Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

AUS DER FRANZOSENZEIT

Der Geist der Aufklärung, der sich in Osterreich so deutlich in den Reformen des Kaisers Josef II. zeigte, führte in Frankreich zur blutigen Revolution, zu jahrelangen Wirrsalen, die schließlich von einem Manne mit starker Hand gemeistert wurden: von Napoleon Bonaparte, dem Überwinder der französischen Revolution, zugleich aber auch ihrem Vollender. Was die Revolution an beglückenden Errungenschaften gebracht hatte, sollte nun im Siegeslauf der französischen Armee dem übrigen Europa mitgeteilt werden.

Napoleon I.

Schon war in Deutschland im Gefolge der feindlichen Waffen das Napoleonische Gesetzbuch eingebürgert worden, und Napoleon selbst träumte vom geeinten Europa unter seiner Führung, unter seinem Gesetz. In ganz Deutschland aber regte sich das Nationalgefühl gegen den fremden Eroberer. Als Österreich ihn geschlagen hatte, wurde es zum Hoffnungsstern aller Deutschen, als Österreich dem Eroberer unterlag, schien die Freiheit untergegangen zu sein. Endlich gelang es den vereinigten Russen, Österreichern und Preußen, die französischen Heere aus Deutschland zu vertreiben, die alte Ordnung wieder herzustellen.

Das Erlebnis dieser 25 Jahre (1790 bis 1815) hat sich mächtig dem Andenken der damals Lebenden wie auch der nachfolgenden Generation eingeprägt, und auch an Haag ist der große Wellenschlag der Geschichte nicht vorübergegangen, ohne die Menschen im Innersten zu erschüttern. Die Zeit der Französischen Revolution und Napoleons I. deckt sich mit jener für Haags Geschichte bedeutenden Epoche, in der Dr. Michael Perschi als Dechant und Pfarrer von Haag zum Guten unserer Ortschaft hier schaltete und waltete. So hatten die Haager in arger Notzeit einen Mann als geistlichen Hirten, der wieder ausglich, was die Zeit an Wunden geschlagen.

Dechant Perschi

Perschi wurde im Jahre 1791 vom Bischof von Bamberg, auf Empfehlung des Passauer Ordinariates hin, zum Pfarrer in Haag ernannt und am 10. Juni vom Strengberger Pfarrer der Pfarrgemeinde vorgestellt. Der fürstliche Patronatskommissär, Freiherr Theodor von Risenfels auf Rohrbach, den Perschi schon vor 26 Jahren „kennen und schätzen gelernt hatte", führte ihn feierlich ein. Vogtherr war damals Graf Rudolf von Salburg, k. k. Kämmerer und Generalmajor, Besitzer von Salaberg; sein Pfleger betreute die Pfarruntertanen von Haag, während die sieben Pfarruntertanen im Urlamt zu St. Peter, die von einer Rohrbachischen Stiftung aus dem Jahre 1388 herrühren, durch den Pfleger von Rohrbach in ihren Leistungen und Zehenten kontrolliert wurden.

Säkularisation

Allein gerade auf dem Gebiete des Herrschaftswesens sollte sich Entscheidendes in der Amtszeit des Herrn Dechant Perschi ändern. Bereits 1803 wurde durch den Reichsdeputationshauptschluss in Regensburg - sehr zu Willen und fast auf Geheiß Napoleons I. - bestimmt, dass alle Lehensherrschaft geistlicher Herren verfallen und in weltliche Hände übergehen müsse. Damit verlor auch der Bischof von Bamberg, der 12 Jahre zuvor noch Perschi eingesetzt hatte, alle Rechte auf Pfarre und Land von Haag. Die sogenannte Säkularisation (Verweltlichung geistlichen Besitzes) hat das Band der Untertänigkeit, das seit achthundert Jahren Haag mit dem Bischof von Bamberg verbunden hatte, restlos zerschnitten. Die Herrschaftsbesitzer von Salaberg und Rohrbach hatten nun keinen Oberlehensherren mehr über sich; in diesen beiden Herrschaften hat ohnedies Bamberg nur mehr dem Schein nach Rechte gehabt. Der Patron über die Pfarre und Kirche von Haag wurde nunmehr an Stelle des Bamberger Bischofs der österreichische Erzherzog und zugleich deutsche Kaiser Franz II. Die Pfarre Haag war damit „landesfürstlich" geworden.

Mit Zustimmung des Kaisers als des Landesfürsten durfte Pfarrer Michael Perschi im Oktober 1808 die sieben Urlamt-Untertanen an Theodor, Freiherrn von Riesenfels, verkaufen. Er erhielt dafür 250 Gulden und verzichtete auf alle Zehente und Robote, auf alle Rechte, die er sonst von diesen sieben Häusern gehabt hat. Es handelte sich hierbei um folgende Bauernhöfe im oberen Urltal, gegen Ertl und Kürnberg zu gelegen: Johann Grestenberger am Spitzenberg, Nr. 61; Peter Hager am Kuchenberg, Nr. 51; Josef Steinbichler am Weinapfellehen, Nr. 60; Johann Georg Schnirzer am Tanzellehen, Nr. 66; Michael Schmid am Kaiserlehen, Nr. 24; Johann Kleeberger am Schützenhäusel, Nr. 63, und Stephan Mayr am Schützenhäusel, Nr. 62 (nach der Fasson von 1546 Schützenberger).

