DAS NEUE ANTLITZ HAAGS (25 Jahre Stadt)
a) Die Stadterhebungsfeier
Nachdem der nö. Landtag den alten Markt Haag zur Stadt erhoben hatte, stand nur mehr die Wahl des Tages offen, an dem diese Tatsache festlich begangen werden konnte. Welcher Termin eignete sich besser als der Tag des heiligen Michael (29. September), dem zu Ehren die Kirche von Haag vor 900 Jahren (1032) geweiht worden war? So mündeten die, 900-Jahr-Feier und die Feier zur Stadterhebung in eine einzigartige Festwoche. Schließlich war ja das 900jährige Jubiläum der Pfarrkirche und der nachweisliche Bestand der Ortschaft Haag durch mehr als 1000 Jahre auch unter anderem ein Anlass zur Stadterhebung.
Die Festlichkeiten
Die Bezirksbauernkammer veranstaltete gemeinsam mit der neuen Stadtgemeinde Haag und mit der Landgemeinde Haag und den Gewerbegenossenschaften eine viertägige Wirtschaftsschau, deren Ehrenschutz Bundeskanzler Dr. Dollfuß, Landeshauptmann Dr. Buresch und Landeshauptmannstellvertreter Josef Reither übernommen hatten.
Am Mittwoch, den 28. September 1932, begann der Auftakt zu den großen Festtagen: Bischof Michael Memelauer, der vor Jahrzehnten einmal in Haag als Kaplan gewirkt hatte - Haag war des Bischofs erste Seelsorgestation - wurde um 14.30 Uhr feierlich empfangen. Abends brachten die Vereine von Haag und Umgebung ihrem Bischof zu seinem Namenstage ein Ständchen dar. Ein großer Fackelzug bewegte sich dann rund um die festlich beleuchtete Bergstadt. Der markante, die Gegend weithin beherrschende Kirchturm erstrahlte im Scheinwerferlicht und ein Feuerwerk wurde abgebrannt. Ein Festkommers im Gasthaus Forstmayr, bei dem der Stadtbürgermeister Stephan Ströbitzer die Gäste begrüßte und Nationalrat Dr. Waihs im Namen der Gäste erwiderte, beschloss die Vorfeier.
Am Morgen des 29. September (Donnerstag) setzte bereits ein starker Zuzug aus der näheren und weiteren Umgebung ein. Ein musikalischer Weckruf und Böllerschüsse leiteten die Feierlichkeiten ein. Hierauf wurde am Kriegerdenkmal ein Kranz niedergelegt, die Vereine waren mit ihren Fahnen dazu ausgerückt, die Korporationen waren militärisch aufgestellt. In der historischen Pfarrkirche zelebrierte sodann Bischof Memelauer unter großer geistlicher Assistenz das feierliche Pontifikalamt und Kanonikus Prof. Dr. Wagner, der Dichter der Ennswaldeiche, gab in der Festpredigt einen Rückblick auf die bewegte Vergangenheit der Stadt.
Der Bundespräsident in Haag
Um ½11 Uhr vormittags trafen Herr Bundespräsident Wilhelm Miklas und Landeshauptmann Dr. Buresch mit dem Wiener Schnellzug in Haag ein. Sie begaben sich zunächst in den Pfarrhof, wo Bischof Memelauer sie begrüßte. Der Bundespräsident hob in seiner Erwiderungsansprache die Verdienste des Pfarrers Franz Reininger hervor, der sich als ein trefflicher geistlicher Hirte seines Volkes bewährt und die materiellen Grundlagen der Gemeinde mitzuschaffen geholfen hat. In Anerkennung dieser Verdienste verlieh ihm der Bundespräsident das Silberne Ehrenzeichen der Republik.
Die Festgäste begaben sich sodann zum Ausstellungstor, das in der Jahnstraße zwischen den Häusern Kaiserrainer und Wiesmayr in der Form eines alten Stadttores errichtet worden war. Vor dem Tore standen Fanfarenbläser, Landsknechte und Herolde in historischen Kostümen. Die feierliche Eröffnung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Ausstellung wurde durch Radio Wien übertragen. Die Musikkapelle intonierte die Bundeshymne und die Schülerin der 4. Hauptschulklasse Rosa Königsdorfer brachte das Gedicht „Die junge Stadt, sie grüsset euch!" zum Vortrag. Drei Mädchen (Rosa Königsdorfer, Cäcilia Bauer und Anna Gruber) überreichten dem Bundespräsidenten, dem Landeshauptmann und dem hochwürdigsten Herrn Bischof einen Blumenstrauß. Es folgten die Ansprachen des Bürgermeisters, des Landeshauptmannes, des Bischofs und des Bundespräsidenten, der besonders das einträchtige Zusammenwirken von Bürgern und Bauern in Haag begrüßte und Herrn Bürgermeister Ströbitzer für sein Wirken als Bürgermeister und Sparkassedirektor das Goldene Verdienstzeichen der Republik verlieh. Während der Bundespräsident das Stadttor durchschritt, sang der Männergesangsverein von Haag unter Leitung des Chormeisters F. Harmer den Chor „Sancte Michael, salva nos". Unterdessen hatten 16 Mädchen in Biedermeiertracht, 8 männlich und 8 weiblich gekleidet, vor der Turnhalle Aufstellung genommen, um unter den Klängen von Mozarts Menuett einen Reigen zu tanzen (Leitung Frl. Frieda Winter). Anschließend besichtigten die Festgäste mit dem Bundespräsidenten die Ausstellung.
