BLÜTE DES HANDWERKES UND DES GEWERBES
1660-1790 - Bevölkerungsbewegung
In der großen Zeitspanne von 1660 bis 1790, die 130 Jahre oder das Leben von vier Generationen (Urgroßvater, Großvater, Vater, Sohn) umfasste, scheint es tatsächlich so, als ob trotz mancher Veränderungen das Leben und Treiben in Haag sich so ziemlich gleichgeblieben wäre. Dies trifft jedoch nur für das Leben nach außen hin zu, während im Denken und Fühlen, in der inneren Einstellung doch jede Generation ihr eigenes Gesicht hat. Haben die Menschen von 1660 bis 1690 das Bangen und Grauen vor den Türken und der Pest noch deutlich in ihrem Bewusstsein gehabt, so konnte sich die folgende Zeit von 1690 bis 1720 zwar des Friedens in der Heimat und des gesicherten Besitzes erfreuen, war aber noch immer durch die in der Ferne tobenden Kriege mit wachsender Steuerlast gedrückt. Aber gerade in diesen beiden Perioden hat sich Haags Handwerk und Gewerbe am kräftigsten entfaltet. Die folgende Generation zwischen 1720 und 1750 hat bereits gelernt, von der vorangehenden zu zehren, obgleich auch sie noch einmal einen feindlichen Einfall (1741/42) erleben musste. Die Generation der Söhne (von 1750-1790) sah sich freilich dann einem tiefschürfenden Wandel der Zeit gegenübergestellt: die Reformen Maria Theresias und Josefs II. begannen, wurden durchgeführt und mit ihnen stieg allmählich eine neue Zeit auf.
Zeitcharakter
So sehr sich die Gedanken der Haager vom militärischen Verteidigungsdenken zu Handel und Kommerz und weiter zur Auseinandersetzung mit den neuen Ideen der Aufklärung fortbewegten, so hat sich andererseits in Haag selbst in dieser 130jährigen Periode wenig geändert. Einem lebhaften Ansteigen der Bevölkerung bis etwa in die Jahre um 1710 steht ein Verlust an Bevölkerung in den Jahrzehnten bis 1790 gegenüber, so dass am Ende Markt und Pfarre keineswegs mehr Seelen aufweisen, keineswegs mehr Häuser aufzeigen. Die Zeit der Türkengefahr (1660-1700) führte rasch zu einer Blüte des Handwerks und des Gewerbes, die dann anhielt, aber nicht mehr gesteigert werden konnte. Als dann gar im 19. Jahrhundert überall anderswo die Industrie emporwuchs, blieb Haag auf seinem Bevölkerungsstande still stehen und sank dadurch im Vergleiche zu den anderen Städten und Märkten immer mehr herab.
Bevölkerungsbewegung
Lassen wir die Zahlen sprechen: In einer Epoche seien nun immer je 80 Jahre zusammengefasst und vergleichsweise den anderen Epochen gegenübergestellt.
Zeit | Summe der Geburten | Summe der Toten |
---|---|---|
1630-1710 | 7668 | 5232 (es fehlen 16 Jahre) |
1711-1790 | 6782 | 6817 -35 |
1791-1870 | 6438 | 7556 -1118 |
1871-1949 | 7389 | 7937 -548 |
Ausmaß der Handwerktreibenden
Wenn also, um nur eine Zahl zu nennen, die Pfarre Haag am 31. 10. 1857 ihre 5001 Seelen zählte, so wird man zwar berücksichtigen müssen, dass durch umfangreiche Auspfarrungen (1778-84) die Pfarrbevölkerung um ein Zehntel geschmälert wurde, dass aber trotzdem auch schon das Haag der Jähre 1690 und 1700 gut seine 5000 Menschenkinder beherbergte. Gleich der Bevölkerungsbewegung ist auch Handwerk und Gewerbe um 1700 ungefähr in demselben Ausmaße vorhanden wie um das Jahr 1900. Der Unterschied liegt nur darin, dass etwa die Schneider 200 Jahre früher leichter existieren konnten und keine Konkurrenz durch die Konfektionsware zu befürchten hatten, dass weiters vor 200 Jahren noch eine sehr beachtliche Anzahl von Webern im Haager Pfarrgebiet saß und eine Tätigkeit ausübte, die heute durch auswärtige Textilfabriken völlig unrentabel gemacht und zum Aussterben verurteilt worden ist. So sind auch verschiedene andere Berufe seither ausgestorben, wie etwa die Gewerbe der Bräuherren, der Hafner und der Bader; andere sind dafür neu entstanden in unserem Haag: der Gesamtumfang der Handwerk- und Gewerbetreibenden dürfte jedoch ziemlich gleich geblieben sein. Das heißt, dass um 1700 Haag der wirtschaftliche Mittelpunkt des westlichen niederösterreichischen Mostviertels schlechthin war, dass es erst zu späterer Zeit, vor allem zwischen 1800 und 1900 von anderen Ortschaften überflügelt worden ist.
Jährliche Ehen
Die normale Anzahl der Hochzeiten bewegte sich in der Zeit zwischen 1670 und 1790 um die 30 Eheschließungen im Jahr, wobei der Mann durchschnittlich um das 30. Lebensjahr, die Frau bereits mit 27 Jahren im Durchschnitt in die Ehe trat.
Auch hierin hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Nur nach Kriegszeiten sieht es anders aus. Da tauchen plötzlich schubweise in einzelnen Jahren mehr Heiratsfreudige auf, und auch das Alter der Brautleute wird unterschiedlicher.
Uneheliche Kinder - Fornikationsbußen
In den Taufmatriken findet sich von 1631 bis 1949 kein einziges Jahr, in dem nicht auch ein uneheliches Kind zur Welt gekommen wäre. Freilich wurden die meisten von ihnen durch eine nachfolgende Ehe legitimiert. Zum Unterschied von heute galt es aber als ein strafbares Vergehen, außerhalb der Ehe ein Kind zu besitzen. Aus einer Jahresrechnung, die der Pfleger der Herrschaft Salaberg, Wibmer, für seine Herrschaft über das Jahr 1749 aufstellt, ersehen wir, in welcher Weise die Grundobrigkeit einen außerehelichen Vater gestraft hat: Michael Sch., der sich mit einer gewissen Anna Maria Sch. „fleyschlich vergangen und sie geschwängert hat", muss seiner Grundherrschaft als Buße 5 Gulden und 15 Kreuzer zahlen, den Gulden zu 60 Kreuzer. Da 15 Kreuzer als der Taglohn eines gut bezahlten Facharbeiters gelten kann; macht die gesamte Geldbuße 21 Taglöhne, also schon eine ganz nette Summe aus. Nach der Abschaffung dieser „Fornikationsbußen" stieg in Haag die Zahl der unehelichen Neugeborenen in einzelnen Jahren auf mehr als ein Drittel, so etwa 1817, 1819, 1849, 1851, 1874, 1885, 1890 und 1918. Der gewaltige Anstieg dieser „Unehelichen" begann bereits um 1808. Hand in Hand damit geht aber stets ein Rückschlag bei den ehelichen Geburten. Die Ursachen für diesen weniger erfreulichen Tatbestand sind bekannt: die fehlenden Mittel des bäuerlichen Dienstpersonals, die Schwierigkeit, mit der oft vom Grundherrn eine Heiratserlaubnis zu erhalten war, und späte Hofübergabe machen vieles verständlich. Trotz dieses Mangels in der sozialen Verfassung, besonders der ärmeren, etwas unfreien Schichten war aber der sittliche Zustand bis 1790 in Haag weitaus befriedigender als in späteren Zeiten.
