ALTES RECHT DER HAAGER BAUERN
Wenn wir von den Fehden des Adels, von den Raubzügen einzelner Ritter aus der Zeit um 1450 nach Christus hören, so dürfen wir nicht daraus schließen, dass die damalige Menschheit in Österreich ohne Recht und Gesetz gelebt hätte. Dem ist nicht so. Allerdings gab es keine Rechtsgleichheit; für den Adel galten andere Gesetze als für den Bauern, er besaß das Fehderecht, d. h. die Befugnis, durch einen Kleinkrieg einen anderen Standesgenossen zur Erfüllung einer Rechtsforderung zu zwingen. Der Gegner wurde meist in seiner Burg belagert, vorher aber schon suchte man das Gefecht auf offenem Feld, legte Hinterhalte oder trachtete, den Feind zu schädigen, ihm Leute oder Vieh wegzunehmen, ihm etwas zu „rauben", wobei dieses Wort durchaus keinen verbrecherischen Beigeschmack besaß.
Fehderecht des Adels
Es kam immer häufiger vor, dass bei angesagten Fehden der Rächer sich durch die Maßlosigkeit seines Rechtsstreites bald selbst ins Unrecht setzte und dass bei diesem Austragen strittiger Sachen am allermeisten die Unschuldigen zu leiden hatten, etwa die Bauern, Kaufleute, Fuhrleute usw. Daher wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts durch zahlreiche Landfrieden die Aufhebung des Fehderechtes eingeleitet und schließlich durch die Schaffung von Gerichten vollendet. Der „ewige Landfriede", der unter Kaiser Maximilian I. im Reichstag zu Worms beschlossen wurde, machte dem Faustrecht im wesentlichen ein Ende (1495).
Weistümer des Volkes
So kam es, dass am Ende dieses Jahrhunderts und am Beginn des nächsten manches getan wurde, was zur Herstellung der Rechtssicherheit diente. Auch das Recht für die Bauern, das früher vielfach im Volksmunde, lebte und von Generation zu Generation als volkstümliche Weisheit (Weistum) weitergegeben wurde, sollte nun verzeichnet, in einem Schriftstück, dem „Weistum", unveränderlich und sicher festgehalten werden. War es doch so, dass die Untertanen jedes Herrschaftsgebietes fast ein eigenes Weistum hatten, denn so manche Herrschaft hatte Sonderrechte erworben, die eine andere nicht aufweisen konnte. Das Weistum der Herrschaft Salaberg, das für Haag ausschlaggebend war, können wir heute noch in drei Papierhandschriften nachlesen. Die zwei älteren stammen aus dem Jahre 1523, eine war für die Landesregierung in Wien bestimmt, die andere für den bambergischen Vizedom zu Wolfsberg in Kärnten, der auch das bambergische Gebiet um Haag zu beaufsichtigen hatte.
Landgericht
Wie schon erwähnt, müssen wir in der Rechtssprechung scharf zwischen todeswürdigen Fällen und unbedeutenderen, minderen unterscheiden. Todeswürdige Fälle (causae maiores) wurden ausschließlich vom Landrichter im Landgericht behandelt, das kurzweg das Gericht mit Stock und Galgen genannt wurde (Blutgerichtsbarkeit oder Hohe Gerichtsbarkeit). Die Gegend um Haag gehörte nachweislich seit 1240 zum landesfürstlichen Landgerichte Burg Enns, das im Jahre 1262 auch Landgericht unter der Enns hieß. Die Reichweite dieses Gerichtes erstreckte sich vom Ennsfluß bis zur Ybbs, die Nordgrenze bildete die Mitte des Donauflusses, die südliche Landgerichtsgrenze dürfte am Ramingbach ungefähr bis Ramingdorf verlaufen sein und über die Wieserhöhe ansteigend, sich die Höhenzüge entlang bis zur Url, dann die Url entlang bis zu ihrer Mündung in die Ybbs gezogen haben. Von dort an bildete die Ybbs bis Blindenmarkt die Ostgrenze, die schließlich nordwestlich zur Donau bog. Im Südosten grenzte das Landgericht Peilstein an.