Vergleich mit Salaberg; Verzicht auf Vogtrechte

Als Haag eine landesfürstliche Patronatskirche wurde, erübrigte sich auch das Amt eines Vogtes; denn nun brauchte ja niemand mehr des Bischofs Rechte zu vertreten. Allerdings behauptete Graf Rudolf von Salburg seine Vogtrechte und begründete sie mit alten Urkunden. Er führte auch die Tatsache an, dass Salaberg alljährlich am Georgitag bei scheinender Sonne an die Herrschaft Steyr einen „verzückten Dienst pro 10 fl. zu zahlen hat, den sich Rudolf I. von Habsburg im Jahre 1279 beim Abtreten der übrigen Vogtrechte vorbehalten hatte. Aber alle die Belege, die seit dem Mittelalter aufzeigen, wie die Vogtrechte stets bei Salaberg waren, halfen wenig gegenüber den völlig veränderten Zeitverhältnissen. Der Rechtsstreit dauerte von 1803 bis 1810 und Pfarrer Perschi kämpfte erbittert darum, aus der völlig unzeitgemäßen Bevormundung durch den Salaberger Vogt entlassen zu werden. Schließlich gelang am 23. Februar 1810 ein Vergleich, der gerecht erschien und es auch war. Salaberg verzichtete auf die Vogtrechte, die in dem halben Genuß von Mortuar-, Laudemialgeldern und Robot aller Pfarruntertanen bestanden. Zur Entschädigung dieser auf 200 Gulden geschätzten Einkünfte trat der Pfarrer von seinen Untertanen folgende Häuser an die Herrschaft Salaberg ab: Josef Fellner in Kandlhof, Johann Gruber in Kandlhof, Johann Huber in Prandt, Johann Henninger in Prandt, Johann Landsidl in Radelsbach, Georg Halbmayr am Bauerngut zu Haindorf, Martin Holzner zu Muckenloh (Herrschaft Rohrbach, aber mit Diensten an Pfarre Haag). Dieser Vertrag wurde 1813 von der Landesregierung genehmigt.

Der Pfarrer hatte als Nutzgenuss von seinen Untertanen hauptsächlich den Zehent zu erwarten. Der wurde oft auf Treu und Glauben gereicht und nur immer von einem Pfarruntertanen direkt vom Felde weggeführt. Dieses Zehentheben auf dem Felde traf jedes Jahr ein anderes Bauernhaus, z. B. 1795 den Polsterhof, auf dem es schon seit 1750 nicht mehr geschehen war, weshalb es dem Besitzer nicht mehr als ein altes Recht erinnerlich und auch gar nicht genehm war. Er prozessierte vergebens dagegen.

Pfarrer Perschi war eigentlich der letzte wirklich reiche Pfarrer in Haag - noch ein wirklicher Herr mit Untertanen. Sein Verdienst ist es, dass er alles wahrhaft gut verwaltet hat und viel von dem Seinen für die Gemeinde hergab.

Reparaturen am Pfarrhofe

Zunächst fühlte er sich freilich verpflichtet, den Pfarrhof, den er in so bösem Zustande angetroffen hatte, würdig für sich und seine Nachfolger herzurichten. An die 50 Jahre war nichts mehr am Gebäude gerichtet worden: die Bleifenster Schlossen unordentlich, die Türen waren ohne Schlösser, nur mit wackeligen Riegeln versehen. Perschi entwirft selbst den Riß zu einem neuen Pfarrhof, lässt ihn dann von einem Baumeister in Steyr ausfertigen und den Kostenvoranschlag einholen. Am 25. April 1792 beginnt Maurermeister Huber aus Steyr zu bauen und rückwärts, dem Kirchplatz abgewandt (heute gegen die Westbahn zu) entsteht ein neuer Trakt. Der Pfarrhofeingang, der bisher an der Seite lag, wurde nach vorne verlegt. Um 180 Gulden wird ein Brunnen gegraben, das kleinere Hausgärtel und die sogenannte Schulmeisterleite (Nordabhang des Kirchenberges, vom Mesnerhaus abwärts) werden neu hergerichtet und mit hundert Bäumen besetzt.

Veränderungen am Marktplatz

Das Gesicht des Marktplatzes wird anders. Bisher führte ein Tor, das sich auf der einen Seite an den Pfarrhof, auf der anderen an das „Wächterhäusel" (später Tabak-Trafik) anlehnte, vom vorderen Marktplatz hinein in den Kirchhof, den sich enger um die Kirche schmiegenden und mit allen Gräbern einst ausgefüllten Platz. Auf diesem festgebauten Tor befand sich oben ein „Behältnis", ein kleines Stockwerk, und der ganze Bau nahm einem auf dem vorderen Platze stehenden Menschen alle Aussicht auf die Turmuhr. So romantisch das Tor gewesen war (ein Gemälde von Fritz Tippl lässt es erahnen), so stand es doch nach dem Auflassen des Friedhofes um die Kirche völlig zwecklos da. Auch der Verteidigung konnte es nicht mehr dienen, denn die Kriegführung hatte sich grundlegend geändert. Im Zuge der Umbauten ließ Pfarrer Perschi das Tor` im Jahre 1793 abbrechen. Es mag wohl etwas lange gedauert haben, bis sich die Haager an diesen Anblick, an den erweiterten großen Platz gewöhnt hatten.

Im folgenden Jahre, 1794, erneuerte Perschi, die Inneneinrichtung des Pfarrhofes. 1795 ließ er die Wasserleitung reparieren. Er vermerkt getreulich im Pfarrmemorabilienbuch, dass ein früherer Pfarrer (wer?) unter dem Hügel am Haager Bach ein Brunnenwerk angelegt hat, durch welches in zwei „Stiefeln" von Metall in teils bleiernen, teils hölzernen Röhren das Wasser in den Pfarrhof, den Meierhof und einige benachbarte Häuser (Schafelner) geleitet wurde.

