HAAG ZUR ZEIT DES DREISSIGJÄHRIGEN KRIEGES
Mit der Übernahme der Salaberger Herrschaft durch die Grafen Salburg ebbte der religiöse Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten in Haag ab und gelangte deshalb nie zu solcher Bedeutung wie in den benachbarten Städten Steyr und Waidhofen an der Ybbs. Nur Klingenbrunn scheint in der Hand des protestantischen Besitzers von Rohrbach-Klingenbrunn auch nach dem Jahre 1621 ein Stützpunkt protestantischer Predigt geblieben zu sein. Aber das Niederwerfen des Bauernaufstandes hat die Macht des Landesfürsten, an die zuvor so wenig geglaubt worden war, deutlich spürbar gemacht. So war in Haag Ruhe und Ordnung zu einer Zeit gesichert, in welcher der religiöse Gegensatz in der großen Politik zum generationenlangen Krieg führte. Mitten im Kriege entfalteten sich in Haag Handel und Gewerbe in einem bisher nicht erhofften Ausmaß.
Zeitumstände
Früher als in Osterreich hatten die Stände des Deutschen Reiches den Glaubenszwiespalt in ein politisches Fahrwasser getrieben. Die Protestanten Schlossen in der „Union", die Katholiken in ihrer „Liga" einen bewaffneten Bund, und ganz Deutschland stand sich in zwei Parteien, ja in zwei Heerlagern gegenüber. Als mit dem Tode des Kaisers Matthias der Streit um die böhmische Königskrone ausbrach und die böhmische Rebellion (seit 1618) gegen das Haus Habsburg Weltbedeutung erhielt, verband sich das protestantische Lager Deutschlands mit dem Auslande (Franzosen, Dänen, Schweden, Siebenbürger). Der Kampf der beiden Glaubensparteien wurde dadurch immer mehr und mehr zu einem weitreichenden europäischen Kriege auf verschiedenen Kriegsschauplätzen, zu denen auch das nördliche Nieder- und Oberösterreich vorübergehend gehörten.
Während der dreißig Jahre des Krieges (1618-1648) kam Haag glücklicherweise in keine Berührung mit den streifenden Feindscharen. Aber die Wellen so großer Ereignisse schlugen dennoch bis an unseren Markt. Häufig waren hier kaiserliche Truppen einquartiert. Freilich gewinnen wir ein genaueres Bild erst mit dem Jahre 1632, da von diesem Jahr an die Pfarrmatriken verlässlich über alles berichten, was die Bevölkerungsbewegung anbelangt.
Einquartierungen in Haag
Ein Teil des kaiserlichen Regimentes Oberst Strasoldo hat 1634 Quartier in Haag gefunden, Hans Rumb aus Stralsund, ein Soldat dieses Regimentes, wird als Vater eines in Haag getauften Kindes angeführt. Ein anderer Kindesvater aus dem Soldatenstand hieß Klemens Payer. Auch im Jahre 1637 ließ ein einquartierter Soldat, Michael Kienast aus Krems, ein Kind in Haag taufen. In den Jahren 1643 und 1644 muss wiederum das Regiment Graf Traun teilweise in Haag stationiert gewesen sein; weitere Soldatenkinder bezeugen dies wie auch eine Einquartierung im Jahre 1647 in Klingenbrunn.
Die letzten Jahre des großen Krieges schienen auch für Haag gefährlich zu werden; schwedische Heerführer suchten von Böhmen aus das Waldviertel bis zur Donau heim, belagerten und brandschatzten sogar die Stadt Krems. Der zu Münster und Osnabrück im Jahre 1648 abgeschlossene Westfälische Friede beendigte den zermürbenden Kriegszustand, in dem auch Söhne aus dem Haager Pfarrsprengel als Soldaten dienten. Es darf uns aus diesem Grunde auch nicht wundern, wenn die Anzahl der jährlichen Taufen während des Krieges und auch noch in den beiden Nachkriegsjahren 1649 und 1650 einen Tiefstand aufwies, der niemals 100 Taufen erreichte. Als Beispiel seien folgende Jahre angeführt:
1649 61 Taufen
1650 81 Taufen
1651 108 Taufen
1655 132 Taufen
Bevölkerungsbewegung
Ein Großteil dieser Täuflinge enstammt dem Haager Bauernstande; die jährlichen Taufen aus den Bürgerkreisen des Marktes sind in diesen Jahren an den zwei Händen abzuzählen. Die bevölkerungspolitischen Auswirkungen des Krieges erscheinen aber nach 1650 wiederum abgeschwächt, die Zahl der jährlichen Taufen in der Pfarre fällt nicht mehr unter 100. Auch haben sich manche abgedankte („Geweste") Soldaten oder Landsknechte von auswärts in Haag verheiratet und den Bevölkerungsstand vermehrt. Ihre Namen finden wir im Haager Taufbuche:
