Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

Donnerstag, 29. September 1932

  • 6.00 Uhr Musikalischer Weckruf.
  • 8.00 Uhr Aufstellung der Vereine und Korporationen. 8.15 Uhr Heldenehrung beim Kriegerdenkmal, hierauf feierlicher Gottesdienst in der Pfarrkirche.
  • 9.00 Uhr Eröffnung der Pferde- und Kleintierausstellung.
  • 11.00 Uhr Empfang der Festgäste vor dem Ausstel­lungstor; Begrüßung durch den Herrn Bür­germeister und den Festausschuss Feierliche Eröffnung der Ausstellung.
  • 13.30 Uhr Festsitzung des Gemeinderates, hierauf Fest­tafel im Gasthof Forstmayr.
  • 14.30 Uhr Preisverteilung für die Pferdeausstellung. 15.30 Uhr Freilichtaufführung des Haager Festspieles am Kirchenplatz.

Der Weckruf um 6 Uhr hatte nur symbolische Bedeu­tung für den Beginn des ersten Haupttages, denn schon Stunden vorher waren alt und jung tätig, um vorzusor­gen, damit der programmreiche Tag gut verlaufe. Für die Bäcker, Fleischhauer, Wirte und die übrigen an der Ausstellung beteiligten Personen gab es sicher nur weni­ge Stunden Nachtruhe.

Um 8 Uhr war Treffpunkt in der Höllriglstraße. Hier und am Hauptplatz versammelten sich alle, die sich für den Festgottesdienst freimachen konnten: beide Ge­meindevertretungen, Beamte der Bezirkshauptmannschaft mit Hofrat Dr. Willfort an der Spitze, ferner die Beamten des Bezirksgerichtes, der Steueraufsichtsstelle, des Bezirksfürsorgeamtes, die Vertreter der Bauern- und Gewerbekammer, der Schule, der Post, des Bahnamtes, der Gendarmerie und sämtliche Vereine.

Vor Einzug der illustren Formationen in die Pfarrkirche fand noch ein würdiges Gedenken zu Ehren der Gefalle­nen vor dem Kriegerdenkmal statt.

Das mit prächtigem Festschmuck gezierte Gotteshaus war von den Gläubigen bis aufs letzte Plätzchen gefüllt. Die Festpredigt hielt der Festspieldichter, Professor Prä­lat Dr. Josef Wagner, das feierliche Hochamt zelebrierte Bischof Michael Memelauer. Der Kirchenchor brachte dabei unter der Leitung der Organistin, Frau Olga Görgl, die Messe „Missa brevis" von W. A. Mozart in formvollendeter Weise zu Gehör. Nach dem mit einem vollkommenen Ablass verbundenen päpstlichen Segen erfolgte der Auszug aus der Kirche. Die Prominenz traf sich im Pfarrhof zur Begrüßung von Bundespräsident Wilhelm Miklas, der mit Landeshauptmann Dr. Karl Buresch erschienen war.

Vom Herrn Bischof begrüßt, dankte der Bundespräsi­dent den anwesenden Vertretern der katholischen Kir­che, indem er auf die in den abgelaufenen 900 Jahren ge­leistete Kulturtätigkeit im Ennswaldgau hinwies. Als Zeichen der Anerkennung für dieses segensreiche Wir­ken verlieh er dem Pfarrherrn KR Franz Reininger das Silberne Ehrenzeichen der Republik.

Inzwischen warteten bereits unzählige Menschen vor dem „Stadttor" in der Jahnstraße, um bei dem Empfang des Staatsoberhauptes und des Oberhirten mit dabei zu sein.

Vier Fanfarenbläser in malerischer Landsknechttracht kündigten das Eintreffen der hohen Gäste an. Unter den Klängen der Bundeshymne schritten die Herren durch ein Spalier zum Rednerpult, wo der Bundespräsident von der Schülerin Rosl Königshofer mit einem vierstrophigen Gedicht, verfasst von Dr. Oskar Maschek, be­grüßt wurde.