Verkauf der Weingärten in Spitz

Perschi hatte nun bereits 10.630 Gulden verbaut; aber er war ein kleines Finanzgenie. Die Weingärten zu Spitz, welche die Pfarre seit 1433 besaß, trugen jährlich nicht mehr als 34 bis 35 Gulden, der Wein war sauer, die Aufsicht beschwerlich. Daher beschloss der Pfarrer, die Tagewerke, von denen zehn in Dürnstein lagen, auf dem Lizitationswege zu verkaufen. Er erhielt eine Gesamtsumme von 964 Gulden als Erlös und konnte dieses Geld in einer Staatsschulden-Kassa-Obligation zu 4% anlegen, wodurch er an jährlichen Interessen, allein von den verkauften Weingärten, gefahrlos und ohne Mühen, über 38 Gulden erhielt.

Stiftung Perschis an das Alumnat

Trotzdem war das Vermögen, das der Pfarre Haag zukam, waren all die jährlichen Erträgnisse nicht so bedeutend, dass die hohe Baukostensumme von der Pfarre allein hätte getragen werden können. 3000 Gulden schoss Perschi aus seinem eigenen Vermögen für die Renovierung des Pfarrhofes zu, der ja nicht ihm gehörte, sondern dessen Verwalter er nur war. Die 3000 Gulden mussten dem Privatvermögen Perschis selbstverständlich wieder einmal zurückerstattet werden. Aber von wem? Von wem denn sonst als von denen, die nach Perschis Tod die Nutznießer des neuen schönen Pfarrhofgebäudes sein werden, von den Amtsnachfolgern. Doch Perschi verzichtete darauf, dass die Summe ihm oder seinen Erben zurückgezahlt werde, und verpflichtet dafür seine Amtsnachfolger, durch 20 Jahre hindurch jährlich 150 Gulden mit Zinsen an das bischöfliche Ordinariat zur Heranbildung von Landesseelsorgern zu zahlen. Er machte durch seinen Schenkungsbrief vom 30. Dezember 1795 praktisch das bischöfliche Alumnat zu dem Erben jener 3000 Gulden, die der Haager Pfarre aus Perschis Privatkasse vorgestreckt wurden. St. Pölten genehmigte gerne diese Regelung.

Bei den Bauten haben die Pfarrkinder viele Fuhren geleistet; nun sind sie schon etwas unwillig geworden. Perschi will sie daher nicht mehr anhalten, auch noch bei der Umgestaltung des Wirtschaftsgebäudes mitzuwirken, die er 1797 plant und beginnen will. Die bereits begonnenen Franzosenkriege haben jedoch eine derartige Teuerung des Kornes mit sich gebracht, dass es Perschi, der auf seinen Pfarrfeldern genug Korn erntet und verkaufen kann, leicht wird, auch diesen Bau durchzuführen. So wird der Pfarrstadel, der außerhalb des Marktes auf dem Felde bei dem Pfarrgarten steht (heute neben dem Kindergarten), aus Mauern errichtet; der alte Dachstuhl konnte noch zu zwei Dritteln verwendet werden. Das war 1798, zwei Jahre später wird innerhalb des Burgfriedens vom Pfarrer ein Wiesengrund versteigert, auf dem ein Schneider und ein Nagelschmied ihr Haus bauen. Ein großes hölzernes Lusthaus, das im Kuchelgarten des Pfarrhofes nur im Wege stand, wurde dem Nachbar, einem Maurer, geschenkt, der ein kleines Wohnhaus unterhalb angemauert hat, das er später einem bürgerlichen Posamentierer verkaufte. Auf dem Pfarrhofberg, gegen die Schulmeisterleite hin, wurde an Stelle der zusammengefallenen Planken eine Mauer aus Quadersteinen bis an das Haus des Schusters Reiner gebaut (1807).

So hat sich still, aber beharrlich unter Pfarrer Perschi das ganze Aussehen des Kirchenberges gewandelt, wo Wiesen lagen, erhoben sich nun Häuser rund um den vergrößerten Platz und im Jahre 1812 wurde sogar das Kirchendach umgestaltet und umgedeckt, wobei ein Maurerpolier vom Dache fiel und tot war.

Stiftung einer Schule

Die größte Leistung vollbrachte Perschi für sein Haag im Jahre 1804: Das alte Schulgebäude war damals schon zu schlecht und zu klein geworden, schon vor 17 Jahren (1787) war ein neuer Schulbau geplant gewesen, der das ewige Zimmermieten in fremden Häusern beenden sollte. Es kam nie zum tatsächlichen Bau. Perschi war da tatkräftiger. Er kaufte um 2000 Gulden das Rohrbachische Schlössel in Haag, das sich die Riesenfels als eine Art Stadthaus in Rokokozeit gebaut hatten (heute Postamt), und schenkte es der Gemeinde für das Schulhaus. Selbst die nötige Adaption sollte der Gemeinde Haag nichts kosten. Freilich, für die weitere Instandhaltung der Schule musste die Gemeindebevölkerung, Rat und Bürgerschaft, schon aufkommen. Damit jederzeit Ausbesserungen und Verschönerungen am neuen Schulhaus künftigen Geschlechtern möglich gemacht würden, schlug Perschi vor, ein Kapital von 2000 Gulden zu 5 Prozent anzulegen und aus den Zinsen die nötigen Summen für Renovierungen zu bestreiten. Auch bei der Erstellung dieses Kapitals griff er selber kräftig in die eigene Tasche. Er muss offenbar ein sehr reicher Mann gewesen sein, der es als eine Schande ansah, reich zu sterben, und der deshalb spendete, wo er nur konnte.