1661 Heinrich Haltermayer, Hans Daniel Bartlmär Döpper, Simon Grach
1662 Hans Mayrhofer
1663 Jakob Pertzl
1665 Simon Pindtner
1666 Martin Dollsdorfer
Bevölkerung, Gesellschaftsschichten
Wenn wir nun genauere Umschau über die Zusammensetzung der Pfarrbevölkerung Haags in den Jahren von 1630 bis 1660 halten wollen, müssen wir zunächst zwischen den Marktbewohnern und der bäuerlichen Bevölkerung unterscheiden. Aber auch die Marktbewohner waren in ihrer Gesamtheit rechtlich und sozial nicht gleichgestellt. Wir haben bereits gesehen, wie mit dem Erstehen des Marktes Haag sich eine Bürgergemeinde ausgebildet hatte, die ein selbständiges Niedergericht, dem der Marktrichter vorstand, und die Verwaltung in polizeilicher und wirtschaftlicher Hinsicht im Markte besaß sowie handelsberechtigt war. Neben der Bürgergemeinde gab es jedoch auch noch andere Marktbewohner, die „Inwohner", zu denen außer dem Hausgesinde und den unmündigen Bürgerkindern die Handwerksgesellen und die unbehausten (ohne Haus) Handwerker zählten. Sie haben nicht an den Bürgerrechten, wohl aber an den Pflichten Anteil, und unterstanden in erster Instanz, gleich den wehr- und waffenfähigen Bürgern, dem aus der Bürgergemeinde entnommenen Marktrichter und Rate.
Ratsbürger
Die in den Marktrat alljährlich gewählten Ratsbürger mussten in ihrer Wahl vom Herrschaftsbesitzer oder dessen Pfleger bestätigt werden. Der gleichen Bestätigung bedurfte auch der Marktrichter, der aus den Ratsbürgern wiederum jeweils auf ein Jahr gewählt wurde. Da aus der Kriegszeit weder Listen noch Ratsprotokolle vorhanden sind, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, aus wie viel Mitgliedern sich der Rat zusammensetzte. Es können höchstens zwölf gewesen sein. (Im Jahre 1660 waren laut Marktrichterbuch 7 Ratsbürger im Inneren Rat, zu diesen noch weitere 3 im Äußeren Rat.) Sicher ist jedenfalls, dass diese Ratsbürger die Ober-schichte in Haag bildeten und dass nur vermögende Bürger in den Rat gewählt wurden. Sehr bezeichnend wird in den Haager Pfarrmatriken genau zwischen Bürgern und Mitbürgern unterschieden; unter den ersteren waren offensichtlich nur solche Geschlechter, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Position und ihres gesellschaftlich angesehenen Gewerbes als ratsfähige Geschlechter anerkannt wurden. Als ratsfähige Berufe galten vor allem die Bräuherren, Lederer und Färber; aber auch Gastwirte, Bäcker, Müller, Hafner, Leinenweber und Hufschmiede konnten, wenn ihre Vermögenslage gut war, in den Marktrat gelangen.
Einige solche Beispiele für ratsbürgerliche Geschlechter und ihre Berufe aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges seien im folgenden angeführt:
a) Bräuherren:
Sebastian Winter (1630 Marktrichter)
Ruprecht Spändl (1643 Ratsbürger)
Georg Veit (1653 Marktrichter, 1659, 1660 auch Ratsbürger)
b) Lederer und Färber:
Wolfgang Scheiblauer (1638 Marktrichter, 1635 Ratsbürger)
Wolf Eder (1594 Marktrichter)
Georg Eder (1644 Marktrichter, 1638 Ratsbürger)
c) Gastwirte im Marktrate:
Balthasar Dorffer (1640, 1641)
Georg Heininger (1640)
d) Bäcker im Marktrate:
Martin Wallner (Ratsbürger 1638, 1642, 1653)
Hans Fux (1643, 1644, 1656 als Ratsbürger)
Sigmund Reiblauch (1641)
Sebastian Steinmüllner (1653)
e) Von den übrigen Berufen werden als Ratsbürger genannt:
1633: Georg Lehr, Leinenweber
1638: Sebastian Buchinger, Müllner an der Gröplmühle
1639: Jakob Khormayr (oder Khorman?), Hafner
1640: Hans Fidler, Müller an der Gröplmühle (auch 1643)
1654: Hans Trumberger, Hafner
1657: Hans Schindlberger, Kumpner
1660: Hans Flachenegger, Hufschmied
Leider hat zeitweise in der Periode von 1632 bis 1660 der Mesner allein die Eintragungen in das Taufbuch und in die anderen Pfarrmatrikelbücher vorgenommen. Er tat es nicht immer sehr genau, auch hat nicht jedes Geschlecht innerhalb von 30 Jahren eine Taufe. Es wäre also sehr leicht möglich, dass außer den angeführten Geschlechtern noch das eine oder andere Haager Bürgergeschlecht im Marktrate vertreten war.