Beide Landgerichte wurden im Jahre 1413 durch den österreichischen Herzog Albrecht V. um beträchtliche Gebiete verkleinert. Aus dem Landgerichte Enns wurden damals die Landgerichte Behamberg, Nieder-Wallsee, Zeillern und teilweise Seisenegg abgezweigt. Das Gebiet zwischen Engelbach und Ybbs, zwischen Donau und Reichsstraße ging somit unserem Landgerichtssprengel verloren. Weitere Verkleinerungen erfolgten bei der Ausweitung der landesfürstlichen Herrschaft Steyr im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts, der schließlich 1634 das Landgerichtsgebiet von Behamberg eingegliedert wurde.
Landgerichtssprengel
Demnach verblieben letzten Endes im Ennser Landgerichtssprengel nur mehr die Grundherrschaften Burg Enns, Kloster Erla, Salaberg, Rohrbach und St. Peter in der Au. Aber selbst diese kleine Einheit wurde wieder geteilt. Im Jahre 1702 wurden Salaberg und Rohrbach von Enns abgetrennt und bildeten nun einen eigenen Landgerichtssprengel mit dem Sitz in Salaberg, welcher Zustand bis zum Jahre 1848 andauerte. Mit diesem Jahre freilich beginnt in der Rechtssprechung etwas grundsätzlich Neues: Gerichtsbezirke mit unabhängigen, wissenschaftlich vorgebildeten Richtern traten an Stelle der alten an Herrschaftssitze gebundenen und vom Adel getragenen Ordnung.
Nicht bloß der Umfang des Landgerichtssprengels wechselte im Laufe der Jahrhunderte, sondern auch der Sitz des Landgerichtes Enns selbst. Saß zunächst der Landrichter auf Burg Enns, so befand er sich um das Jahr 1295 und 1313 in Strengberg, verlegte aber seinen Sitz noch im selben Jahre wieder in die Burg Enns. Die Landrichter wurden zu dieser Zeit vielfach aus dem Geschlecht der Wallseer genommen. Vorübergehend, und zwar im Jahre 1379, war der Sitz des Ennser Landgerichtes auch in der Burg St. Peter in der Au, erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird er dauernd nach Enns verlegt. Es wanderten also die Schwerverbrecher aus Haags Umgebung ihren harten Weg nach Burg Enns.
Der landesfürstliche Landrichter zu Enns durfte jedoch das Gebiet der ehemaligen bischöflich-bambergischen Hofmark Haag, d. i. das Gebiet der Herrschaften Salaberg, Rohrbach und Pfarre Haag wie Klingenbrunn, nicht betreten. Hier trat das Vorrecht der Immunität in Wirksamkeit. Die Verbrecher mussten ihm daher von den Organen der niederen Gerichtsbarkeit ausgeliefert werden. Erst an der Grenze der bambergischen Hofmark wurde der Verbrecher vom Landrichter empfangen und an den Galgen gehängt. Dort, außerhalb des eigentlichen Gebietes der Hofmark Haag stand die letzte Station aller Schwerverbrecher, der Hochgerichtsgalgen beim Galgenholz bei Heindorf, auf der Bezirksstraße Haag-Strengberg.
Niedere Gerichtsbarkeit
Die Rechtssprechung über die minderen Fälle oblag dem Grundherrn, und zwar nur über die Untertanen. Der Bischof von Bamberg als oberster Grundherr und Lehensherr musste die niedere Rechtssprechung durch seinen Vogt, den Herrn auf Salaberg, ausüben lassen. Das Gebiet dieser Vogteigerichtsbarkeit umfasste alle Herrschaftsuntertanen von Salaberg, Rohrbach, Klingenbrunn und Pfarre Haag. Sie hatten auch ein für alle gemeinsames Recht, das sich freilich nur in einigen Punkten etwas von dem Rechte der bäuerlichen Untertanen in Strengberg oder in St. Peter unterschied.