Die Taufnamen, mit denen unsere Haager Pfarrkinder ausgestattet wurden, wechselten allmählich mit den Jahrhunderten. Auffallend erscheint es, dass zwischen 1630 und 1660 im katholischen Taufbuch noch so viele Namen anzufinden sind, wie sie die Protestanten gerne ihren Kindern gaben: Israel, Susanne, Adam, Eva, Joachim, Emanuel, Salome, Daniel, Isaak, Abraham, aber auch Johann Adam, Johann Joachim, Johann Zacharias. Die Vorliebe für alttestamentliche, für biblische Doppelnamen, wie sie den Protestanten des 17. Jahrhunderts zu eigen war, verrät uns, dass bis 1660 doch noch ein starker protestantischer Einfluss in Haag wirksam war, der ohne weiteres auf Geheimprotestanten zurückzuführen ist, die ihre Kinder nur aus praktischen Gründen wie aus solchen der Schicklichkeit vom katholischen Pfarrer taufen ließen.
Von 1660 bis 1700 treffen wir aber schon typisch katholische Namen an: Johann, Matthias, Michael, Martin, Leonhard, Georg, Andreas, Wolfgang, Stephan, Jakob, Simon, Kaspar, Balthasar, Thomas und Bartholomäus sind die beliebtesten. Ihnen folgen als weitere gebräuchliche: Matthäus, Paul, Petrus, Sebastian, Markus, Melchior, Valentin, Koloman, Lorenz, Konrad, Christoph, Leopold und Agyd. - Die Mädchen hießen nach 1660 häufig: Maria, Kunigunde (es gab ja in Haag einen Kunigundenaltar, der Gemahlin unseres Kirchengründers Heinrich II. geweiht), Regina, Elisabeth, Katharina, Gertrude, Margareta, Magdalena, Barbara, Agatha, Susanna, Sibylla, Eva, Anna, Sophie, Dorothea und Christine.
Das Jahrhundert von 1700 bis 1800 führte die meisten dieser Namen in alter Tradition fort, aber einige neue rückten doch deutlich in den Vordergrund wie Josef, Ignaz, Anton bei den Knaben, Theresia und Anna bei den Mädchen. Nach 1800 wurden erst Ferdinand, Franz, Vinzenz, Adolf und Paul moderner, während Karl als Name. in Haag noch immer nicht sehr häufig gegeben wurde. Bei den Mädchen herrschten nach 1800 immer noch Maria, Barbara und Anna vor, aber auch Maria-Theresia, Cäcilia, Ludmilla und Notburga waren nicht selten.
Todesursachen und Krankheiten
Ein kleiner Blick ins Totenbuch möge uns noch etwas mit den Krankheiten vertraut machen, an denen unsere Haager in vergangener Zeit dahinsiechten. Mit Schrecken müssen wir die große Kindersterblichkeit feststellen, hervorgerufen durch mangelnde Reinlichkeit und ungeschulte Bader. Viele Kinder starben an Mehlmund, Krampfhusten (Keuchhusten), Häutige Bräune (Diphtherie). Bei den Erwachsenen zeigt sich als Todesursache vielfach Lungenentzündung, Lungenkrebs, Gedärmbrand (eingeklemmter Bruch), Brandige Bräune (Diphtherie), Entartung der Eingeweide (Krebs), Tuberkulose, Blinddarmentzündung, Nierenentzündung, Bauchskrofeln (Bauch-Tbc) und Blattern.
Die Türkenzeit
Der Jahresdurchschnitt an Sterbefällen beträgt für die Zeit von 1647 bis 1790 um 83 Tote, während von 1791 bis 1870 die Zahl der jährlichen Todesfälle auf 94, für die Periode 1871 bis 1949 auf 101 gestiegen ist. In der letzten Periode ist vor allem an das Blutopfer der zwei Weltkriege zu denken. Aber auch in früheren Zeiten hat der Krieg seine Auswirkung im Haager Gebiet gezeigt. Mehr als 150 Tote hatte Haag bereits in den Jahren 1742, 1772, 1809 (Franzoseneinfall) zu beklagen. dasselbe gilt für die Jahre 1664/65 (Einquartierungen), 1684, 1694/95 (Häutige Bräune), 1763 (Darmverschlingung), 1806 (Tbc, Notzeit) und 1858 (Blatternepidemie).
Zwischen Geburt und Grab jedoch pulst das arbeitsame Leben, bangt und hofft der Mensch. Während des Dreißigjährigen Krieges war es zwischen Österreichern und Türken noch zu keinem militärischen Zusammenstoß gekommen. Der Grund für die türkische Friedfertigkeit lag darin, dass der Sultan in den Krieg mit den Persern verwickelt war. Nun aber waren es die Ungarn, die den Erbfeind in das Habsburgerreich riefen, dass er den Protestanten ihres Landes hülfe, ihre Glaubensfreiheit zu bewahren. Es gelang zwar dem kaiserlichen Feldherrn Raimund Montecuccoli, das türkische Heer bei Sankt Gotthard an der Raab im Jahre 1664 entscheidend zu schlagen, aber damit war die Angriffslust des Feindes nicht gebrochen und 1683 wandte sich der türkische Großvesier Kara Mustapha mit 200.000 Mann nach Wien. Es kam zur allgemein bekannten und denkwürdigen Belagerung von Wien (1683) und nach dem Entsatz der Stadt zum siegreichen Vordringen der kaiserlichen Truppen. Das österreichische Heldenzeitalter mit Prinz Eugen als Feldherrn und Staatsmann zog herauf.
Einquartierungen
Wie wirkten sich diese kriegerischen Ereignisse im Pfarrsprengel von Haag aus? Im Jahre 1664 gab es bereits militärische Einquartierungen. Unsere Landschaft, an Getreide und Vieh so reich, war gewiss verlockend genug, kleinere militärische Einheiten zur „Selbstversorgung" dorthin zu verlegen. Die Kompanie des Hauptmannes Koller lag 1664 in Haag, und ein Gefreiter, namens Adam Schwanzer, wurde Vater eines Haager Kindes. Nach der Schlacht von St. Gotthard an der Raab wurde ein Teil des Regimentes des Generalwachtmeisters Fürst Marco Pio in Haag einquartiert und verblieb von 1665 bis 1671. Dieser lange Aufenthalt in der Haager Garnison verhalf einer Reihe von Mädchen zum Ehestand.
Die Haager Taufmatriken verzeichnen insgesamt 17 Kinder, deren Väter Soldaten dieses Regimentes waren. Johann Heinrich Wirlent wurde der Vater zweier Kinder und ebenso der Korporal Andreas Zötler, dem es in Haag so gut gefiel, dass er abdankte und als Inwohner in der Bürgergemeinde sein Leben fortsetzte. Einige der Soldatenkinder, die für Haag immerhin eine nennenswerte Blutzufuhr bedeuteten, brachten es in ihrem Leben zu einflussreichen Stellungen, oder wenn sie schon selbst nicht sozial aufstiegen, so hatten doch ihre Kinder dann das Glück. So war zum Beispiel der Großvater des späteren Salaberger Pflegers Wibmer ein Soldat des Marco Pioschen Regimentes. Daneben tauchen 1668 auch zwei Angehörige des Regimentes Graf Siegbert von Heister in Haag als Soldatenväter auf: der Reiter Stephan Leitgeb und der Wachtmeister Hans Steinhagen.