Bürger
Sicherlich gab es überdies auch noch andere bedeutende Bürgergeschlechter, die aus uns unbekannten Gründen nie unter den Ratsbürgern aufscheinen, obwohl sie ihrem Vermögen nach durchaus im Marktrate hätten vertreten sein können. Unter diesen sind besonders zu nennen: die Fleischhauerfamilien Edlinger und Hofmann; die Bäckerfamilien Pirkhuber, Tribl und Märzenberger; die Kürschnerfamilie Lempacher, die in ihrer Familie auch das Schuhmachergewerbe ausübte; die Schmiedegeschlechter Auer und Demath; der Gerber Polster; die Schneiderfamilie Hippler und auch der Zuckerbäcker Alexander Schweninger, der sich 1639 Herrn Hans von Rohrbach als Taufpaten gewinnt. Diese Tatsache führt zur Vermutung, dass die Herren von Rohrbach diesen Schweninger überhaupt erst nach Haag gebracht haben; das Zuckerbäckerhandwerk war in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges noch in den allerwenigsten Märkten und Kleinstädten vertreten.
Neben dieser angesehenen Bürgerschichte existierte nun auch noch eine ärmere, deren Glieder meist nur als „Mitbürger" bezeichnet wurden. Aber die Grenzen waren nicht starr: so stieg zum Beispiel der Schneidermeister Florian Demath, der 1642 und 1644 noch als Mitbürger bezeichnet wurde, mit dem zunehmenden persönlichen Ansehen ohne weiteres in die Gruppe der vermögenden Bürger auf und wurde als solcher 1654 und 1656 angeführt.
Wie waren nun die Berufe im einzelnen vertreten? Auch hier kann die Aufzählung nicht Vollständigkeit beanspruchen, sondern nur das sicher überlieferte melden; es waren also in jeder Berufssparte eher noch mehr Vertreter in Haag gleichzeitig anwesend und tätig.
Bräuer und Gastwirte
An Brauereien bestanden jedenfalls vier, die gleichzeitig Bier brauten und zum Ausschank brachten. Manche Brauerei scheint aber den Besitzer rasch gewechselt zu haben (Einheiraten!); die Namen der Brauerfamilien innerhalb der dreißig Jahre (1632 bis 1660) lauten: Winter, Spändl, Ruep, Veith, Weinberger, Vischer und Orthmayr, wobei die drei letztgenannten erst nach 1655 im Taufbuch aufscheinen.
Aus dem Vorhandensein der Brauereien erklärt sich einigermaßen die verhältnismäßig geringe Anzahl der Gastwirte in damaliger Zeit; sie verlegten sich auf den Ausschank von Obstmost und Wein und wurden bald Gastgeber, bald kurzweg Wirt genannt: Dorfer, Heininger, Kormayr, Brunner und Hirsch waren ihre Namen.
Bäcker und Fleischer
Reich vertreten erscheinen im damaligen Haag die Backstuben, die, ihr Mehl außer von der Gröplmühle auch noch vom Müller Rueßmayr oder von Herrn Müllermeister Georg Pesendorfer bezogen haben. Obwohl fast in jedem Bauernhause der Haager Gegend ein Backofen für das häusliche Schwarzbrot vorhanden war, haben sich sicherlich die Bäuerinnen und Bauern, wenn sie im Markte zum Einkauf waren, gerne Semmelgebäck mit nach Hause genommen und besonders in der Fastenzeit die überaus beliebten Beugel für die „Beugelsuppe". Die große Zahl der bürgerlichen Bäckermeister wird dadurch etwas erklärlich: Die Geschlechter Schweizer, Tribel, Starkmüller, Wallner, Fux, Sinzenberger, Pirckhuber, Polster, Reiblauch, Strasser, Pfäffer, Märzenhuber, Steinmüllner und Frankh betrieben vorübergehend öffentliche Backstuben. Auch die Zahl der im Markte seßhaften Fleischhacker ist überraschend groß, wenn man die beständigen Hausschlachtungen in den Bauernhöfen bedenkt. Die Fleischhauer hatten übrigens auch für die Unschlittversorgung des Marktes und des Pfarrhofes zu sorgen, denn neben den Kienspänen, die in eigens dafür verfertigten Ständern oder Leuchtern brannten, dienten die Unschlittkerzen als Beleuchtungsmaterial. Das Fleischerhandwerk übten damals die Familien Edlinger, Hofmann, Schachner, Anzenberger, Wegscheider und Piringer aus.