Taidinge
Wie wir aus dem Salaberger „Weistum" vom Jahre 1523 entnehmen, wurden alljährlich vier regelmäßige Gerichtstage (Taidinge) gehalten und der Amtmann der Herrschaft Salaberg musste jedes „ehhafte Taiding" sechs Wochen vor seiner Abhaltung, und zwar jede Woche aufbieten und dann bei jedem Taiding die Schranne besetzen. Das erste Taiding, auch Bautaiding genannt, wurde vor dem Anbau der Feldfrüchte gehalten, und zwar am Dienstag in der 1. Fastenwoche. Es diente vor allem grundsätzlichen Regelungen und der Eröffnung von Klagen. Der Amtmann musste schon beim ersten Taiding bekanntgeben, ob er sein Amt behalten oder niederlegen möchte. Es konnte ihm aber auch von der Vogtherrschaft (Salaberg) oder von der Gerichtsgemeinde aus sein Amt aufgesagt werden, wenn er etwa Unwillen erregt hatte. Im Falle eines Amtmannwechsels musste sofort beim ersten Taiding der neue Amtmann eingesetzt werden, doch musste er in der Herrschaft Salaberg, nicht etwa in Rohrbach, hausgesessen sein. Beim zweiten Taiding hatte er schon seine Amtshandlungen auszuführen.
Klagen über Grund und Boden durften gleichfalls nur beim ersten Taiding vorgebracht werden. Wer dies versäumte, konnte dann ein ganzes Jahr nicht mehr über Grund und Boden klagen, weil die Saat schon ausgestreut und die Bodennutzung bis zur Ernte auf alle Fälle dem Besitzer der Saat zustand.
Das zweite Taiding kam eine Woche nach dem ersten zustande und hatte bereits über die eingebrachten Grund- und Bodenklagen zu entscheiden, nur im äußersten Falle wurde der Rechtsspruch in einem weiteren Taiding (zwei Wochen nach dem zweiten) gefällt.
Das regelmäßige dritte Taiding diente der Behandlung der Zehente. Es fiel auf den Dienstag nach St. Johann in der Sonnenwende. Das mit der Sichel gemähte Getreide musste im Stadel, das mit der Sense gemähte auf dem Felde abgezählt und gemeldet werden. Bestand der Verdacht eines Betruges, so musste derjenige, dem der Zehent gehört, dem Bauern einen Wagen mit zwei Pferden im Werte von 32 Talern in die Tenne stellen. Der Bauer muss nun widerspruchslos eine Neuzählung vor Zeugen und durch den Zehentbesitzer zulassen. Ergibt es sich, dass der Bauer wirklich betrogen hat, dann darf er den Zehent behalten, muss aber alle anderen neun Teile der Ernte strafweise an den Herrn abliefern. Erweist sich der Bauer als ehrlich, so muss der Zehentherr ihm das Gespann mit den zwei Pferden überlassen und noch dazu die Peitsche auf den Kumpf stecken. Alle Zehente sind von den Untertanen an ihren Grundherrn bis zum Tage des heiligen Ägid (1. September) in den herrschaftlichen Getreidekasten abzuliefern.
Zehent und Vogtdienst
Sehr spät im Jahre wurde das vierte regelmäßige Taiding abgehalten. Es fiel auf den Dienstag nach dem St. Kolomans-Tage (13. Oktober). Nun musste festgesetzt werden, wann der Vogtdienst der Vogteiuntertanen in den Kasten der Herrschaft Salaberg abzuliefern sei. (Der Salaberger Herr war ja der Vogt auch der Rohrbacher und Pfarr-Haager Untertanen.) Der gesetzliche Termin für den Vogtdienst war die Zeit zwischen 13. 10. und 6. 1. Weigerte sich ein Untertane, den Getreidedienst zu leisten, dann sollte er dafür von seiten des Salabergers aus nicht bestraft werden, weder mit einer Geldbuße, noch mit einer Gefängnisstrafe. Doch sollte ihn der Amtmann pfänden, ihm den Zugang zum Getreide sperren und ihn somit zwingen, der Herrschaft den Naturaldienst zu leisten. Bestand die Vermutung, dass die Herrschaft zu Salaberg ihr Kastenmaß abgeändert hätte und die Bauern somit bei der Ablieferung des Zehents betrogen würden, so musste hierin gleichfalls das vierte Taiding Klarheit schaffen. Der Amtmann hatte dann mit vier oder sechs Hintersassen das Maß am herrschaftlichen Kasten mit dem bei der Gemeinde üblichen Metzen (Getreidemaß) zu vergleichen.