Soldatenkinder
Von 1672 bis 1678 lag im Markte Haag und in der Umgebung keine Garnison. Aber schon 1678 herrschte hier wieder reges Soldatenleben. Franz Ferdinand, Graf von Salburg, der Schlossherr auf Salaberg, brachte nun seine Soldaten bei uns ins Quartier. In den Taufmatriken wird neben der „Salaberger Kompanie" auch noch die Kompanie „Ebner" erwähnt, und Soldaten beider Kompanien wurden wieder Kindesväter. Nach einer einjährigen Pause werden wir aus den Matriken mit einer anderen in Haag liegenden Heeresabteilung bekannt, und zwar mit dem kurpfälzischen Reiterregiment des Grafen Taaffe. Johann Winter hieß ein Reiter, der in Haag Vaterfreuden erlebte. Bis in das Jahr 1687 hinein bevölkern fremde Regimenter das Haager Gebiet, zuletzt war es ein lothringisches Regiment, das reges Treiben und neues Blut in die bürgerliche und bäuerliche Bevölkerung Haags brachte. Die Namen all der Soldatenkinder aufzuführen, würde zuviel Platz einnehmen und für die heutige Generation zu uninteressant sein, da ja die meisten dieser Kinder gar nicht in Haag blieben; nur einige wenige begründeten in Haag eine Familie, die über Generationen hinaus sich erhielt.
Immerhin haben die Einquartierungen auch große Gefahren für Haag bedeutet. Die Ansammlung von Menschenmassen in Notquartieren konnte leicht zu Krankheiten, zu Epidemien und Pestwellen führen.
Pestgefahr und Peststiftung
So beherrschte im Jahre 1679 die Furcht vor der Pest die Gemüter. In vielen Ortschaften unseres Niederösterreich wütete sie. Wer von auswärts nach Haag kam, musste sich zur Feststellung seines Gesundheitszustandes längere Zeit hier aufhalten und konnte erst nach Vorweisen eines Gesundheitspasses weiterreisen, Dank der Vorsichtsmaßnahmen blieb Haag verschont. Pfarrer Edelwehr, ein Kanonikus aus Bamberg, der als Pfarrer von Haag vom Passauer Ordinariat zur Untersuchung der wunderbaren Vorgänge in Christkindl bei Steyr bestellt worden war, hat zum Dank für die Verschonung vor der Pest die Haager Bürger zu einer Stiftung bewogen. Sie lautet: „Ein löbl. Marktgericht und ganze Gemeinde des allhiesigen Markt Haag hat der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu immerwährenden Dankbarkeit, dass Gott der Allerhöchste diesen Markt von der anno 1679 in diesem Lande fast aller Orten erschrecklich gehabten Pestilenz so gnädig und väterlich errettet hat, auch fürohin und zu ewigen Zeiten noch gnädiglich bewahren wolle, ein ewiges Lobamt gestiftet, welches Lobamt allwegen am Erchtag nach dem Allerheiligsten Dreifaltigkeitssonntage in allhiesiger Pfarrkirche am Hochaltar gehalten werden und dabei ein ehrsamer Rat und ganze Gemeinde zu mehrerer erbaulicher Andacht zum Opfern gehen sollte. Es hat sich auch eine löbl. Markt- und Bürgerschaft verpflichtet, am Sonntag der Allerheiligsten Dreifaltigkeit sechs weiße Wachskerzen, so ein Gewicht von anderthalb Pfund wägen sollten, aufzuopfern und dabei auch diesen heiligen Sonntag mit Opfergaben zu verehren. Für dieses Lobamt soll allwegen ein ehrsamer Rat und Bürgerschaft allhier schuldig und verbunden sein, jedesmal dem allhiesigen Pfarrer 45 Kreuzer, dem Herrn Capelan 30 Kreuzer, dem Organisten, Cantor und Mesner jedem 15 Kreuzer, zusammen aber zwei Gulden bezahlt werden ... So geschehen den siebenten Monatstag Juni 1680.
Brand der Pfarrscheune
Ein weiteres Gefahrenmoment bei der ständigen Einquartierung von fremden Soldaten lag darin, dass leicht Brände ausbrechen konnten. So stand 1686 durch die Unvorsichtigkeit durchmarschierender Soldaten die Pfarrscheuer in Flammen, und Pfarrer Edelwehr musste im folgenden Jahre eine neue außerhalb des Marktes (neben dem heutigen Kindergarten) erbauen lassen.
Doch dürfte die Anwesenheit von kaiserlichen Soldaten während der Türkenzeit auch sein Gutes gehabt haben. Die Feinde gelangten nicht in die Nähe Haags und aller Schrecken wurde gebannt, als ihre streifenden Scharen bei Waidhofen an der Ybbs und Weyer über das Gebirge gejagt worden waren. Wenn im Haager Pfarrmemorabilienbuch, das 120 Jahre später entstand, sich auch der Vermerk befindet, dass viele Gefangene aus Aschbach, Haag und Ernsthofen durch einen glücklichen Ausfall der Waidhofner befreit worden sind, so liegt hierin vermutlich ein Irrtum vor. Das geschilderte Ereignis hat sich bereits 1532 abgespielt und wurde vom Verfasser des Pfarrmemorabilienbuches zu Unrecht auf das Jahr 1683 datiert.
Zusammensetzung des Marktrates
Wenngleich die stürmische Kriegszeit die Haager Bürger in Atem gehalten hat und sie zur Errichtung von Türkenschanzen zwang, ging doch Leben und Arbeit den gewohnten Gang. Der Marktrat änderte sich in seiner Zusammensetzung nicht sehr. Von den siebzehn ratsbürgerlichen Familien, die uns vor 1660 begegnet sind, verblieben auch in der Türkenzeit nachweislich sieben im Marktrate. Das älteste ratsbürgerliche Geschlecht, die Eder, sind selbstverständlich darin vertreten. Sie waren auch noch im selben Berufe, nämlich als Färber, tätig. Außerdem hielten sich als Mitglieder des Rates die Bräuerfamilie Veit, die Bäcker Steinmüllner, Fux und Wallner, der Wirt Scheiblauer und der Hufschmied Flachenegger. Neu kamen hinzu: der Lederer Martin Adam Blumauer (oder Blaimauer), die drei Bäckermeister Paul Frankh, Hans Hirsch und Adam Ammerer, die alle schon eine Generation früher dem Haager Bürgerstande angehört haben. Weitere sechs neue Ratsbürger schienen in den Haager Matriken vorher überhaupt nicht auf: der Handelsmann Jakob Wittmann, die Gastwirte Johann Binderdingen, Johann Adam Schwarzriegl, der Hufschmied Philipp Eggmaier, der Fleischhacker Wolfgang Klesdorfer und der herrschaftlich Rohrbachische Untertane Georg Wester, der freilich bloß als „Ratsverwandter" oder „Ratsfreund" galt.
Dass der Gemeinderat für Bildung und Kunst etwas übrig hatte, beweist der Geleitbrief, den er Simon Eder, dem Sohne des Ratsbürgers Georg Eder, für die Wanderfahrt in die Schweiz ausstellte. Eine schöne Einnahme wusste der Rat für die Gemeinde zu sichern: die Einhebung der Standgelder an den Jahrmärkten wurde ihm 1684 von Pfarrer Edelwehr gegen Verabfolgung eines Unschlittdienstes überlassen.