Die Lederer oder Gerber und die Färber, die des fließenden Wassers bedurften, hatten ihre Behausungen unweit des Haager Baches. Ihnen gehörten die Familien Scheiblauer, Efringer, Plaimbauer, Polster und Braunsberger, ferner als Schwarzfärber die Eder, Pürbl und Schilchengruber an.
Das Handwerk
Dass auch das Binderhandwerk im Markte gleichzeitig mehrere Meisterstühle innehatte, darf nicht verwundern. Die Aufbewahrung des in großer Fülle erzeugten Mostes erforderte viele Gebinde, für deren Herstellung gleichfalls die Bachnähe erwünscht war. Stimer (oder Stirner?), Knilhofer, Renner, Braunsberger, Wibmer und Rott (Rath?) hießen die Bindermeister während des Dreißigjährigen Krieges oder kurz nachher.
Auf die Wohlhabenheit der Haager Marktbürger und der sie umwohnenden Bauernschaft deutet das Vorhandensein zweier Kürschner hin: Leonhard Pirkenlechner und Hans Lempacher. Ihnen haben wohl auch die Schlossbesitzer von Salaberg und Rohrbach einiges zu verdienen gegeben.
Handwerker
Lederer, Gerber, Färber und Kürschner gehören im gewissen Sinne zum Bekleidungsgewerbe, obwohl besonders die Lederer nur Halbfabrikate herstellen. Sie gehörten alle zur angeseheneren Schichte der Bürger, während die eigentlichen Produzenten der Bekleidung, die Schneider und Schuster wie auch die Weber, bloß zu den Mitbürgern zählten. Sie waren als Handwerker nicht gerade immer Hausbesitzer, sondern saßen vielfach nur als Inwohner im Markte; andere von ihnen wiederum, u. zw. kein geringer Teil, arbeiteten überhaupt außerhalb des Marktbereiches. Von den Schneidern war nur Georg Hippler ein Hausbesitzer im Markt. Unter den Schustern erfreuten sich Lempacher, Kaiser, Kirchbichler, Reiter, Demath und Pimbser des Bürgerrechtes. Als bürgerliche Weberfamilien sind Sandhofer, Schönbrunner, Marart (2), Kernhofer, Richersdorfer, Sambleder, Neuhauser, Hilberger, Aigner und Schauberger anzutreffen. Die große Zahl der bürgerlichen Webstühle im Markt, die sich noch wesentlich vergrößert, wenn wir die nichtbürgerlichen Weber der Landgemeinde hinzuzählen, macht es deutlich, dass das Haager Weberhandwerk stark genug war, eine eigene Weberzeche zu errichten. Sie waren alle durchwegs Leinenweber. Zwei Huterer, Tobias Schickengruber und Martin Pichler, genügten, den lokalen Bedarf an Hüten zu decken.
Ähnlich wie beim Bekleidungsgewerbe stand es auch mit dem Baugewerbe in Haag. Der einzige Glaser, Wolf Angerer, war zwar Bürger, aber von den drei Zimmerern war nur Hans Hagnauer mit dem Bürgerrecht ausgestattet und von den zwei Schlossern nur Johann Strober. Maurer und Tischler waren ebenso wie die Wagner wohl im Markte vertreten, besaßen aber nicht die Bürgerrechte, während zu den Bürgern sehr wohl der Messerer Adam Azbacher und die Hufschmiede Aurewieser, Schachermayer, Kölbl und Flachenegger zu rechnen sind. Der Bürger Martin Turner war Schmied und Wundarzt zugleich, eine damals gar nicht ungebräuchliche Berufskombination. Auch die. beiden Barbiere, Starkhuber und Strasser, und die beiden Bader, Hagenbucher und Auer, galten als Bürger.
Neben den Webern war im Markte noch immer das Hafnerhandwerk stark vertreten, wenngleich die Absatzmöglichkeiten in Oberösterreich nicht mehr ins Gewicht fielen. Abgesehen von der beträchtlichen Zahl der Hafner, die auswärts in Bauernhöfen tätig waren und kein Haus ihr eigen nannten, gab es sieben Marktbürgerfamilien, die den edlen, mit dem Kunstgewerbe verwandten Hafnerbetrieb führten: Gruber, Kormayr, Hub-ner (?), Hiebaumer, Hörschling (oder Schärfling?), Marx und Trunberger hießen sie.
