freien Vaterland aufleben lassen.

Knapp vor Schulschluss (1934) feierte der Kapuzinerpater Johann Voglmayr seine Primiz in Haag, bald übertönt vom alles beherrschenden Ereignis: dem Mord an Bundeskanzler Dr. Dollfuß.

Die Nationalsozialisten

Neben den Parteien, die den österreichischen Staat bejahten, machte sich wie in vielen Kleinstädten Österreichs auch in Haag die nationalsozialistische Anhängerschaft bemerkbar. Schon nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Jänner 1933 marschierten Haager Nationalsozialisten im Fackelzug durch die Straßen. Das Verbot der Partei bewirkte nur, dass im geheimen umso rühriger gearbeitet wurde; sprach doch die Mentalität der Hitler-Bewegung fast ausschließlich das kleinbürgerliche Denken an, während die Sozialisten den Großstädter, die Christlichsozialen das Landvolk immer mehr gewinnen konnten. Die Haager Schulchronik bietet einen guten Einblick, wie innerhalb der Lehrerschaft und Beamtenschaft die Unzufriedenheit über die Gehaltskürzungen wuchs und wie die wirtschaftliche Lage unter Bundeskanzler Schuschnigg einen Teil der Lehrer immer mehr und mehr ins nationale Lager trieb und ihre Augen immer hoffnungsvoller nach Deutschland richten ließ. Das Erlebnis der ersten Stellung nach der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 1. Oktober 1936 änderte daran nichts, und auch die Wahlen in den Ortsbauernrat (25. Oktober 1936), bei denen es in Haag unter 1002 Wahlberechtigten 808 gültige Stimmen gab, können nur als Teilerfolge der Christlichsozialen gewertet werden.

Als am 13. März 1938 der Anschluss Österreichs an Deutschland erfolgte, gab es auch in Haag den üblichen lokalen Umsturz: so musste z. B. Schulrat Ludwig Achat die Leitung der Volks- und Hauptschule zunächst zurücklegen und Lehrer Karl Österreicher wurde aus politischen Gründen versetzt. Hauptschullehrer Ernst Maschek wurde mit der provisorischen Schulleitung vorübergehend betraut (bis 1. Juli 1938). In der Führung und Leitung der Stadtgemeinde änderte sich nichts, ebensowenig in der Führung der Pfarre.

Das Jahr 1938

Die am 10. April 1938 durchgeführte Volksabstimmung, die unter starken propagandistischen Einflüssen stand und für ganz Osterreich das unechte Ergebnis von 99.75 Prozent Ja-Stimmen (für den Anschluss) ergab, hatte in Haag folgendes Ergebnis:

Stadtgemeinde: Abgegebene Stimmen 1088; Ja 1087, Leerstimme 1; Wahlbeteiligung 100 Prozent.

Landgemeinde: Abgegebene Stimmen 1848, Ja 1842, Nein 2, ungültig 4, Wahlbeteiligung 100 Prozent.

Als am 13. Mai 1938 Feldmarschall Göring in der Station Haag seinen Sonderzug, mit dem er gerade nach der Grundsteinlegung zu den Hermann-Göring-Werken von Linz nach Wien fuhr, auf ein Nebengeleise stellen ließ, um in Ruhe sein Mittagessen einnehmen zu können, erweckte es natürlich die Sensationslust der Bevölkerung. Die Ortsgrößen der Partei stellten sich dem Viel-Gewaltigen vor, und zwei kleine Mädchen überreichten dem Feldmarschall und Reichsjägermeister Blumensträuße. Göring trug sich mit grünem Stift in das Goldene Buch der Stadt Haag ein.

Zusammenlegung der Gemeinden

Die Besetzung Österreichs und der Anschluss an Deutschland brachten zunächst für Haag Begrüßungswertes. Durch den Ausbau der Industrie in der Nachbarschaft Haags (Nibelungenwerke) hob sich auch bei uns der geschäftliche Umsatz; allmählich siedelten sich Arbeiter des Nibelungenwerkes wie auch der Steyr-Werke in Haag an und fuhren von hier aus zu ihrer Arbeitsstätte. Auch wurden die Gemeinden Stadt und Land Haag wieder vereinigt. Die so entstandene Großgemeinde erhielt den Namen Stadt Haag und wurde von einem Bürgermeister (Stephan Ströbitzer) verwaltet. dass sich diese Maßnahme des nationalsozialistischen Regimes bewährte, beweist allein die Tatsache, dass Haag auch nach dem Abtreten des Regimes vereinigt blieb.