Halten wir nun über die berufliche Zugehörigkeit der Haager Ratsbürger von 1660 bis 1690 Umschau, so stellen wir fest, dass sich gegenüber der früheren Periode folgendes geändert hat: Gleich stark vertreten erscheinen die Lederer und Färber, zurückgegangen sind die Bräuer, gänzlich fehlen im Rat die Müller, Hafner und Leinenweber. Dafür sind aber die Gastwirte und Bäcker wie die Hufschmiede zahlreicher im Rate, neu hinzu kam ein Handelsmann und ein Fleischhauer. Die Vermögensbildung im Gast-und Lebensmittelgewerbe war also gestiegen, was auf die Zunahme des Verkehrs im Markte Haag schließen lässt.
Berufe der Bürger
Auch in der beruflichen Zusammensetzung der Haager Bürgerschaft ergeben sich einige Unterschiede. Von den fünf bürgerlichen Bräuherren, den ratsbürgerlichen Georg Veit nicht mitgerechnet, überdauert nur die Bräuerfamilie Weinberger die frühere Periode. Die anderen Bräuherrnfamilien: Purckholzer, Wanner, Schmidt und Flammermüllner sind neu. Ähnlich steht es bei den Gastwirten; von ihnen verblieb nur Johann Heininger, vermutlich der Sohn des früheren Ratsbürgers Georg Heininger.
Fleischhauer und Bäcker
Die Bäckerfamilie Wallner, die schon früher als angesehenes Ratsbürgergeschlecht galt, führt nun zusätzlich einen Gasthausbetrieb. Als neuer Gastwirt scheint neben Schwarzrigel, Scheiblauer und Binderdingen der Gastwirt Georg Werber auf. Sesshafter erwiesen sich die Bäckergeschlechter. Sieben alte Bäckerfamilien finden sich auch in der von den Türkenkriegen erfüllten Zeit vor: Triebl, Märzenberger, Frank, Steinmüllner, Ämmerer, Wallner und Fux. Die Familie Hirsch, die uns bisher nur als Gastgeb bekannt war, sattelte auf das Bäckergewerbe um. Georg Fellner, Georg Gartner und Matthias Etlinger sind drei neue Bäckermeister. Bei den Fleischhauern fällt ein ungleich rascherer Besitzwechsel auf: nur Andreas Märzenberger hielt an seinem Berufe fest, die Etlinger dürften ihn aufgegeben haben. Adam Traunmüllner war allerdings schon früher Fleischhauer in Salaberg und ist inzwischen in den Markt gezogen, wo er 1663 als Bürger auftaucht. Der Ratsbürger Wolfgang Klesdorfer, die Bürger Moderleitner, Zöchmann und Bauer, dieser als Neideggischer Herrschaftsuntertane, kommen neu als Fleischhauer vor.
Unter den Krämern und Handelsleuten tauchten neue Namen von Berufsträgern auf, voran die Handelsleute Jakob Wittmann und Matthias Mayr, ferner die Krämer Mörkendorfer, Cappauner und Foxberger.
Die bürgerlichen Meisterstühle der Lederer und Gerber blieben der Zahl nach gleich, wenn auch hier die Namen wechselten.
Sattler und Kürschner
Lichtl und Feilmair hießen zwei neue Weißgerber. Ein neuerblühtes Gewerbe im Markte Haag, die Sattlerei, übten zwei Bürger, nämlich Hans Holzer und Laurenz Plößner, aus. Die Sattlerwerkstätten zeigen deutlich, dass im Markte Haag und in seiner Umgebung die Pferdehaltung verhältnismäßig groß gewesen sein muss und dass eine Nachfrage nach barocken tapezierten Möbeln nicht nur in den Schlössern, sondern auch in einigen Haager Bürgerhäusern bestanden hat. Die Kürschnerei des Bürgers Pirkenlechner scheint an Augustin Eybel übergegangen zu sein, während die Schuster oder Schuhmacher als ein verhältnismäßig sesshaftes Element ohne viel Besitzveränderung zu gelten haben. Sie hießen Reiter, Pimbser, Kirchpichler, Lempöcker, Hözner und Obermayer.
Schneidermeister gab es allein im Markte, genügend (Stampfhofer, Schalnperger, Spändl, Stani), abgesehen von den außerhalb des Marktes wohnhaften. Drei Huterer (Pichler, Schwan und muss) sorgten für die nötige Kopfbedeckung.
Weber
Sehr gut hielt sich auch während der Türkenzeit die bodenständige Leinenweberei. An bürgerlichen Meistern unter ihnen stammen aus früherer Zeit die Namen Schauberger, Millberger, Schönbrunner, Grafenberger und Artner. Zwei Weberfamilien, die bisher außerhalb der Burgfriedensgrenze saßen, ließen sich im Markte nieder: Grabner vom Bauernhofe Langengitter und Stigler Martin. Neun weitere Weber tauchen als Neubürger auf: Michael Aichinger, Hans Jäger, Urban Kirschner, Jakob Schreiner, Thomas Grafenberger, Hans Mayr, Bartlmär Löthner (Lettner), Georg Kaischel und Christoph Driebel.
Hafner
Einen uneingeschränkten Fortbestand hatte vorläufig (bis 1700) auch noch das alteingesessene Gewerbe der Hafner. Die acht Hafnerwerkstätten im Markte trugen folgende Namen: Dienssböck (vormals in Klingenbrunn), Gruber, Hierbaumer (beide schon vor 1648 im Markte) und Wilner, Piringer, Hagnauer, Gstättner und Stainer.
Während die zwei Hufschmiede (Flachenegger und Eggmayr) einen recht guten Geschäftsgang gehabt haben, konnte sich anderes eisenverarbeitendes Gewerbe in Haag nicht erfolgreich entfalten. Nur Adam Sailer und dann sein Sohn (?) Christoph betrieben eine Schlosserei.
Nach wie vor blühte auch das für die Lagerung des Mostes so wichtige Binderhandwerk, vertreten durch Braunsberger, Renner und den neu hinzugekommenen Familien Rößlberger, Amman, Eger und Mayr.
Andere Berufe
Mit der Aufzählung dieser Namen sind jedoch die im Markte Haag vorhandenen Berufsguppen keineswegs erschöpft. Da gab es noch Wagner, Tischler, Glaser und Brunngraber. Zwei Bader, an Stelle der heutigen Ärzte, wachten über die Volksgesundheit. Als Angestellte der Pfarre, des Marktes oder der Salaberger Herrschaft fungierten Mesner, Schulmeister, Organist und Kantor einerseits, Gerichtsdiener, Marktdiener (Schreiber), Wächter, Nachtwächter und Förster andererseits. Der Pfarrer hat außerdem noch einen Gärtner (Martin Hueber) und einen pfarrischen Amtmann (Michael Edlmayr) bestellt, der von den Gehöften, die dem Pfarrhofe dienstbar waren, den sogenannten Pfarruntertanen, zu den üblichen jahreszeitlichen Terminen den Naturalzins und den Gelddienst einzutreiben hatte; auch er war Bürger und Hausbesitzer im Markt.