Nach einem herzlichen Willkomm durch den Bürger­meister Stefan Ströbitzer sprach Landeshauptmann Dr. Karl Buresch zur versammelten Menge. Er drückte na­mens des Landes der jungen Stadtgemeinde den Dank aus für das mustergültige Wirken im Dienste der Öffent­lichkeit. Er wies auf die geschichtsträchtige Entwicklung Haags innerhalb der letzten tausend Jahre hin und un­terstrich vor allem die Strebsamkeit der Bewohner des 500jährigen Marktes, die durch ihre Zähigkeit und Tat­kraft der nunmehr jungen Stadt geholfen haben, sich aus allen Rückschlägen zu neuer Blüte und Größe emporzu­arbeiten. So hat sich Haag zu einem vorbildlichen Ge­meinwesen entwickelt, das auch durch seine kommuna­len Einrichtungen bewiesen hat, mit den übrigen Städten Österreichs Schritt halten zu können. Dies alles bewog den Landtag, Haag zur Stadt zu erheben.

Exzellenz Michael Memelauer erinnerte daran, dass die Haager jederzeit Heimattreue und Herrgottstreue aus­zeichnete und bat, auch die junge Stadt möge die Tradi­tionen der Vorfahren weiterführen, auch die junge Stadt möge unter den Fittichen ihres Schutzpatrones, des hei­ligen Michael, heimattreu und herrgottstreu bleiben zum Segen des Volkes und des Vaterlandes.

Mit einem Prolog begrüßte Heinrich Schreiber als He­rold den Bundespräsidenten und überreichte ihm den vom Schlossermeister Josef Kaiserreiner kunstvoll aus Stahl geschnittenen, vergoldeten Schlüssel zum Tor der Ausstellung. Bundespräsident Miklas beglückwünschte die Festgemeinde und die Festpfarre zum Jubeltag na­mens des Vaterlandes. Er betonte, dass die Haager Aus­stellung die segensreiche Frucht einträchtiger Zusam­menarbeit von Bürgern und Bauern, von Gewerbetrei­benden und Arbeitern sei. Das Beispiel von Haag sei Vorbild für das ganze Vaterland, dessen Kraft nur in der Einigkeit begründet sei. Der Männergesangverein von Haag sang dann unter der Leitung seines Chormeisters Ferdinand Harmer den Lafitschen Chor „Sankt Mi­chael" und 16 Mädchen in männlicher und weiblicher Biedermeiertracht führten anschließend einen von Frau Frieda Winter (verehel. Lintl) eingeübten Reigen unter Begleitung des Menuetts von Mozart auf. Mit diesem Tanz endeten in stimmungsvoller Weise die Begrüßungs­feierlichkeiten, die durch die Ravag übertragen wurden.

Der Präsident der Jubiläumsausstellung, Karl Bilek, ge­leitete nun den Bundespräsidenten samt all den vielen Ehrengästen in die einzelnen Ausstellungsabteilungen. Die Abteilung Landwirtschaft war in folgende neun Gruppen gegliedert:

  • I. Pflanzenbau (Getreide, Hack­früchte, Futterbau);
  • II. Obst-, Garten- und Gemüsebau (Obst in allen Sorten, Pflanzen und Schnittblumen, Baumschulartikel, Sämereien und Gemüse);
  • III. Vieh­schauen (Rinder, Pferde und Schweine);
  • IV. Mostkost;
  • V. Forstwirtschaft und Jagd;
  • VI. Bienenzucht;
  • VII. Milchwirtschaftliche Schau;
  • VIII. Landwirtschaftliche Maschinen und Bedarfsartikel und
  • IX. Kleintierzucht.