Die Gemeinde Haag verdankt diesem edlen Priester eigentlich ungeheuer viel. Einem Fürsten gleich griff er in die bauliche Neugestaltung Haags ein. Dabei dürfen wir aber nie übersehen, dass dies alles mitten in einer Zeit geschah, in der feindliche und eigene Truppen oftmals in Haag lagerten, die Gegend beraubten und dem Pfarrer selbst den letzten Kreuzer abknöpfen wollten.

Schon im Jahre 1792, also zu Beginn des ersten Krieges gegen die französischen Revolutionäre, waren mährische und ungarische Regimenter in Haag einquartiert. Die Offiziere wohnten im Pfarrhof und ließen sich es gut gehen. Im Jahre 1795 wurden wegen des französischen Vormarsches Spitäler und Depots zurückverlegt. 16.000 bis 17.000 Menschen rückten damals in Haag ein. Der Sieg des Prinzen Karl über General Jourdan bei Neuburg am Inn brachte jedoch die glückliche Wendung und die Depots wurden wieder nach Bayern vorgezogen.

Kriegsnöte

Das Jahr 1797 brachte eine neuerliche Kriegsgefahr. Die Franzosen waren bis in die Steiermark gekommen, die kaiserliche Armee musste sich über Leoben nach Eisenerz zurückziehen, ein Teil marschierte über Steyr-Valentin-Strengberg, der andere über Steyr und Sankt Peter nach Amstetten; beide Teile berührten aber Haag nicht. Dafür mussten jedoch die streitfähigen Haager am Karsamstag, den 15. April, nach Gaming ziehen, insgesamt mehr als 300 Menschen mit Gewehren, Haken und Spießen. Die Brücke bei Enns sollte abgebrochen werden; da kam der Befehl, alles Hornvieh über die Donau zu schaffen, und setzte Haags Bauern in große Aufregung. Glücklicherweise wurde bereits am Ostermontag (17. April) der Friede zu Leoben geschlossene, und am Mittwoch wussten die Haager bereits davon. Im folgenden Jahre (1798) hatte der Quartiersbezirk Haag 2000 Mann und Pferde des Husarenregimentes Mehseros unterzubringen. Der Stab kam in den Markt Haag, Feldmarschall-Leutnant von Nassendorf, sein Adjutant, Domestiken und der Feldkaplan wohnten vom 2. Juni an bis in den August im Pfarrhof, Generalmajor Kienmayr auf Schloss Salaberg sogar bis in den Februar 1799. Die beschäftigungslosen Soldaten mussten auf Befehl des Feldmarschall-Leutnants am Bau des Pfarrerstadels mithelfen und brachten insofern auch einen Nutzen.

Ansonsten war das Jahr 1799 verhältnismäßig friedlich; daher konnte in Haag eine Firmung abgehalten werden, zu der 2000 Firmlinge aus dem ganzen Dekanate zusammenströmten. Aus der Pfarre Haag allein wurden 309 gefirmt. Am Matthäustage (21. September) brannte das Aignergut bei Salaberg ab und Pfarrer Perschi konnte wieder eine gute Tat verüben. Pfarrer Reisinger hatte bereits im Jahre 1766 eine Brandschadenskasse für 33 außerhalb des Marktes verstreute Pfarruntertanen gegründet, deren Kapital (1799) über 1600 Gulden betrug. Perschi schenkte nun dieser Kassa eine Kupferamtsobligation auf 1600 Gulden, um sie zu einem finanzkräftigeren Institute zu machen. Nun konnte dem Aignerbauern besser geholfen werden; schließlich war ihm ja während der Frühmesse das ganze Haus mit allen Feldfrüchten, Vieh und Gerätschaften abgebrannt. Die bäuerlichen Pfarruntertanen, die teilweise gar keine Freude an dieser Brandschadensversicherung hatten und ihr vielfach nicht beigetreten waren, erkannten nun die Wohltat der Einrichtung und bedauerten, dass der Kassastand noch nicht höher angewachsen war.

Russen in Haag (1800)