Übersehen wir aber bei dieser Fülle von Berufen nicht, dass auch auf dem offenen Lande, in den einzelnen Dörfern und Bauernrotten der Pfarre Haag, nach wie vor die Mühlen klapperten, Schuster und Schneider ihr Handwerk betrieben, die Webstühle in Tätigkeit waren, Hafner, Schmiede und Wagnermeister neben einigen Wirten ihr Brot leicht verdienen konnten. Nur der Platzmangel und die Gefahr der Eintönigkeit verbieten eine weitere Anführung von Namen und Werkstätten, die sehr umfangreich ausfallen müsste.
Absinken des Handwerks
So hat Haag in seiner weiteren Entwicklung eine Hochblüte des Handwerkes und Gewerbes in der Zeit von 1700 bis 1730 erlangt. Dann begann allmählich die Hafnerei in ihrem Umfange abzusinken, gegen Ende des 18. Jahrhunderts musste die Weberei ihren Niedergang erleben. Dafür versuchten die Haager es mit einem neu eingebürgerten Gewerbe, zu dem sehr viel Handfertigkeit und Geschick gehörte.
Spitzenwinkler Uhren
Im Hause Schodermayr in Spitzenwinkel, Katastralgemeinde Radhof, erstand eine Erzeugungsstätte der „Spitzenwinkler Uhren", die sich zwischen 1730 und 1790 ob ihrer Gediegenheit überall in Haags Umgebung einer großen Beliebtheit erfreuten. Auch die Herstellung von Riemenzeug, von Kesseln und Holzschüsseln, die nun in Haag begonnen wurde, scheint teilweise ein Ersatz für aussterbende Berufe gewesen zu sein; und konnten die vorhandenen Tonlager nicht mehr für die Erzeugnisse der Hafnermeister ausgenützt werden, so sollten sie wenigstens zum Ziegelbrennen verwendet werden. Bei vielen Bauernhäusern erhoben sich um 1750 kleinere, private und zum Haus gehörende Ziegelbrennereien.
Die Haager Erzeugnisse fanden ihren Absatz hauptsächlich in der nächsten bäuerlichen Umgebung, seit das „Kraxentragen ins Oberösterreichische" (nach 1620) nicht mehr möglich war. Der fruchtbare Boden, die ausgeglichene Wirtschaft unserer stattlichen Bauernhöfe, sind der Untergrund, auf dem sich im Markte eine solche Vielfalt von Berufen lebensfähig entwickeln konnte.
Bäuerliche Besitzer
Aber auch auf den Bauernhöfen der Herrschaften Salaberg und Rohrbach wechselten die Besitzernamen verhältnismäßig rasch. Einheiraten und Verkäufe, selbstverständlich unter Zustimmung der Grundherren, waren gar nicht so selten. Nur wenige Hofbesitzer können sich rühmen, dass ihr Geschlecht schon sehr weit zurückreicht und dass ihr Name seit Jahrhunderten am selben Haus haftet. Denn auch für die bäuerlichen Geschlechter gilt ungefähr derselbe Lebensrhythmus, den wir schon beim Landadel kennengelernt haben, wo einem knappen Jahrhundert, in dem die Kölnpeck auf Salaberg saßen (ungefähr 1530 bis 1620), zwei Jahrhunderte mit den Salburg als Besitzern (1620 bis 1814), aber in verschiedenen Linien, und dann wieder ein Jahrhundert der Sprinzenstein folgten.
Um ein sehr erwähnenswertes Beispiel für den bäuerlichen Besitzwechsel zu bieten, sei notiert, dass Stephan Lichtenberger durch seine Ehe mit Margareta Samhuberin im Jahre 1670 auf die Samhub zog, wo seine Nachkommen durch 250 Jahre hindurch am selben Taufnamen Stephan festhielten. Die Kronawetter in der Reichhub können gar ihren Familiennamen bis 1640, auf dem selben Hofe haftend, zurückführen, die Familie Geiblinger (Hausname Böllabauer) bis 1700. Während also die Hofnamen selbst vielfach bis ins 14. und sogar 13. und 12. Jahrhundert zurückgehen (vergl. die Kapitel III, IV und V), reichen die Geschlechter und damit die Familiennamen der Hofbesitzer nur selten über zweihundert Jahre in die Vergangenheit. Immerhin saßen im 18. Jahrhundert (etwa um 1780 oder zur Zeit Maria Theresias) schon folgende Geschlechter auf ihren Höfen. Leider kann hier nur eine mangelhafte Liste geboten werden. (Vergleiche die Bauernhöfe im Kapitel „Obersichten".)
Alte Bauerngeschlechter Haags
Edlinger in Imberg
Gerstmayr Josef, KG. Heimberg
Gerstmayr Georg in Zezenberg (anno 1790)
Geiblinger (Pöllabauer), KG. Salaberg
Heuraß, Mayrhofen
Holl Johann in Kroißboden (Lehermayr)
Jochinger in Imberg
Kammerhofer in Werkgarn
Kreismayr, KG. Gstetten (Paga)
Kronabetter, KG. Reichhub, Rotte Klaubling
Kogler, Mayr in Hochwall
Lampersberger in Hochwall
Lichtenberger in Samhub
Lugmayr in Maierhofen
Nagelstraßer in Pinnersdorf
Oberaigner in Göblitz und Ziegelstadel
Öhlinger in Klaubling
Reichhuber (Schmiedhub), KG. Schudutz
Schleindlhuber (Fehraberg), KG. Radhof
Schöllhammer in Fehraberg
Stöckler (Sindhub), KG. Edelhof
Sturm (Stammhaus des jetzigen Bürgermeisters), KG. Heimberg
Voglmayr in Gstetten
Auf ein weiteres Beispiel für den Hofbesitzerwechsel sei mit dem Bauernhofe „Adlberg" verwiesen. Dort hießen die Besitzer bis 1802 zunächst Alteneder (Josef, Franz, Karl) und Holzner (Michael, Sebastian, Martin), ab 1802 bis heute folgte die Familie Hirsch.
Wirtschaftskraft Kirchenrenovierung
Nicht nur Geschäft und Umsatz der Haager Bürger fußen auf der Wirtschaftskraft unseres Bauerntums, weshalb Haag mit Recht eine aus dem Bauerntum erwachsene und von ihm genährte Stadt genannt werden kann, sondern auch die Finanzkraft des Haager Pfarrers und damit alle Möglichkeiten, Kirche und Pfarrhof schön herzuhalten.
So konnte Pfarrer Veit Daniel Götz (1689-1727) gleich ein Jahr nach seinem Amtsantritt die Pfarrkirche renovieren lassen. Er war am 18. Jänner 1653 in Deutschland geboren, Theologiedoktor, apostolischer Protonotar und Kanonikus von St. Stephan in Bamberg und wurde am 28. Juni 1688 für Haag vorgeschlagen, aber erst im Jänner 1689 eingesetzt. Im Jahre 1690' ließ er die Kirche an der Seite des Marienaltares mit größeren Fenstern versehen und an Stelle dreier älterer Glocken andere von größerem Gewicht anbringen. Auch für den Pfarrhof hat er gleich bei seinem Amtsantritt Bedeutendes geleistet, indem er 300 Gulden zur Verfügung stellte, die baufälligen Altane herrichten ließ, ein feuersicheres Archiv anlegte, den Körnerkasten herstellte und die Pfarrerwohnung mit Gipsstukkatur zu schmücken befahl.