Handel
Auffallend spärlich war hingegen der Stand der Kaufleute vertreten. Johann Six, der 1636 als Handelsherr aufscheint, dürfte überhaupt in Enns zu Hause gewesen sein, sonst hatte der Markt während des behandelten Zeitraumes nur einen einzigen Krämer, Hans Schedlperger, der allerdings ein Ratsbürger war. Freilich hatten in jener Zeit Bürger und Bauern, auch wenn sie zu Vermögen gekommen waren, viel geringere Bedürfnisse, brachten die wichtigsten Nahrungsmittel zum Teil in eigener Hauswirtschaft auf, und ihre Frauen spannen Flachs und Wolle selbst. Gewürze, wie Pfeffer und Muskatnüsse, waren damals Luxusartikel und fast die einzigen, die allgemein konsumiert wurden. Doch bot der Krämer, den wir uns als einen kleinen Gemischtwarenverschleisser vorstellen müssen, alle damals von der Bauernschaft begehrten Waren feil, besonders Eisenganzfabrikate, wie Sensen, Sicheln, Feilen und Messer, aber auch bereits Stoffe, Tuche und Kattune. Für zinnerne Gefäße oder auch kupferne sorgte der Kumpner Hans Schindlberger, ein Ratsbürger, bei dem die Bauern ihren Kumpf, den Behälter für den Wetzstein, kaufen konnten.
Nicht alle diese angeführten Familien gehörten zu den erbeingesessenen Bürgern. Bevölkerungsverschiebungen und Veränderungen gab es auch damals schon in einem größeren Ausmaß. So hat sich zum Beispiel der in der Kirchengasse sesshafte Schuster Hans Lempacher erst zwischen 1637 und 1640 ein Haus in Haag und damit das Bürgerrecht erworben; ihm gleich und im selben Zeitraum tat es der Hufschmied Michael Kölbl. Manche Gewerbetreibende, die im Umkreise von Haag als Landhandwerker arbeiteten, strebten darnach, Haus und Bürgerrecht im Markte zu erringen. Abraham Weinberger hat beispielsweise lange Zeit an der Kornmühle in Kirschendorf Bier gebraut, war dann kurz vor 1655 in den Markt gezogen und galt bereits im Jahre 1657 als Bürger. Auch der Fleischhacker des Schlosses Salaberg, Wolf Piringer, fand es vorteilhaft, in den Markt hineinzuziehen und Bürger zu werden (1655).
Landhandwerker
Diese wenigen gebotenen Beispiele zeigen uns schon, dass fast alle Gewerbe und Handwerksberufe nicht bloß unter den Marktbürgern vertreten waren, sondern auch von nichtbürgerlichen Inwohnern wie von bäuerlichen Hintersassen ausgeübt wurden. Selbstverständlich unterstanden alle diese Landhandwerker nicht der Gerichtsbarkeit, Polizei und Verwaltung der Bürgergemeinde (Marktrates) von Haag, sondern den Herrschaften, auf deren Grund und Boden sie wohnten, also Salaberg, Rohrbach oder Gleink. Daher war es von großer Wichtigkeit, die Marktgrenzen genau abgesteckt zu haben.
Marktgrenzen
Eine solche „Ausmarkung" erwies sich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, im Jahre 1618, wieder einmal als notwendig, Es scheint, dass der Markt, dessen Grenze im Osten ursprünglich nur bis zum Rohrbacher Schlössl (heute Postgebäude) reichte, damals erweitert wurde. Als nämlich im Jahre 1635 Pfarrer Neidhart von Spätenbrunn zwei Bürgerhäuser kaufte, um sie zu schleifen und an ihrer Stelle den Pfarrgarten anzulegen, gehörte der Platz des späteren Pfarrgartens (heute gegenüber dem Gerichtsgebäude) bereits zum Markte. Der 1687 errichtete Pfarrstadel (neben dem Kindergarten) lag jedoch noch außerhalb der Marktgrenzen. Auch der unterhalb der „Steinmauer", in der Talsenke zwischen Haager Kirchenberg und Grillenberg liegende „untere Markt", dürfte zumindest seit 1618 zum Gebiet der privilegierten Bürgergemeinde gehören.