Dies Bedauern wuchs wohl um so mehr, als gleich das nächste Jahr (1800) neuerlich fremde Soldaten und damit erhöhte Brandgefahr mit sich brachte. Russische Husaren des Regimentes Bauer ritten in Haag ein, der Pope des Regimentes erhielt ein Zimmer im Pfarrhof; die Russen als Verbündete des österreichischen Kaisers gegen Napoleon benahmen sich allem Zeugnis nach sehr anständig. Pfarrer Perschi schreibt über sie: „So sehr wir dieses Quartier geforchten hatten, so glücklich war alles abgelaufen. Die Einquartierungen reißen nun nicht mehr ab, der Krieg ist in vollem Gange. Zuerst beehrten fünf Wochen lang Soldaten des Kürassierregimentes Anspach unser Haag, dann weilte 14 Tage das Kürassierregiment des Kaisers hier. In Wels und Steyr wurden Magazine angelegt. Schon war der Krieg auch wieder zu Ungunsten Österreichs entschieden und die geschlagene österreichische Armee berührte im Rückzug Haag (am 18. und 19. Dezember 1800). Offiziere verließen unrühmlicherweise ihre Regimenter und suchten in Haag Unterschlupf; am 21. Dezember, einem Sonntag, kamen die beiden Erzherzoge Karl und Johann auf dem Rückmarsche nach Salaberg, der Feldzeugmeister Graf Kollowrat bezog Quartier im Pfarrhof, das übrige Personal des Stabes im Markt. In den kleinsten Häusern und Höfen waren Generäle und höchste Offiziere einquartiert. „Viel ist gestohlen worden", lautet das kurze und wenig schmeichelhafte Urteil Perschis über sie. Am 22. Dezember war der Generalstab wieder fort, es folgte der Durchzug der besiegten Armee. Bei der Kornmühle musste über den Haager Bach eine feste Brücke geschlagen werden, über die eine vor dem Feind einhergetriebene Truppe zog, vor den Augen der Haager weiter nach Osten fliehend. Pfarrer Perschi sagt dazu in seinem Bericht (Pfarrmemorabilienbuch): Ich finde die Worte gar nicht, um einen solchen Anblick zu beschreiben; es hatte gar kein Ansehen einer Armee, sondern es war nur ein Gewühl von Tausenden und Tausenden zerlumpter, schmutziger, ausgehungerter, halbverzweifelter Menschen, ferner Infanterie, Kavallerie, Kanonen, Rüstwagen, Weiber, Männer, alles durcheinander, die meisten mit zerbrochenem oder gar ohne Gewehr. Kein Wunder, wenn die Soldaten in ihrer großen Not und, um den Hunger zu stillen, zu rauben und zu plündern begannen, was ihnen unterwegs in die Hände fiel. In keiner Weise war die Armee mit Lebensmitteln versehen. So bettelten sie, brachen in den Bauernhäusern Kästen und Truhen auf, schlachteten Schweine und Schafe und führten mit, so viel sie konnten. dasselbe Bild bot sich im Markte: die Keller der Wirtshäuser wurden ausgeräumt, jeder mögliche Unfug getrieben. Dechant Perschi war aber klug genug; auf den Rat der Offiziere ließ er Tag und Nacht aus eigenem Vermögen Brot backen, stellte sich mit seinen Hausleuten vor das Pfarrhoftor und teilte Geld und Brotlaibe aus. Auf diese Weise gelang es ihm, eine Plünderung des Pfarrhofes zu verhindern. Nur Offizieren erlaubte Perschi den Eintritt in sein Haus, sich dadurch wiederum Schutz sichernd.

Durchmarsch kaiserlicher Truppen

Der schaudervolle Durchzug dauerte den ganzen Tag, sobald die Nacht kam, lagerten sich alle dort, wo sie gerade waren, die Offiziere in den Häusern, die Gemeinen im Freien. Mit abgebrochenen Zäunen und Planken, mit dem gestohlenen Holzvorrat der Bauernhöfe wurden vielfach riesige Lagerfeuer entzündet. Damals waren überall als Grenzzeichen an Stelle der heutigen Marksteine die hölzernen Zäune angebracht, wodurch die Haager Gegend ein ganz anderes Aussehen hatte. So gründlich hatte die Menge des Kriegsvolkes die Zäune abgerissen und verheizt, dass sie nie wieder errichtet werden konnten. Im Jahre 1802 beschloss Pfarrer Perschi an ihrer statt die Marksteine aufstellen zu lassen und er bestellte hundert Stück davon in Waidhofen an der Ybbs.

Zu den Lagerfeuern legten sich die Soldaten in den Schnee und, von der Feuersgefahr abgesehen, verlief die Nacht ruhig. Am nächsten Tag, den 23. Dez., zogen sie weiter, gegen Mittag jedoch sprengte Fürst Schwarzenberg mit 1200 Mann der Arciergarde einher. Fürst Esterhazy kam gleichfalls diesen Tag nach Haag geritten und wählte Salaberg zum Quartier, die Mannschaft schlug auf den Feldern gegen Salaberg, die Kavallerie bis zur Kornmühle hinaus ihr Lager auf. Die jetzt anwesenden Gardetruppen hatten immerhin ein militärisches Aussehen, es herrschte halbwegs Zucht und Ordnung; ein Gemeiner des siebenbürgischen leichten Füselierbataillons schlich sich freilich in Bauernhäuser, um zu plündern, obwohl er Nahrung und Geld erhalten hatte; die Hausleute der Humpeled stellten und erschlugen ihn.

Franzosen in Haag (1800)

Am 24. Dezember früh verließen auch diese Truppenteile wiederum das Haager Gebiet, in zwei Teilen nach Strengberg und Wolfsbach abmarschierend. Die letzten österreichischen Nachhuten durchsprengten gegen Mittag den Markt und eilten ihnen nach, während man schon vom Brunnhof her den Kanonendonner der siegreichen Franzosen hörte. In der nun folgenden Christnacht konnte keine Mette gelesen werden, selbst am Christtage gab es nur eine stille, heilige Messe vor ausgesetztem Allerheiligsten und um 9 Uhr ist der Marktplatz schon voll Franzosen; das waren aber nur Vortruppen, die die Lage für sich ausnützten. Ein Offizier forderte Brandsteuer und ließ den Marktrichter kommen, mit dem er sich schließlich auf 3000 Franken einigte. Nach Erhalt des Tributes ritten sie weiter. Um vier Uhr nachmittags war bereits ein anderes Regiment Franzosen im Markt, schwere französische Kavallerie. Der Kommandant, ein sehr netter Herr, übernachtete im Pfarrhof, und sprach am 26. Dezember früh zu Dechant Perschi: „Weil wir heute noch die Friedensnachricht erhalten, müssen Sie uns eine Tafelmusik veranstalten, und weil Sie schon die Brandsteuer gezahlt haben, fordere ich von Ihnen nichts, als dass die Gemeinde dem Regimente die Stiefel reparieren lasse. Der Pfleger von Salaberg und der Marktrichter als weltliche Obrigkeiten hatten die unangenehme Pflicht, alle Schuster und Lederer den ganzen Stephanitag zur Arbeit einzuteilen und zur Eile zu nötigen. Die Gemeinde musste den Handwerkern dann die geleistete Arbeit bezahlen, was über 300 Gulden ausmachte. Wirklich kam zu Mittag die Nachricht von dem Waffenstillstand und der Befehl an die Franzosen, am 27. Dezember wieder nach Oberösterreich zurückzumarschieren. Nun wollten die Franzosen am Abend noch zur Feier des Friedens die Haager Frauen und Mädchen in den Pfarrhof zum Tanz geladen haben. Der Kommandant stand mit seiner Ehre ein: „Es wird nichts Böses geschehen!" Dennoch erschienen die Haagerinnen abends nicht und allein die vier „Dienstmenscher" des Pfarrhofes standen als aufgeputzte Tänzerinnen zur Verfügung.