Bräuche beim Taiding
Der Besuch der Taidinge war verpflichtend. Wer nicht kommt, hat der Herrschaft Salaberg 60 Pfennige Strafe zu zahlen. Es können aber auch seine zwei Nachbarn mit der gleichen Strafe belegt werden, wenn sie das Fehlen ihres Nachbars nicht melden. Entschuldigt ist nur, wer krank liegt oder einen Dienst für die Herrschaft zu verrichten hat.
Zu Beginn des ersten Taidings, am Dienstag in der ersten Fastenwoche, muss der Marktrichter von Haag in der Schranne sitzen und der Amtmann durch zwei Zeugen aus den Anwesenden beweisen, dass er das Taiding zur rechten Zeit einberufen habe. Zwei Bauern, jeder von ihnen auf je einer Kammerhube sitzend, somit größere Bauern, der eine aus der Herrschaft Rohrbach, der andere aus der Herrschaft Salaberg, müssen die Redner sein, d. h. dem Amtmann oder dem Marktrichter Rede und Antwort stehen, die Rechtmäßigkeit des Thinges (oder Taidings) bezeugen. Der Amtmann verliest nun das Weistum mit allen seinen aufgeschriebenen Rechten, und die Redner haben ihm wiederum zu bestätigen, dass diese Rechte so von eh und je gehalten worden sind und dass sie nicht durch irgend wen verändert wurden. Die Redner fordern sodann alle, die beim Taiding anwesend sind, auf, die Wahrheit ihrer Aussage zu bekräftigen. Erst jetzt kann das Vorbringen der Klagen durch die einzelnen, die in der Schranne sitzen, erfolgen. Mehr als das Einreichen der Klagen geschieht jedoch beim ersten Taiding nicht.
Die meisten der vorgebrachten Klagen waren gewiss Streitigkeiten über Grundverhältnisse, Abgaben und Lieferungen, wie es sich eben aus den bäuerlichen Verhältnissen ergibt und wie auch deutlich die Setzung der Taidingstermine anzeigt.
Strafbußen
In der Herrschaft und Vogtei gab es nur drei Fälle von Strafbußen (Fravelwandel): wenn sich einer des Amtmannes erwehrte, wenn er die Grenzmarken ohne Willen und Wissen des Nachbarn versetzte oder wenn er einen andern mit Waffen bis in sein Haus verfolgte (Hausfriedensbruch). Für jede dieser Übertretungen war eine Strafe von 6 Schillingen und 12 Pfennigen zu erlegen.
Rechte des Amtmannes
Beim Versetzen von Rainsteinen hatte der Hintersasse dem Amtmann pro Stein 12 Pfennige zu zahlen; weiters durfte der Amtmann verschiedene Abgaben von den Bauern einfordern, die ihm sein Amt etwas erstrebenswerter machten. Er konnte alljährlich einmal Korn und einmal Hafer im Sammelwege einverlangen, wobei die Höhe der Spende freiblieb. Er hatte außerdem den Dienst von zwei Gütern zu Klaubling, deren Zehente ihm gehörten; er erhielt von den Hintersassen der Herrschaft alljährlich zehn Schnitter, zehn Hähne und zehn Hennen, genoss dazu noch den Zehent am Bauerngut „Am Feld" und war steuer- und abgabenfrei. Dafür musste er alle seine Amtsverrichtungen erfüllen; hatte er aber von Amts wegen außerhalb des Herrschaftsgebietes zu tun, so durfte er noch Reisezehrung beanspruchen. Wurde er ausgesandt, um im Auftrage des Vogtes jemanden zu pfänden, so musste ihm der Gepfändete noch zehn Pfennige zahlen.
Das Salaberger Weistum aus dem Jahre 1532 sieht aber nicht bloß vor, was der Amtmann und die ganze Gerichtsgemeinde an den vier regelmäßigen Gerichtstagen, den Taidingen, zu tun hat, es gibt auch Anleitungen, wie die außergewöhnlichen Fälle zu behandeln sind, es regelt Abgaben und Robote und zählt alle Freiheiten auf, die der Bauer zu Haag besaß.