Zunftwesen
Waren sonach alle Gewerbetreibenden und Handwerker außerhalb der Marktgrenzen nichts anderes als Untertanen ihrer Herrschaft, so waren sie doch überdies noch durch die Zunftstatuten angehalten, das, was ihr eigenes Gewerbe betraf, genau zu beachten. Das Gebiet der Innungen griff ja oft weit über den Marktbereich hinaus und umfasste verschiedene Herrschaften und Pfarren. So gehörten um 1600 zur Haager Hafnerinnung nicht bloß die Marktbürger Michael Huebmer (Hubner) und Matthias Huebmer, Wolf Steger, Jakob Kornmayr und Simon Grueber (Gruber), sondern auch Hafnermeister aus den Pfarren St. Peter, Seitenstetten, Krenstetten, Strengberg, Wallsee, Öd und St. Valentin. Der Innungsbezirk reichte von der Mündung der Enns längs der Donau bis zur Ybbs, ferner ybbsaufwärts bis Waidhofen und entlang dem Gebirge bis an die Raming und Enns. Die Zechlade dieses großen Gebietes war in der Hafnerherberge in Haag aufgestellt, und alle Meister und Knechte dieses Zunftbezirkes sollten zu Fronleichnam in Haag erscheinen und geschlossene mit ihrer Zunft an der Prozession teilnehmen. Eine wortgetreue Abschrift des vom Kaiser gegebenen Zunftbriefes ließen sich die Hafner am 18. Juli 1650 zu Salaberg durch den Pfleger Gottfried Ezinger geben.
Hafner am Lande gab es im Haager Pfarrsprengel allerdings nur zwei: Leonhard Dienssböck bei Klingenbrunn und Georg Korman (Kormayr?), ohne nähere Ortsangabe.
Gewerbe der Landgemeinde
In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde von den Haager Bauern vor allem sehr viel Flachs gebaut; daher konnte eine stattliche Zahl von Webern auch außerhalb der bürgerlichen Gemarkung ihre Gewerbe ausüben. Aus den Haager Matriken der Jahre 1632 bis 1660 gehen folgende Namen von Webern im bäuerlichen Lande hervor: Hans Edlinger zu Salaberg, Märt Infanger am Lehen, Wolf Artner und Märt Pruner „enters Wald", Stephan Stadler bei Rohrbach, Max Richelsdorfer in Kirschendorf, Martin Grabner am Langengitter, Wolf Pfundtner, Leinenweber und Arzt auf der Wies, Georg Voithlechner zu Pyberg, Stephan Mayrhofer in Schindelreith, Andreas Neuhauser in der Weinleiten, Georg Aigner zu Stirbitzhof, Paul Grünwald in Schamblos und Martin Stigler, ohne nähere Ortsangabe. Sie saßen also im ganzen Pfarrsprengel verstreut in ihren kleinen Weberhäusern.
Aber auch Bräuer gab es in unserem herrschaftlichen Bauernlande. In Salaberg braute der Hofwirt Michael Krembl Bier für die Herrschaft und ihre Untertanen. In Kirschendorf folgte dem Brauherrn Abraham Weinberger zuerst Wolf Schauberger und dann Andreas Kroissmayr. Die Besitzernamen haben übrigens auch in der Salaberger Braustätte, die mit einer Schlosstaverne (Gasthaus) und früher auch mit einer Schlossschmiede verbunden war, gewechselt: Andre Appel, Hofwirt und Schmied, war vermutlich durch die Herren Salburg aus Schlesien hierhergebracht worden (1637) und übergab an Krembl, dieser wieder sehr bald an Johann Humpel (1647), dem Hans Schwaber (1652) nachfolgte. Die Schlosstaverne in Rohrbach finden wir hingegen mit einer Bäckerei verbunden und im Betriebe der Familie Zauner. Unweit des Wasserschlössels Klingenbrunn gab es gleichfalls eine Hoftaverne. Sie gehörte 1633 dem Wirte Mosshuber, 1640 dem Schneider Ruprecht Hiplauer.
Die Verbindung eines Landwirtshauses mit einem zweiten Berufe erweist sich durchgehend als üblich. Auch bei den Einkehrgaststätten in Porstenberg (Prömayr, dann Mayrhofer) und beim Wirt an der Wörthmühle (Lerchbaumer) war es ähnlich. Auffallend ist bloß, dass die Verbindung des Gasthausbetriebes mit einer Fleischhauerei damals in keinem Falle geübt wurde.
Selbstverständlich gab es auch Bäckerfamilie n auf dem Lande, etwa in Klingenbrunn oder die Familie Haider in „enters Wald". Simon Pathofer buk zuerst in Holzschachen seine Brote, dann erwarb er eine Bäckerei beim Ziegelstadel in der Herrschaft Salaberg. Mehrere Bauernmühlen klapperten lustig im Haager Lande und versorgten die Bevölkerung mit Mehl. Hans Puechner besaß damals die Perlmühle (1644). Im gleichen Jahre betrieb Stephan Grueber eine Mühle zu Stiebezhaus und Stephan Stellmann die Rueßmühle. Michael Dörflmayr war 1640 Müller in Wörth, Bartl Kornmüllner an der Schaidtmüll (1644) und Georg Pesendorfer als Pächter der Mühle in Goldsteinhub (1655).