Tanz im Pfarrhofe

Nun gingen die Offiziere selbst in die Häuser der Bürger und holten zwölf hübsche Tänzerinnen, sie alle höchst freundlich und sittsam am Arme zum Pfarrhof geleitend. Wahrhaft, die Franzosen erwiesen sich als Kavaliere: sie tanzten ehrbar, wie uns Dechant Perschi bestätigt, und behandelten alle, auch die „Dienstmenscher" als Damen mit aller Achtung. „So bald sie bemerkten, dass selbe erhitzt wurden, ließen sie die Musik aufhören, führten sie selber zum Sofa, setzten ihnen Sesseln in der Reihe, standen bei ihnen, obwohl sie mit ihnen nicht sprechen konnten.

Nach zwei Stunden des Tanzes wurden die Frauenzimmer nach Hause geschickt, und am anderen Morgen begaben sich die Franzosen nach Enns.

Da die Gegend reich und die meisten Bauern immer noch großen Vorrat hatten, nahmen die Franzosen im Jänner 1801 neuerlich Quartier zu Haag; sie blieben bis zum 19. März und veranstalteten an diesem Tage eine Parade mit schöner türkischer Musik auf dem Marktplatze, beschenkten alle Hausleute und nahmen vom Dechanthof „zärtlichen" Abschied. Die Ausgaben des Pfarrers für seine noblen „Gäste" beliefen sich auf 3000 Gulden. Aber nun war wenigstens für eine Zeitspanne, ein paar Jahre freilich nur, Ruhe und Frieden.

Der Bauwille kam neuerlich zur Geltung. Der Pfarrer ließ sich ein Hühnergärtlein und ein Wasserbassin anlegen, bei der Kornmühle wurde über den Haager Bach eine steinerne Brücke gebaut und im Jahre 1802 eine neue Glocke mit 22 Zentner angeschafft. Die schlechte Ernte allerdings und die ständig anhaltende Preissteigerung machten allen Plänen ein rasches Ende.

Der Krieg 1805

Und dann standen im Jahre 1805 wiederum die Österreicher, mit den Russen verbündet, den Franzosen gegenüber. Vom 26. September angefangen mussten die Bauern, der Pfarrer und die Herrschaft alle Feldarbeit stehen lassen und für die durchmarschierenden Russen Vorspanndienste leisten. Die Anbauzeit wurde versäumt, und mit Pferden und Ochsen fand sich unser Bauernvolk an den Landesstraßen ein, um auf bestimmte Stationen die Armee weiter zu befördern. Die Russen, der Sprache unkundig, hielten wenig Ordnung und wurden leicht zornig und gewalttätig, wobei sie dann auf die Tiere übermäßig einschlugen und sie verletzten. Auch die Österreicher hausten nicht gut. Fürst Hohenlohe, der im Pfarrhof einquartiert war, meinte, die Franzosen würden fünf Tage zum Übersetzen der Enns brauchen. Als der Feind in fünf Stunden trotz der zerstörten Brücke über die Enns gegangen war, ergriff er die Flucht, nicht ohne sich vorher genügend Wein aus dem Pfarrhofkeller mitgeben zu lassen. Die Franzosen folgten auf dem Fuß, forderten Brandsteuer und später nochmals Geld (im Oktober). Sie sperrten sogar den Pfarrer ein und bedrohten ihn, der aber sagte ihnen gründlich die Wahrheit.

Einquartierung der Bayern

Gegen die raubenden Franzosen, die Haager Gebiet durchstreiften, rotteten sich die Bauern zusammen; ein Bauernsohn wurde niedergeschossen, eine Bäuerin erhielt durch das Fenster einen tödlichen Schuss. Napoleon war am 10. November durch Strengberg durchgekommen, seine Hilfstruppen, Württemberger, Bayern, Badenser marschierten durch Haag. Diesmal war ein netter bayrischer Offizier im Pfarrhofe einquartiert, der mit Dechant Perschi gerne politisierte und darauf schwor, dass Napoleon I. seinen bayrischen Kurfürsten zum König erheben werde und ihm Tirol und Oberösterreich geben wolle. Er sollte fast zur Gänze recht bekommen. Der Kaiser der Franzosen hatte gesiegt und seinen Frieden zu Preßburg abgeschlossene. Auf seinem Rückweg traf er in der Nacht am 29. Dezember in Strengberg ein, am 1. Jänner war er bereits in München, wo er Bayern und Württemberg zu Königreichen ausrufen ließ; Tirol musste im Frieden an Bayern gegeben werden. Am 30. Jänner erfolgte der Abzug der letzten feindlichen Truppen aus der Haager Gegend nach Oberösterreich.