1. Besondere Fälle.
Wenn ein Hintersasse dem anderen heimlich Holz abschlägt, so soll er von dem Geschädigten gepfändet werden. Außerdem muss der Holzdieb für jeden Stamm 60 Pfennige der Salaberger Herrschaft zahlen (dem Vogtherrn) und die Herrschaft muss ihn zum Schadenersatz zwingen. Auf das Bußgeld kann freilich die Herrschaft verzichten, aber dem Geschädigten muss der Schaden auf alle Fälle ersetzt werden.
Wenn ein Vieh sich auf das Grundstück des Nachbarn verläuft, so soll er es heimtreiben. Geschieht es öfters, so soll er das Vieh einsperren und den Besitzer vor Anbruch der Nacht davon verständigen. Dieser muss das Vieh holen und den Schaden ersetzen. Tut er es nicht, wird ihm ein Pfand geschickt: für eine Sau ein Saukumpfen, für ein Roß ein Spannseil, für eine Kuh eine Sichel. Löst der Nachbar das Vieh noch immer nicht aus, meist aus Stolz, so soll man das Vieh nicht länger als drei Tage behalten und die Sache der Vogtherrschaft zur Regelung des Schadens übergeben. Ebenso wird der sofort der Herrschaft angezeigt, der auf einer fremden Wiese Gras mäht.
Weg- und Flurrecht
Wenn ein Bauer dem anderen bei der Ernte hilft, ehe er selber noch geerntet hat, darf er sein Vieh auf die abgeernteten Felder des Nachbarn treiben. Damit der Zehent eingebracht werden kann, müssen Stege und Wege in Ordnung gerichtet werden. Dafür sorgt wiederum der Amtmann. Der Weg zur Kirche, zu den Brunnen und zur Mühle sollen verbleiben, so wie sie immer waren. Will ein Bauer diese Wege über seinen Grund nicht mehr dulden, so kann jeder Wegbenützer von der Haustür des Bauern einen Zwirnsfaden bis zur Kirche, zum Brunnen oder zur Mühle ziehen und über Felder und Wiesen des Bauern den geraden Weg der Schnur nachgehen.
Schwärmen Bienen auf den Baum eines Nachbarn, so sollen dem Besitzer des Baumes, wenn es ein veredelter Baum ist, zwölf Pfennige gegeben werden. Erst dann darf man die Bienen wieder als Besitzer an sich nehmen.
Für Bäume und Zäune hat jeder Bauer selbst zu sorgen. Zu Beginn des Anbaues, sobald die Nachbarn auf das Feld fahren, hat jeder Besitzer auf seinem Weidegrund den Gattern einzuhängen (im Winter war er offenbar weggeräumt), für Umfriedungen und Wassergräben wie für Grenzgräben zu sorgen. Gräbt aber einer dem Nachbarn auf der Grenze Erde weg, muss er für jeden Schaufelstich an den Vogt 60 Pfennig Strafe zahlen.
Verbrechen und Fahndung
Fordert der Landrichter einen in der Herrschaft oder Vogtei bekannten Verbrecher an, so hat zuerst der Vogt bei dessen Nachbarn Erkundigungen einzuziehen, sodann den Verdächtigten festzunehmen und zu verhören. Stellt sich heraus, dass er wirklich ein Verbrecher ist, dann lässt der Vogtherr dem Landrichter Botschaft zukommen und setzt einen Rechtstag in der Horfmark Haag fest. Der „arme Mann", wie man einen solchen Verbrecher nannte, erhielt seinen Rechtsspruch auf der Schlossbrücke zu Salaberg, und zwar vor dem Volk und durch den Landrichter, der vom Schlossherrn in das Schloss eingelassen wurde, sonst aber sich nirgends in der Hofmark länger aufhalten durfte, als man Zeit benötigt, um eine halbe Maß Wein zu trinken.
Wird der „arme Mann" zum Tode verurteilt, so wird er dem Landrichter übergeben, sein Gut verfällt der nächsten Verwandtschaft und der Vogtherrschaft. Übernimmt ihn der Landrichter nicht, so schafft man den Verurteilten aus der Hofmark.