Die Pest 1713
Unter Pfarrer Götz erlebte Haag 1713 den Schrecken der Pest. In 18 Fällen brachte sie den Pfarrkindern den Tod", und wo sie einkehrte, räumte sie gründlich aus. So starben am Fellnergut „enters Wald" der Besitzer Sebastian Hochwallner, seine Gattin Magdalena und zuvor schon die Söhne Hannes und Matthias, die Tochter Katharina und die Krankenwärterin Eva Achberger (sechs Personen). In der Hartlmühl-Hofstatt war die Pest gleichfalls unbarmherzig und holte Adam und Eva Mädler, ihr Kind Georg und den Landschmied Simon Grafenberger (vier Personen). Im Höchtlholz sanken dahin: Kunigunde Kierweger (Kirchweger), Margareta Fürleitner, „ein armes Mensch beim Zauchabauern". Matthias Poham in Holzschachen und des Hofgärtners zu Salaberg Söhnlein Georg Paterlono lagen auf der Bahre (vier Personen). In der Hofstatt beim Bach erlosch das Leben bei Martha Kapler, bei Katharina Felbinger und ihrer Tochter Eva; schließlich musste der Totengräber Adam Richersdorfer selbst daran glauben. Alle Toten wurden gleich zu Hause eingegraben, dort, wo sie gestorben sind. Eine strenge Quarantäne verhinderte so das weitere Umsichgreifen der Epidemie.
Pfarrer Götz und seine Stiftungen
Sie dürfte der Anlass gewesen sein, dass Pfarrer Veit Daniel Götz an das Testamentmachen dachte. Im Dezember 1713 stiftete er testamentarisch dem Schullehrer 65 Gulden jährlich, damit er die Kinder im Lesen und Schreiben unentgeltlich unterrichte. Für den Rechenunterricht als eine besonders schwere Sache durfte er eine besondere Entlohnung fordern. Das erschütternde Erlebnis des nahen Todes wirkte nach: im Jahre 1717 stiftete Pfarrer Götz um 1500 Gulden Messen in der Steyrer Dominikanerkirche, im Jänner 1721 um 1000 Gulden in der Lorettokapelle der Franziskaner zu Grein, im Mai 1725 jährliche Messen für sich in der Stiftskirche zu Seitenstetten und am Karfreitag 1726 erlegte er testamentarisch eine Stiftung auf 400 Messen in der Pfarrkirche zu Haag und ernannte sie und die dortigen Pfarrarmen zu seinen Universalerben.
So gab er ein typisches Beispiel für eine echt barocke Arme-Seelen-Fürsorge, wie sie nur einer glaubensstarken, vom Überschwang getragenen Zeit möglich war. Aus diesen Stiftsbriefen geht auch hervor, wie der Sonntagberg, Mariazell und Maria-Taferl als barocke Wallfahrtsorte in Haag geschätzt wurden.
Am 30. März 1727, nach so gründlicher Fürsorge für sein Seelenheil, starb Pfarrer Götz, und Johann Baptist Gnau, ein Kanonikus aus der Mainzer Diözese, zog in Haag als Pfarrer ein (1727-1758). Zu seiner Zeit erlebten die Österreicher die angestrengte Obsorge Kaiser Karls VI., der im Falle seines Absterben seine Länder sicher in die Hände seiner jungen Tochter Maria Theresia übergeben wissen wollte. Alles Bemühen des Kaisers um Anerkennung der Erbfolge war umsonst. Er hatte die Augen geschlossene und schon überfielen länderhungrige Fürsten das österreichische Gebiet und setzten Maria Theresia in arge Bedrängnis.
Haag als Kriegsschauplatz 1742
Auch Haag sollte vorübergehend zum Schauplatz des Kampfes werden. Kurfürst Karl Albert von Bayern zog am 15. September 1741 im Linzer Schloss ein und seine Truppen rückten noch im selben Monat gegen Steyr, Am 18. September nahm er die Stadt ein. Die Bayern und die mit ihnen verbündeten Franzosen besetzten Kronsdorf. Feldmarschall Khevenhüller musste im Auftrage Maria Theresias die Gegenaktionen leiten und den Feind zurückzudrängen versuchen. Zu diesem Zwecke errichtete er am 29. Dezember 1741 sein Hauptquartier in Haag, wo er sein Armeekorps besichtigte und in drei Divisionen teilte. Bei der Armee in Haag befand sich auch der berüchtigte Freiherr von der Trenk (der Pandur). Schon am 30. Dezember konnte General Graf Mercy, der berühmte Besiedler des Banates, mit seiner Kavallerie bei Losenstein über die Enns rücken und am selben Tage zog Khevenhüller von Haag nach Brunhof. Am Morgen des Silvestertages, an dem statt freudiger Böllerschüsse ernster Kanonendonner die Luft erzittern ließ, wurde unweit des Schlosses Dorf an der Enns eine Schiffsbrücke für die Artillerie geschlagen. Während noch in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 1741 die vereinigten Bayern und Franzosen einen Angriff auf Haag versucht hatten, überfiel am letzten Tag bereits General Bärenklau mit Kavallerie und Infanterie den Feind in seinen Schanzen am jenseitigen Ennsufer; der verließ die Stellung fluchtartig, bereitete bei Kronsdorf den unseren noch ein kleines Gefecht und wurde dann endgültig zurückgeschlagen.
Ein zweites Mal, im Spätherbst 1742, musste Haag in den Verteidigungszustand gesetzt werden; ein neues feindliches Aufgebot beunruhigte die Gegend um Steyr. Haag wird von Oberösterreichern zum Schutze gegen die Franzosen besetzt, bald aber rückte die gefährliche Streitmacht in die Ferne und im folgenden Jahr fanden nur mehr Kämpfe in Bayern selbst statt. Haag war verschont geblieben und hat höchstens durch die eigenen Truppen wirtschaftliche Schäden erlitten.
Restaurierung des Kircheninneren
Nach den Kriegszeiten konnte Pfarrer Gnau daran denken, die Restaurierung der Kirche, die von seinem Vorgänger, Pfarrer Götz, begonnen ward, fortzusetzen. Pfarrer Gnau und Georg Sigmund Wibmer, der Pfleger und Landgerichtsverwalter der Herrschaft Salaberg, als Vertreter des Vogtes zu Salaberg einerseits und der Linzer Baumeister Johann Matthias Krimmer andererseits Schlossen im Jahre 1743 einen Bauvertrag. Krimmer sollte den Hochaltar von Grund auf neu errichten, aber so, dass Altarstein und Hochbau freistanden und bei Umgängen wirklich rundherum gegangen werden konnte. Die drei Altarstufen sollten aus Salzburger Marmor in drei verschiedenen Farben, rot, grünlichrot und weiß, angelegt werden. Krimmer musste Arbeiter und Baumaterial selber stellen und mit der Durchführung bis Michaeli 1744 fertig sein, die Pfarre hingegen hatte umsonst Gips, Ziegel, Kalk und Sand zu liefern und das Fuhrwerk für den Marmortransport ab Piburg bereitzuhalten. Bis dorthin wurde der Marmor auf dem Inn und der Donau transportiert. Das vorhandene Altarblatt, vermutlich jenes barocke Gemälde, das die Kirchengründungssage mit dem weisenden Stier (siehe Kapitel VI) darstellte, musste beibehalten werden. Die Kosten des Hochaltarbaues beliefen sich auf 4000 Gulden. Leider wurde der schöne barocke Hochaltar unter Pfarrer Seeland um 1890 zu Gunsten eines weniger wertvollen neugotischen Altares beseitigt.