Dieser tiefe Fall Osterreichs bewirkte eine Besinnung. Eine neue Regierung und ein neuer Geist erzielten Erfolge, die bisher kaum für möglich gehalten wurden. Rekruten werden in St. Pölten einexerziert, das Volk für kriegerischen Widerstand begeistert, die Landwehr wird aufgestellt. Die Haager sollten sich an Sonn- und Feiertagen zu Hause in den Waffen üben und taten es auch, wenngleich in bescheidenem Umfang. Der Gedanke, dass das ganze Volk in Waffen aufstehen müsse gegen den Feind, brachte den völligen Wandel.

Der Krieg 1809

Schon im Jahre 1809 loderte die Kriegsfackel neu auf. Vom 23. Februar bis Ende März hatte Haag täglich das militärische Schauspiel durchmarschierender Österreicher. Alle staunten nun über die gute Haltung der Armee. Das waren nicht mehr die Söldlinge von einst, die, schlecht geführt, nur Raub und Plünderung kannten. Es schien, als ob die Rollen vertauscht seien. Die Franzosen, die vor acht Jahren noch diszipliniert und artig waren, erschienen durch ihre vielen Feldzüge völlig verwildert. Im Mai zogen sie in Haag ein und plünderten des Pfarrers Weinkeller vollständig aus. Fünf Fässer zu drei Eimern und 500 Flaschen mit Extraweinen aus Ungarn führten sie mit sich fort. Ein zweiter französischer Trupp misshandelte den Pfarrer und raubten ihm alle Wäsche bis auf ein Hemd; 300 Gulden nahmen sie in bar mit. Der Gesamtschaden dieser beiden Plünderungen betrug 5080 Gulden und nur mehr 39 Gulden hatte Dechant Perschi in Vorrat.

Das Versteck des Pfarrers

Perschi, der am Arm, an der Brust und im Gesicht verwundet worden war, sucht nun ein Versteck vor den Franzosen; er und sein Kaplan verbargen sich im Prömayrwald; drei Wochen lang blieb Perschi im Mesnerhäusl über Nacht! Die Matrikenbücher wurden gut verwahrt und Dechant Perschi ließ sich ein Versteck anlegen, damit ihm nicht das letzte Geld, das letzte Hemd von den Franzosen gestohlen würde. Im ersten kleinen Vorzimmer waren die Fußbodenbretter mit Schrauben befestigt; darunter lag gewöhnlicher Schutt. Wurde er jedoch ausgehoben, so kam ein zweiter Boden zum Vorschein, unter dem sich ein geräumiges und sehr trockenes Plätzchen befand: eine Stelle, die der Feind nicht finden konnte. Perschi schreibt dazu: „Ich habe ein Blatt mit der Anzeige und meinem Namen hineingelegt, wünsche aber, dass dieser Ort nicht mehr geöffnet und niemals mehr ein Gebrauch davon gemacht werde.

Greueltaten

Solche Vorsorge war damals nötig und wurde gewiss nicht bloß im Pfarrhofe, sondern in fast jedem Bauernhause ausgeübt, nur haben die Bauern ihre ausgehegten Verstecke nicht schriftlich dem Wissen der Nachwelt hinterlassen. Die Franzosen waren teilweise bestialisch geworden. Ein Bauer, der ihnen Fuhrdienste leisten sollte und sich weigerte, wurde von einem französischen Offizier mit einem Strick an den Hals seines Pferdes gebunden, in Behamberg wurde ein Knecht erschossen, weil er den Ort nicht anzugeben wusste, wo sein Bauer das Geld verborgen hatte. Aus ähnlichem Grunde wurde in Haidershofen ein Bauer erschossen, in Reinthal einer erschlagen. Viele Wirte, die nicht augenblicklich den bestellten Wein brachten, erlitten Messerstiche und Misshandlungen, Frauen und Mädchen wurden auf offener Straße entehrt. Die Haager mussten 50 Mann für die Schanzarbeit an der Enns stellen, dazu 12 Zimmerleute und mehrere Fuhrwagen. Für den französischen Kommandanten in Amstetten wurden Tafelgelder von den Herrschaften einkassiert; die Herrschaft Salaberg gab über 50.000 Gulden aus.

Während Österreichs Heer bei Aspern und Eßlingen siegte und der österreichische Waffenruhm durch Europa hallte, hatte Dechant Perschi seine liebe Not mit den einquartierten Franzosen; an die 300 Offiziere und über 900 Gemeine musste er im Laufe des Sommers 1809 bewirten. Bei 1000 Pferde standen bei ihm im Stall und 90 Eimer Wein wurden dem Pfarrhofe geraubt.

Am 14. Oktober wurde der Friede zu Schönbrunn unterzeichnet; Österreich war trotz aller Anstrengungen dem Feinde unterlegen, aber es hatte der Welt zum ersten Male bewiesen, dass Napoleon, „der unbezwingliche Korse", auch in offener Feldschlacht zu schlagen war. Der Winter begann freilich trostlos für das ausgeplünderte Land. Die Lebensmittelknappheit verursachte eine große Teuerung; die Bauern hatten keine Pferde mehr und mussten den Pflug selber ziehen, die Ernte auf kleinen Wägelchen mit eigener Hand nach Hause bringen. Aber Ende Jänner 1810 war der Feind, waren die französischen Truppen endlich aus dem Lande gezogen und Haags Boden war für 135 Jahre vor dem Fußtritt ausländischen Kriegsvolkes gesichert.