Die Landfleischhauer wohnten wieder in allernächster Nähe der Herrschaftssitze (Tobias Obenauß, Wolf Pirchinger und Adam Traunmillner bei Salaberg, Hans Schachner beim Schloss Klingenbrunn).
Landgemeinde
Zahlreich war das Bekleidungsgewerbe in der bäuerlichen Umwelt des Marktes Haag vertreten. Nur saßen die Schneider und Schuster ziemlich verstreut.
Landschneider
in Klingenbrunn: Hiplauer, Grillenperger
in Neureith: Mössingdorfer, Leitl
in Schwabenreith: Lechner
auf der Haid: Hagnauer
an der Perlmühl: Seilberger
zu Pernersdorf: Weinperger Hans
am Lehen: Inzinger Michael
an der Schönmühle: Lorenz Listl
Landschuster
in Klingenbrunn: Pril, Hauck, Hartmann, Steiner (in verschiedenen Jahren)
im Holzschachen: Fehrer
am Ziegelstadel: Humpel
zu Pernersdorf: Arrer
zu Schönleiten: Steininger
in Maiß: Eplauer
Die Liste dieser Handwerker ist freilich nicht vollständig und nur für einen engen Zeitraum angegeben. Die große Zahl der bäuerlichen Schmied e, von denen einige Namen folgen werden, lässt wohl darauf schließen, dass die Pferdehaltung bei größeren und mittleren Bauerngehöften damals weit mehr als heute gebräuchlich war. Denn wenn auch die Landschmiede alle Grobschmiedarbeiten versahen und mit den Wagnern zusammen fast alles bäuerliche Gerät herstellen konnten, so war doch zweifellos der Hufbeschlag der Pferde die Hauptgrundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz.
Schmiede
in Klingenbrunn: Thomas und Georg Milperger, der ältere an der Perlmühle, Georg Milperger jun., Klember Matthias und Georg Kammerhuber
zu Rohrbach: Thomas Inzinger (1641 auch Amtmann), Hans Flachenegger
zu Porstenberg: Stephan Kammerhuber
zu Winersdorf: Ulrich Kammerhuber
zu Schwabenreith: Georg Roßmayr
in Samhub: Georg Weißeneder, Matthias Strohmayr
an der Wühr: Martin Grißler, Jakob Kranbitter, Hans Steger
Der Name des zu Salaberg sitzenden Schmiedes konnte nicht aufgefunden werden. Im näheren und weiteren Umkreise des Schlosses Salaberg waren auch Wagner und Hofzimmerer (Wolf Stampfhofer), ebenso Binder und die vier aus damaliger Zeit bekannten Maurer zu Hause. Einen einzigen Landschlosser hatte der Pfarrsprengel mit Hans Norker im Grillenpergerhäusel aufzuweisen. Das auf dem Lande allgemein seltene Handwerk der Siebmacher war durch Hans Stadler zu Klingenbrunn vertreten. An der Hueb wohnte 1651 Martin Pilgram, der seine Bedeutung weniger durch seinen Beruf (Landtagewerker) hatte, sondern mehr aus seiner künstlerisch-musikalischen Betätigung als Türmer und Hornist bei festlichen Gelegenheiten. Angesehen wegen ihrer Tätigkeit für das Gesamtwohl waren auch der Markt- und Gerichtsdiener Hans Beer und der Organist und Schulleiter Christoph Paur. Die Marktgemeinde hatte damals vermutlich nur eine einzige Schreibkraft als Angestellten; es gab ja auch weniger Papierkrieg und der war zum größten Teil den Pflegern zu Salaberg aufgehalst.
Die reiche Gliederung der gewerblichen Berufe und die verhältnismäßig große Zahl ihrer Träger während und nach dem Dreißigjährigen Kriege spricht für das Wachstum der Haager Bevölkerung. An der ursprünglichen Marktmauer, außerhalb der gesicherten Burghut, kam es zum Bau neuer Häuser, die eine räumliche Vergrößerung Haags, eben die schon erwähnte Ausmarkung von 1618, notwendig machten. Damit ist aber auch der Markt noch mehr zu einem wirtschaftlichen Mittelpunkte des ganzen Umkreises geworden.
So erklärt es sich, dass Hans Adam, Freiherr von Rohrbach, im Jahre 1641 den bis dahin in Klingenbrunn abgehaltenen Georgimarkt nach Haag hinein verlegte, abgesehen davon, dass das Klingenbrunner Schlössl ohnedies seit 1622 kein Herrschaftssitz mehr war, weil ja die Besitzer in Rohrbach wohnten.