Diebe sind vogelfrei
Streifende Diebe, die von auswärts in das Gebiet der Hofmark Haag eingedrungen sind, werden von den Leuten der Herrschaft bis zur Mitte des Ennsflusses, der Donau oder der Ybbs verfolgt. Solche Leute werden dem Landrichter ausgeliefert, ohne dass man sie vor dem Haager Volk auf der Salaberger Schlossbrücke zur gerichtlichen Verantwortung stellt. Findet sich aber der Landrichter zur Auslieferung des Diebes nicht ein, so wird dieser zu dem Gattern gebracht, der gegen Strengberg liegt und „an der Sau" genannt wird. Dort wird der landstreichende Dieb angebunden mit einem „kranken Zwirnsfaden" oder einem starken Strohhalm, dann wird dreimal nach dem Landrichter gerufen. Ob er nun kommt oder nicht, die Haager sind den Dieb los.
Streifende Diebe können im Haager Gebiet auch ohne viel Federlesens totgeschlagen werden. Der Totschläger hat den Dieb hierauf mit Wissen der Herrschaft in eine Wildnis zu schaffen und dem Toten drei Pfennige auf die Brust zu legen.
Todschlag
Wird jemand in der Vogtei ohne Absicht erschlagen, dann soll der Totschläger das Totenwandel (Strafgeld) am dritten Tag „bei scheinender Sonne" dem Landrichter in Enns oder dessen Pfleger (Verwalter) bringen, und zwar 6 Schilling, 12 Pfennig und 1 Heller. Will der Pfleger das Bußgeld nicht annehmen, soll sich der Totschläger rasch zwei Ennser Bürger als Zeugen besorgen und vor diesen Zeugen wiederum dem Landrichter oder dem Pfleger der Burg Enns das Geld anbieten. Verweigert dieser abermals die Annahme, mit dem Hintergedanken, dass dann dem Totschläger eine andere Strafe zugesprochen werden kann, so soll der Totschläger das Geld auf die Ennser Schlossbrücke legen und in Gegenwart der zwei Zeugen mit einem Stein beschweren. Damit ist er aller Strafe frei. Der Vogtherr wird in einem solchen Falle seinen Untertanen vor dem Landrichter beschützen, allerdings nur, wenn es unvorsätzlicher Totschlag war und nicht hinterhältiger Mord.
2. Freiheiten.
Schon diese letzte besondere Bestimmung über Totschläger, die aus Haags Hofmark stammen, ist eine ausgesprochene Freiheit, d. h. ein Vorrecht, das einstens einmal der Bischof seinen Untertanen zu Haag erwirkt hat. Solcher Freiheiten gibt es noch andere: das Eintrittsverbot des Landrichters in das Haager Gebiet gehört auch dazu. Außerdem sind die Herrschaftsuntertanen von Salaberg auch steuerfrei, ausgenommen der Fall, dass der Landesfürst eine Steuer anschlägt. Sogar die Steuerfreiheit dem Landesfürsten gegenüber besaßen sie vor dem Jahre 1523, haben sie jedoch damals verloren. Schlägt der Landesfürst eine Steuer an, so muss der Amtmann etliche Nachbarn auffordern, die Steuer für jeden Hintersassen nach Gebühr zu berechnen.
Ebenso sind die Herrschaftsuntertanen drei Meilen Weges von Salaberg entfernt maut-, zoll- und aufschlagsfrei, und die Herrschaft ist verpflichtet, ihn den Mautstätten gegenüber in dieser Freiheit zu beschützen.
3. Abgaben und Robote.
Von den üblichen Abgaben, die ursprünglich einmal dem Bischof von Bamberg zu entrichten waren, erhielt sich in Haag am längsten die Weihesteuer, aber auch sie erscheint im Weistum von 1523 nicht mehr als Verpflichtung auf. Außer den Zehenten an die jeweilige Herrschaft und dem Getreidedienst an den Vogt zu Salaberg hatten die Bauern keine weiteren Abgaben. Eine Ausnahme stellt nur die „Lemperhueb" dar, die beim Todesfall des Lehensherrn das sogenannte Sterbehaupt geben musste; es bestand hier in der Abgabe des zweitbesten Viehs, sei es Roß oder Kuh.