Staatsbankrott

Die Not regierte weiterhin in Österreich, die Preis- und Lohnsteigerung hielt an, Pfarrer Perschi musste silberne und goldene Kirchengeräte gegen Bankozettel an die Staatskasse abführen (1810). Aber auch mit solchen Mitteln war der drohende Staatsbankrott nicht aufzuhalten.

Er kam im Jahre 1811. Gemäß einer allerhöchsten Verordnung mussten sich am 16. März genau um fünf Uhr früh Pfarrer, Richter und Ausschußmänner der Gemeinde bei der Herrschaft Salaberg einfinden, wo ein versiegeltes Paket eröffnet wurde. Der Inhalt des Paketes wurde verlesen und besagte, dass die Bankozettel (Papiergeld) auf ein Fünftel entwertet seien und dass gemäß einer kaiserlichen Verfügung zur Tilgung der 1060 Millionen Bankozettel Einlösungsscheine für 1212 Millionen herausgegeben würden. Eine Geldabwertung großen Stiles also, als Folge des verlorenen Krieges.

Zunächst stiegen die ohnedies schon erhöhten Preise aller Waren auf das Fünffache. Als aber anfangs 1812 die Bankozettel mit Einlösungsscheinen ausgewechselt waren, d. h. das eine Papiergeld durch ein anderes ersetzt worden war, fühlte ein jeder, wie wenig Geld er habe; die Kaufkraft sank und die Preise mussten gleichfalls fallen. Das Land erholte sich allmählich wieder. Das Pfund Rindfleisch, das 1811 noch 54 Kreuzer (1 fl.=60 Kreuzer) gekostet hatte, sank 1812 bereits wieder auf acht Kreuzer herab.

Der Krieg 1812/13

Noch immer war die Macht Napoleons der Alpdruck Europas. Aber es sollte nicht mehr lange dauern, denn schon begann der Korse in sein eigenes Unglück hineinzurennen. Er eröffnete den Feldzug gegen Russland (1812). Die Österreicher wie die Preußen und alle deutschen Fürsten sollten als Verbündete der Franzosen das Kanonenfutter gegen Russland abgeben. Damals weilte in Haag die Schwadron eines österreichischen Ulanenregimentes auf Durchzug, insgesamt 180 Mann und 180 Pferde, auf die Bauernhöfe verteilt. Die Truppen waren jetzt wohl diszipliniert. Der Rittmeister und der Major wohnten im Markt. Auch im Jahre 1813 musste Haag den österreichischen Truppen Quartiere geben und auch diesmal konnte Dechant Perschi in seiner Pfarrchronik den guten, disziplinierten Zustand, besonders der Truppen unter Schwarzenberg, rühmen.

Mit diesem wohlgeordneten und nunmehr gut geführten Heere konnte Österreich bei der bevorstehenden weltpolitischen Entscheidung das gewichtigste Wort sprechen. Preußen hatte sich ja inzwischen mit Russland verbündet und die Franzosen nach Mitteldeutschland zurückgedrängt, Napoleon aber hatte bereits wieder über die Preußen gesiegt. Es war nun ausschlaggebend, zu welcher Partei Österreich hielt, zu Preußen und Russland oder zu Napoleon I.

Perschis Scheiden von Haag

Eine Unterredung Metternichs mit dem Kaiser der Franzosen brachte das erwartete Ergebnis. Österreich schlug sich zu den Gegnern Napoleons, Schwarzenberg wurde zum Oberbefehlshaber bestellt und die drei Völker, Österreicher, Preußen und Russen, schlugen das französische Heer in der Völkerschlacht bei Leipzig (Oktober 1813). Der siegreiche Einzug in Paris (1814) führte zum Sturz Napoleons I. und zum Wiener Kongress (1814/15). Die Franzosenzeit war damit endgültig vorüber. Aber auch der Priester, der in all diesen Jahren der Not und Kriegsgefahr seine Haager Seelen geleitet und soviel Gutes für Haag gewirkt hatte, der überdies als ein treuer Berichterstatter in der Haager Pfarrchronik alle erinnerungswürdigen Ereignisse verzeichnet hatte, Dechant Michael Perschi, wurde nach dem Ende der Franzosenzeit aus Haag abberufen und ging im Jahre 1814 auf ein Kanonikat nach St. Pölten ab.

Perschis Schaffenszeit als Pfarrer von Haag war in jeder Hinsicht bedeutend und groß. Mit sicherem Blick verstand er es, in der Pfarrchronik, die er Morabilienbuch nannte und als erster Pfarrer zu führen begonnen hatte, das aufzuzeigen, was für das Geschick der Völker immer ausschlaggebend war und geblieben ist: die innere Haltung und die Disziplin der Männer und Frauen eines Volkes. Solange es daran bei den österreichischen Soldaten mangelte, konnten sie des Feindes nicht Herr werden, sobald sie mehr Ordnung und sittliche Kraft als die Franzosen aufwiesen, konnte der Endsieg nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Für Haag jedoch, das so viele feindliche und eigene Truppen in seinen Mauern beherbergte, galt der Grundsatz, dass siegen nichts bedeutet, überleben hingegen alles. Es ging aus den Notzeiten verändert, aber nicht ungeschmälert in seiner Kraft hervor. In der von Michael Perschi gestifteten neuen Schule wuchs eine junge Generation heran, welche die furchtbaren Erlebnisse der Elterngeneration nur mehr vom Hörensagen kennenlernte. Und was einst Tränen und Leid gewesen war, zur Erinnerung an große Zeiten war es nun geworden.