Im Zusammenhang mit der Barockisierung des Kircheninnern ließ Pfarrer Gnau auch die Seitenkapellen abbrechen und an den Musikchor die beiden Emporen anbauen. „Das Oratorium der Grafen von Salaberg, wunderbar in die Architektur der Kirche gefügt, verdanken wir dieser großen Bauzeit. Doch auch viele der Statuen, die heute noch unsere Kirche zieren: Maria Himmelfahrt, die Schmerzhafte Gottesmutter, St. Sebastian, St. Florian haben uns die innig-frommen Haager von damals geschenkt. Von den Gemälden sind nur mehr ein Bild der Himmelfahrt Mariä und eines von den Vierzehn Nothelfern erhalten," Die Verehrung des heiligen Florian und der Vierzehn Nothelfer entsprach ganz dem Geschmacke der barocken Zeit.
Als Pfarrer Gnau, ein achtzigjähriger Greis, der dreißig Jahre in Haag gewirkt hatte, starb (22. 4. 1758), hinterließ er eine in jeder Hinsicht schöne Kirche. (Konnte sie überhaupt seither noch einmal mit so viel Geldmitteln dem Kunstempfinden der Zeit gemäß eingerichtet werden?) Kooperator Christoph Reisinger, der schon unter Pfarrer Gnau in Haag gewirkt hatte, erhielt nun die Führung der Pfarre (1758-1769). Er war hier von 1745-1756 Kooperator, dann zwei Jahre Provisor gewesen und brauchte zur Verschönerung der Kirche nicht mehr sehr viel zu unternehmen. Er schaffte 1758 die große Monstranze um 1000 Gulden, dazu sechs silberne Leuchter und ein Kreuz um mehr als 2000 Gulden an und ließ im Jahre 1763 auf seine Kosten die von Nikolaus Rummel in Linz gebaute Orgel beistellen.
Aufklärung: Auswirkung auf Haag
Es ist eine Tatsache, dass Mode, Zeitströmung, innere Einstellung und Stilgefühl zuerst in den großen Städten ihre Ausprägung erfahren und dass es mitunter eine ganze Generation braucht, bis dieser „Zeitgeist" unter den Bürgern der Märkte und noch später unter den traditionsgebundenen Bauern eingebürgert, gleichsam angewöhnt erscheint. In Wien war die hohe Zeit barocken Bauens und Fühlens schon vorüber, als sie in Haag zwischen 1740 und 1750 ihren Gipfel erreichte. Von Wien her drängte bereits ein vollständig anderer Zeitgeist, die Aufklärung, welche um 1750 die kulturell und gesellschaftlich zuhöchst stehenden Schichten, Regierung und Adel, erfasst hatte. Alles Überschwängliche im Beten und Singen, im Bauen und in der Lebensführung sollte einer Art und Weise weichen, die rein aufs Praktische, bloß durch die Vernunft und nicht durch das Gefühl Diktierte gerichtet war. Die aufgeklärten Weisungen und Anleitungen, die nun von den Wiener Regierungsstellen in der Zeit Maria Theresias (1740-1780) an die Ohren der Haager Bevölkerung klangen, konnten hier, wo alle noch ganz im Barock weilten, wenig Bereitwilligkeit finden. Gewiss mussten sie, als von der Obrigkeit kommend, pflichtschuldigst durchgeführt werden. Alles jedoch lässt sich durch Regierungsdekrete nicht regeln, und wo das Volk nicht will, findet es immer seine Auswege.
Entstehung der Bauernfeiertage
Maria Theresia ließ, zunächst aus rein praktischen Erwägungen, die große Zahl der Feiertage beschränken. Mit landesfürstlichem Patent vom 1. September 1753 wurden alle Apostelfeste mit Ausnahme des Peter-und-Paul-Tages, mehrere Marientage, dann die Tage Anna und Josef, Johann der Täufer, Maria Magdalena, Georg, Laurentius, Michael, Martin, Katharina, Nikolaus, Osterdienstag und Pfingstdienstag als Feiertage aufgehoben. Das waren gerade die Tage, an denen viele Haager ihren Namenstag feierten. Die Bauern ließen sich nicht vorschreiben, wann sie Feste halten sollten, und besonders in der Haager Gegend wurden diese Tage weiterhin als „Bauernfeiertage" treu eingehalten.
Mehr Verständnis fand die Maria-Theresianische-Schulordnung 1769/70. Laut Verordnung mussten nun in allen Orten, wo sich eine Pfarrkirche befand, sogenannte „Trivialschulen" bestehen. In Haag war es nicht mehr nötig, eine zu errichten. Sie bestand schon seit ungefähr 1590, Pfarrer Götz hatte bereits 1713 für eine Schulgeldbefreiung aller Schüler, soweit sie bloß Lesen und Schreiben lernen wollten, gesorgt. Vermutlich war aber durch die nun bestehende Schulpflicht aller Kinder doch eine Erweiterung der Schule um eine Klasse notwendig geworden; neben dem eigentlichen Schulhaus, dem gleichzeitigen Mesnerhaus, musste wahrscheinlich ein weiteres Lehrzimmer in dem am Platz befindlichen „Weiß-Haus" (Konskr.--Nr. 52) eingerichtet werden. Auch im Hause Nr. 42 (Buchbinder Huber) dürfte sich gegen Ende des Jahrhunderts ein Lehrzimmer befunden haben.
Aufhebung der Christenlehrbruderschaft
Um das Schulwesen beim Volke möglichst populär zu machen - nicht alle Orte waren so wie Haag schulfreundlich eingestellt -, durfte nirgends ein Schulgeld verlangt werden. Hingegen sollte das Vermögen frommer Bruderschaften für die Schulerhaltung herangezogen werden. Eine solche, die „Christenlehr-Bruderschaft", befand sich auch in Haag. Pfarrer Georg Glett (Glött) -1769 bis 1790 , Geistlicher Rat und ursprünglich Stadtpfarrer zu Grein an der Donau, führte mit seinen beiden Kooperatoren (Franz Männer und Leopold Mock) die Bruderschaft, die aus 63 Pfarrkindern bestand. Kaiser Josef II. verfügte jedoch 1783 die Aufhebung der Christenlehr-Bruderschaft und die Einziehung ihres Vermögens zum Zwecke der Schulerhaltung. Das Vermögen der Christenlehr-Bruderschaft zu Haag bestand bei ihrer Auflösung in 61 Gulden, 21 Kreuzern. Die jährlichen Einkünfte betrugen in diesem Jahre 80 Gulden, 50 Kreuzer, die Ausgaben 76 Gulden, 33 Kreuzer: ein nettes Beispiel für katholische Aktion und Gebefreudigkeit in Haag. An Stelle der aufgelösten Bruderschaft musste nun in allen Orten eine „Bruderschaft von der tätigen Nächstenliebe" eingerichtet und gleichzeitig mit dem Armeninstitut verbunden werden. Da die Fürsorge für Schule und Unterricht nunmehr den Haagern entzogen war, hatten sie an der neuen, vom Kaiser empfohlenen Bruderschaft nur mehr wenig Freude und gewöhnten sich die Mitarbeit in öffentlichen Anliegen allmählich ab. Der Sinn für Demokratie und Selbstverantwortung starb im Zeichen des Absolutismus.