Roboten
Roboten hingegen gab es alljährlich vier: das Korn- und Weizenschneiden, wofür die Bauern ein Mittagessen von der Herrschaft bekamen; das Mistführen, bei dem die dazu bestimmten Leute pro Tag ein Essen und einen Metzen Hafer erhielten; die Weinfuhr von den Weingärten bei Wallsee nach Salaberg gegen Essen und einen Metzen Hafer; im Notfalle das Herbeiführen von Bauholz zum Schloss Salaberg.
Will der Besitzer eines rechten Lehens aus dem Herrschaftsverband ausscheiden, so braucht er sich nur mit Handschlag bei der Herrschaft zu verabschieden, dies gilt auch für den Besitzer der Lemperhueb. Alle übrigen Bauerngüter, die keine rechten Lehen sind, zahlen dreißig Pfennig bei Abfahrt oder Anfahrt der Herrschaft, d. h. bei Besitzabgabe oder bei Besitzerwerbung.
Gerichtsfrieden
So sind im Haager (bzw. Salaberger) Weistum die wichtigsten Dinge des Rechtslebens wie des Wirtschaftslebens geregelt. Wie wichtig es den Bauern erschien, dass ihr Weistum unverändert blieb, dass sie in ihren Rechten nicht geschmälert und in ihren Pflichten nicht beschwert wurden, beweist allein die Tatsache, dass der genaue Wortlaut aller dieser gesetzlichen Bestimmungen alljährlich der gesamten Rechtsgemeinde zu Gehör gebracht wurde. Die Tage des Taidings, in denen das Volk sein Recht suchte und sein wirtschaftliches Zusammenleben regelte, waren wichtige Zeitpunkte des Jahres. An diesen vier Herrschaftstagen musste im ganzen Vogteigebiet der Vogtei „Salleberg und Haag" der Burgfrieden herrschen, ebenso am Tage der Kreuzauffindung als einem Tage des Gebetes und am Feste des heiligen Michaels, des Erzengels und Schutzpatrons der Pfarrkirche. Kein Streit und Zank hatte Platz an solchen heiligen Zeiten.
Die Tage des Rechts waren mit religiöser Weihe umgeben, so wie auch das Recht selbst als in seinem letzten Ursprung von Gott stammend empfunden wurde. Daher war auch jede Auflehnung gegenüber der Herrschaft eine Sünde, und nicht bloß ein politisches Vergehen. An das Recht waren freilich alle gebunden, nicht bloß die Bauern, sondern auch die Herren; sie hatten unter sich andere Standesgesetze, sie waren besser gestellt als die Bauern, aber das, was sie von Rechts wegen dem Bauern schuldeten, mussten auch sie halten. Ein Fordern von mehr Robot oder Zehenten, ein ungebührliches Herausnehmen von Rechten aufseiten der Grundherren musste vom Volke genau so als Sünde wider das göttliche Recht empfunden werden und zur leidenschaftlichsten Empörung treiben, wie sie ihren Ausdruck im Bauernkriege gefunden hat.
ÜBERSICHT ÜBER GELD, MASSE UND GEWICHTE
1 Pfund Pfennig | = | 8 Schilling; 1 Schilling | = | 30 Pfennig Wiener Münze | ||
1 Kreuzer | = | 4 Pfennig Wiener Münze; 1 Pfund, also 240 Pfenig oder 60 Kreuzer; | ||||
1 Pfund | = | 1 fl. (Gulden) | = | 60 Kreuzer | ||
1 Meile | = | 4000 Klafter | = | 7586 Meter | ||
1 Klafter | = | 6 Schuh | = | 1.89 Meter | ||
1 Schuh | = | 12 Zoll | = | 0.316 Meter | ||
1 Tagwerk | = | 1 Joch | = | 1600 Quadratklafter | = | 5755 Quadratmeter |
1 Mut | = | 30 Metzen | = | 1845 Liter | ||
1 Metzen | = | 8 Maßl | = | 61.5 Liter (Stockerauer Maß) | = | 56 Liter (Landmaß) |
1 Zentner | = | 100 Pfund | = | 56 Kilogramm | ||
1 Pfund | = | 0.56 Kilogramm |