Blüte Haags
Der Dreißigjährige Krieg, der für manche Gegenden des Deutschen Reiches einen ungeheuren wirtschaftlichen Niedergang und das Herabsinken der Bevölkerungszahl auf ein Drittel der anfangs des Krieges Lebenden bewirkte, hat sich nach all dem, was wir eben aufgezeigt erhielten, für Haag kaum ausgewirkt. Es scheint nicht nur kein Feind gewütet, sondern im großen und ganzen auch keine Pest die Ortschaft heimgesucht zu haben. Nur der Kindersegen war während des Krieges etwas geringer und erst nach dem Kriege schlagartig angestiegen, was insofern etwas befremdet, als ja nur Freiwillige als angeworbene Söldner am Kriege teilnahmen und kein allgemeines Aufgebot der Männer erfolgt war.
Im Stillen und in den geheimen Winkeln der Herzen hat sich jedoch vieles geändert. Eine Reihe guter und tüchtiger Pfarrherren hat an der Rekatholisierung Haags gearbeitet und das religiöse Leben langsam, aber sicher wieder zur Blüte gebracht. Schon Johann Staehelin (1604 bis 1619)5 sorgte für die Besetzung des Schulleiterpostens mit einem Katholiken und begann bei der Jugend mit der Erneuerung des katholischen Glaubens. Als er am 22. Jänner 1619 starb, folgte ihm Ludwig von Bernhauser, der aber nicht lange Pfarrer von Haag war.
Pfarrer dieser Zeit
Bereits am 2. Februar 1621 übernahm Johann Fachenser die Führung der Seelsorge und ließ sich wiederum, offensichtlich aus gegebenem Anlass, im Jahre 1627 das Recht, den Schulmeister zu ernennen, von den Bischöfen zu Passau und Bamberg bestätigen. Er war der eigentliche Restaurator des katholischen Glaubens in Haag. Sein Nachfolger (1630) namens Karl Besler fiel bereits am 5. Oktober 1631 einer ansteckenden Krankheit (Pest?) zum Opfer, aber mit Melchior Neidhart von Spätenbrunn (1632 bis 1641), einem geborenen Österreicher und gelehrten Manne wie tüchtigen Wirtschafter, konnte Haag neuerlich sehr zufrieden sein. Kein protestantischer Prediger konnte sich jetzt noch im Umkreise von Haag halten, obwohl die Herrschaften zu Rohrbach und Klingenbrunn immer noch lutherisch waren. Haags „Unkatholische" mussten, wenn sie sich evangelisch trauen lassen wollten, bis Steinakirchen pilgern.
Pfarrhofbau
Der sinnfällige Ausdruck des inneren Wiederaufbaues war die Bautätigkeit, die der Pfarrer nun auch wieder entfalten konnte. Melchior Neidhart von Spätenbrunn ließ nicht bloß, wie bereits erwähnt, an der Stelle zweier Bürgerhäuser einen Pfarrgarten anlegen, er begann auch mit dem Bau des geräumigen frühbarocken Haupttraktes, der vorderen Front des Pfarrhofes mit dem großen Pfarrhofsaal. Bei seinem Tode ging durch die Schuld der Erben der schöne Pfarrhofgarten in die Hände der Grafen Salburg über; Pfarrer Guntner (1641 bis 1654) konnte ihn jedoch um 500 Gulden zurückkaufen und der Pfarre schenken. Johann Guntner, Kanonikus der Collegiatkirchen St. Gangolf zu Bamberg und St. Martin zu Vorchem, setzte in jeder Weise das Werk seines Vorgängers fort. Der Bau des Pfarrhofes wurde vollendet, der dem Marktplatz abgewandte und wegen des abschüssigen Geländes auf mächtigen Grundmauern ruhende Nordtrakt wurde errichtet.
Brand und Neubauten
Die Haager Bürger hatten nun mitten im Markte ein Vorbild der weitausladenden barocken Bauweise. Als im Jahre 1645 ein riesiges Schadenfeuer gleich sieben Häuser des Marktes in Schutt und Asche verwandelte - hatte es ein gartender, durchstreifender Soldat gelegt? -, da begann das mächtige Vorbild des Pfarrhofes zu wirken: die großen geräumigen Häuser mit ihren Höfen, wie sie den heutigen Stadtplatz umsäumen, stammen fast alle aus einer barocken Bauperiode, welche in die Jahre 1650 und später fällt.
So zeigt sich in dieser Tatsache wiederum, dass Markt und Pfarre immer eine Schicksalsgemeinschaft bilden, dass sie Gefährten in Glück und Leid, in Aufgang und Niedergang sind. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts (1650 bis 1660), als die Glaubenswirren des Protestantismus und die Nachwirkungen des großen Krieges geheilt waren, erfüllte ein neues und starkes Gefühl der gläubigen Zuversicht die Bürgergemeinde, aus dem heraus sie den Willen zum Neubau und Aufbau schöpfte.