Umpfarrungen
Alles organisch Gewachsene und geschichtlich Gewordene wich einer neuen Ordnung des bloß Nützlichen. Hat seit dem 11. Jahrhundert die Pfarrgrenze von Haag ungefähr übereingestimmt mit dem geschlossenen Besitz der bischöflich-bambergischen Hofmark Haag, so wird mit den Aus- und Umpfarrungen das lebendige geschichtliche Wissen um die gemeinsame Herkunft und Zusammengehörigkeit zerstört. Die Herrschaft Rohrbach, aus einer bambergischen Untervogtei entstanden, wird zum größten Teil aus Haag ausgepfarrt und der Pfarre Weistrach einverleibt. Gewiss geschah es zum Vorteile der Bauern, die nur wenige Minuten von Weistrachs Kirche entfernt wohnten und doch pfarrlich zu Haag gehört hatten.
Bereits im Jahre 1778 wurden 26 Häuser mit 149 Seelen, dann 1783, im Hauptjahre der Umpfarrungen, 14 Häuser mit 87 Menschen und im Jahre darauf noch einmal 58 Häuser mit 318 Personen in die Pfarre Weistrach einverleibt, zusammen 98 Häuser mit 554 Seelen. Betroffen waren davon die Rotten: Holzschachen (Nr. 114), Gmärk (Nr. 1-7), Zauchahof (Nr. 8-16), Rohrbach (Nr. 1-6), Reithäusl (Nr. 1-11), Windberg (Nr. 1 -4), Widderlehen (Nr. 1-5), Allatzberg (Nr. 1-14), Höchtlholz (Nr. 1-9), Fellnerrotte (Nr. 1-3), Fahrbach (Nr. 1-4), Dorf (Nr. 1-7).
Von Haidershofen wurden dagegen drei Häuser in Grub (Nr. 24, 25, 26) und im Jahre 1785 noch zwei Häuser von Grub nach Haag eingepfarrt. Seit dem 1. Jänner 1892 sind sechs Häuser in Lembach (Nr. 22-27) von Ernsthofen in die Pfarre Haag überstellt worden.
Dennoch hat die Pfarre Haag an die 500 Menschen (87 Häuser) verloren, das ist ungefähr ein Zehntel ihrer Bevölkerung.
Eine andere Veränderung im Kirchenwesen ergab sich durch die Forderung des Kaisers, die Friedhöfe aus Gesundheitsgründen nicht mehr um die Kirchen anzulegen.
Seit dem Bestehen der Pfarrkirche begruben die Haager ihre Toten in dem engen Raum, der sich unmittelbar um die Kirche ausdehnte und bei den Ringmauern sein Ende fand. Die Pfarrherren wurden meist direkt an der Außenmauer oder Innenmauer der Kirche begraben. Die meisten ihrer Grabsteine sind zwar schon abhanden gekommen oder ganz unleserlich geworden. Eine rötliche Marmortafel an einem Tragpfeiler des Musikchors erinnert noch an diese alte Sitte und an der nördlichen Außenmauer der Kirche fallen noch die Grabplatten der Familie Kölnpeck auf. Sie sind neben dem Karner (Beinhäusel) an der Westseite des Kirchplatzes die einzigen Überreste des einstigen Friedhofes. Die letzte Bestattung im alten Gottesacker geschah am 7. Dezember 1784, als man Philipp Mayrhofer, Bauer in Grub Nr. 3, zu Grabe trug.
Der neue Friedhof
Im Osten des Marktes, auf Pfarrhofsgrund, wurde ein neuer Totenacker geweiht und am 27. 12. 1784 Barbara Dorfer, das einjährige Kind vom Hause Praunsberg Nr. 3, zur letzten Ruhe der Erde anvertraut. Die Begräbniskapelle konnte erst verhältnismäßig spät im neuen Friedhofe gebaut werden (1847) und wurde ein Jahr darauf zu Ehren des gekreuzigten Erlösers geweiht. (Der Friedhof, um ein Vielfaches größer als der alte, ist heute noch in Gebrauch.)
St. Pölten wollte der Kaiser zum Sitze einer neuen Diözese machen, die das Most- und Waldviertel umfasst Bischof Kerens verlegte seinen Sitz von Wiener Neustadt dorthin, und im Zuge dieser Neuorganisation wurde Haag 1785 zur Dekanatspfarre erhoben, ihr erster Dechant wurde Pfarrer Georg Glett.
Widerstand gegen aufklärerische Neuerungen des Pfarrers
So viel Begrüßenswertes in all diesen Neuerungen lag, die innere Gesinnung, die allem zu Grunde lag, missfiel dem Volk, das nun lieb gewordene Sitten und Gebräuche ändern sollte. Gegen die neue äußerst sparsame und fast pietätlose Begräbnisordnung richteten die Haager eine Beschwerde an den Bischof, erhielten aber zur Antwort, „dass man sich in Bezug auf die Allerhöchsten Verordnungen zu fügen habe" (1786). Auch ihr Gesuch, bei der Frühmesse statt des vorgeschriebenen Normal-Liedes den englischen Rosenkranz beten zu dürfen, erlebte eine saftige Abfuhr, „weil die von der geistlichen Behörde vorgeschriebene Andachtsübung Gott angenehmer sei als jene, die sich die Schäflein selbst nach eigenem Gutdünken wählen wollen". Sehr bitter beklagte sich die Behörde, dass der Haager Bezirk die Wallfahrten ganz, wie sie früher waren, wieder einführen wollte, dass man die Pfarrer beschimpfte und von ihnen das Mitziehen bei den Prozessionen, das Mitführen der Fahnen und feierliches Geläute verlangte.
Welche Stellung Dechant Glett selbst zu all den Vorgängen eingenommen hat, ist nicht recht ersichtlich. Fast scheint es, dass sein Herz auf Seiten des Volkes schlug, dem er in seinem Sterbejahre (1790) noch einmal den Hochaltar restaurieren ließ.
Der beständige Widerstand des Volkes gegen die Neuerungen zeigt, dass zumindestens Haags Bauern der Aufklärung keineswegs verfallen waren. Im Bürgertume konnte sie eher Eingang finden und hier hat sich die Aufklärung sehr bald in einer zunehmenden Interesselosigkeit am kirchlichen Leben, in einer gewissen liberalen Haltung, verbunden mit der Verehrung des „Volkskaisers" Josef II., ausgewirkt.
Liberale Bürger und traditionsgebundene Bauern
Und doch hat die Zeit Josefs II. für Haag das Ende der handwerklichen Blüte gebracht. Durch den Verlust eines Zehntels der Pfarrbevölkerung war der Markt nicht mehr so der kirchliche, aber auch nicht mehr so sehr der wirtschaftliche Mittelpunkt des Ennswaldes. Handwerk, Gewerbe, Geschäft begannen rund um andere Gotteshäuser emporzuwachsen. Wo der Bauer am Sonntag hingehört, dort kauft er auch ein. Und was noch schwerer wirkt: der Bauernstand blieb trotz der Reformen dem barocken Katholizismus fast bis heute treu, wenngleich ihm vieles nur Sitte und Brauchtum ist, das Bürgertum jedoch nahm den Zeitgeist in sich auf und fühlte sich mit den Bauern nicht mehr eines Sinnes. Es entstand die vorher nicht vorhandene und verhängnisvolle Kluft zwischen Marktbevölkerung und Landvolk, die Voraussetzung zur vollen Entfremdung und Trennung in zwei Gemeinden.
Und doch mussten sie immer dasselbe gemeinsame Schicksal tragen.