Die Ausstellung
Sie vereinigte landwirtschaftliche, gewerbliche und industrielle Produkte des Bezirkes in wirkungsvoller Zusammenstellung. Unter den landwirtschaftlichen Objekten waren die Kollektionen der Bezirksbauernkammern Amstetten, Haag, St. Peter und Waidhofen, die Viehausstellung und das Edelobst der zahlreichen Züchter des Bezirkes besonders nennenswert. 160 Kleingewerbe treibende beschickten die gewerbliche Schau. Auch die Heimatgeschichte kam zur Geltung, da der Ausstellung „Schule und Kunst" eine Heimatschau mit alten Volkstrachten und Bauernmöbeln angeschlossene war.
Das Festspiel
Der Nachmittag des Donnerstags brachte die Erstaufführung des Haager Festspieles auf dem Kirchenplatz. Prof. Wagner hatte es gedichtet. In prachtvollen Kostümen zogen Donau und Enns auf, kamen Markgraf Rüdiger von Bechelaren und andere historische Gestalten unserer engeren Heimat, um einzelne Szenen der Vergangenheit wieder lebendig zu machen. An den folgenden Tagen bis zum Sonntag wurde das Haager Festspiel in Freilichtaufführungen wiederholt. (Leitung Oberlehrer Bäunard)
Der Freitag und Samstag war verschiedenen Festtagungen gewidmet: so fanden am Freitag, den 30. 9., die Bäckertagung des Eisenwurzengaues im Gasthofe Forstmayr und die kaufmännische Bezirkstagung des Bezirkes Amstetten im Gasthof Reitter statt, am Samstag die Bürgermeistertagung im Gasthof Forstmayr. Am Freitag vormittags konzertierten auch Haags Schüler unter der Leitung des Herrn Lehrers Schöberl.
Dr. Dollfuß in Haag
Für Sonntag (2. Oktober) vormittags waren 700 Wiener angesagt, welche auf einer „Fahrt ins Blaue" in Haag Aufenthalt nehmen sollten. Zu ihrem Empfang versammelten sich die Schüler der Hauptschule vor dem errichteten Stadttor, um sie mit dem Lied „In Nußdorf und in Grinzing" zu begrüßen. Eine große Bauerntagung begann um 10 Uhr im Gasthofe Forstmayr, zu der als Redner Bundeskanzler Dr. Dollfuß mit Minister a. D. Buchinger und Landeshauptmannstellvertreter Reither erschien. Zum erstenmal sprach an diesem 2. Oktober 1932 Bundeskanzler Dollfuß in seiner Rede im Forstmayr-Saal seinen Gedanken vom Aufbau eines Ständestaates öffentlich aus, wodurch diese Tagung nicht bloß lokale, sondern gesamtösterreichische Bedeutung erhielt.
Am Ausstellungsplatze begann inzwischen das Preisspielen der Musikkapellen, die dann am Nachmittag um 15 Uhr ein Monsterkonzert veranstalteten. Vertreten waren die Musikkapellen Aschbach, Ebelsberg, Erla, Garsten, Haidershofen, Haag, Kleinraming, Kürnberg, Strengberg und Weistrach, zusammen rund 270 Mann unter dem Dirigenten Ferdinand Harmer aus Haag. Am Schluss des Monsterkonzertes gaben die einzelnen Musikkapellen noch ihr Bestes.
Mit dem offiziellen Schluss der Ausstellung am Sonntag, den 2. Oktober, um 18 Uhr waren die Festtage verrauscht. Die Spitzen des damaligen Österreich haben unserem Haag die Ehre ihres Besuches gegeben, die Haager haben, was Organisation und künstlerische Leistungen von Laien betrifft, Überragendes geleistet und bewiesen, dass sie nicht nur wirtschaften können, sondern auch zu feiern verstehen. Wie nie zuvor und nachher in der Geschichte der Stadt hat Haag, auch vom Wetter begünstigt, einen Festzyklus sich und seinen Gästen geboten, der wahrhaft prächtig und einmalig genannt werden kann.
Es dauerte noch lange, bis die Haager wieder in den grauen Alltag zurückfanden; fast in jedem Hause hat jemand mitgewirkt und war nun wieder mit Wegräumen und Verpacken all der schönen Dinge beschäftigt.