Die gewerblichen und industriellen Produkte des Bezir­kes gliederten sich auf:

  • I. Eisen- und metallverarbeitende Gewerbe (Mechaniker, Schlosser, Schmiede, Spengler usw.);
  • II. Holzverarbeitende Gewerbe (Binder, Drechsler, Tischler, Wagner usw.);
  • III. Lederverarbeitende Gewerbe (Schuhmacher, Gerber, Sattler, Taschner usw.);
  • IV. Textilien- und Bekleidungsgewerbe (Kleidermacher, Hut­macher, Kürschner, Modistinnen, Wäscheerzeuger, We­ber usw.);
  • V. Baugewerbe (Anstreicher, Baumeister, Gla­ser, Maler, Steinmetze, Zementwarenerzeuger, Zimmer­meister, Ziegel- und Kalkbrennereien etc.);
  • VI. Approvisionierungsgewerbe (Bäcker, Zuckerbäcker, Müller, Fleischhauer, Fleischselcher, Gastwirte);
  • VII. Verschie­dene Gewerbe (Seiler, Wachszieher usw.). Eine weitere Abteilung umfasste industrielle Erzeugnisse und im Schulhaus waren neben den Schülerarbeiten die Schätze der Volkskunst ausgestellt.

Nach der Besichtigung dieser äußerst wirkungsvoll ge­stalteten Schau, die wiederholt von allen Festgästen ge­bührende Anerkennung gefunden hat, versammelten sich am Nachmittag die Ehrengäste und der Gemeinde­rat im Rathaus zu einer Festsitzung.

Bürgermeister Ströbitzer wies in seiner Ansprache auf die seinerzeitige Verleihung des Marktrechtes vor 500 Jahren hin und erinnerte an den Aufstieg der Gemeinde während dieser Zeit. Landeshauptmann Dr. Buresch hob hervor, dass der Beschluss des Landtages einstimmig gefasst wurde und dass sich darin die Anerkennung für die bisherige Arbeit der Gemeindevertretung ausdrücke.

„Stadtrechte”, sagte er, „sind heute nicht mehr mit be­sonderen Vorrechten verbunden. Die Erhebung des Marktes Haag zur Stadt möge aber als eine Auszeich­nung gewertet werden, an der jedes Mitglied des Gemeinderates Anteil hat."

Der Dank des Bundespräsidenten über die eindrucksvol­le Stadterhebungsfeier schloss mit der Mitteilung, dass er dem jetzigen Bürgermeister in Anbetracht seines ver­dienstvollen Wirkens auf öffentlichem Gebiet und als Sparkassendirektor das Goldene Verdienstzeichen der Republik verliehen habe.

Mit Dankesworten und einem „Hoch" auf die junge Stadt schloss hierauf der Bürgermeister die Festsitzung. Ein anderes großes Ereignis dieses Festtages war die Freilichtaufführung eines von Prälat Dr. Josef Wagner, eines gebürtigen Haagers, verfassten Festspieles. Unser heimatlicher Dichter, der mit seinen Werken „Ennswaldeiche", „Der Bauernhauptmann" und „Eisen und Stahl" der Heimattreue unserer Region ein herrliches Denkmal gesetzt hat, hat zum Haager Doppeljubiläum ein Festspiel geschrieben, das eine Huldigung der Stände und der Nachbarstädte zum Inhalt hatte.

„Weil Wagner sein Spiel mit dem Herzen geschrieben hat, darum fand es auch den Weg zu den Herzen der Zu­schauer. Der stürmische Beifall am Schluss der zweistün­digen Aufführung, als der Dichter auf das Podium trat, um in seiner gemütvollen Weise ein paar freundliche Worte an seine „lieben Haager Landsleute und Most­viertler" zu richten, war Beweis genug, welch tiefen Ein­druck das prächtige Spiel gemacht hat." Dies schrieb damals ein Rezensent einer oberösterreichischen Wo­chenzeitung unter „Berichte aus Niederösterreich".

Neben den vielen Mitwirkenden, die Stadtkapelle und das Streichorchester unter der Leitung von Ferdinand Harmer inbegriffen, die alle ihr Bestes gaben, wären noch hervorzuheben: Frau Berta Bäunard als Regisseu­rin, die Darstellerin der „jungen Stadt", Frau Anna Harmer, Felix Stier (Vater Leopold und Sprecher von Steyr), Rudolf Puchegger (Donaufürst), Dr. Werner Senkovsky (Sprecher der Stadt Enns), Frau Weilguni (Sprecherin von Linz), Konrad Teltscher (Sprecher von Amstetten), Heinrich Schreiber (Sprecher von Bechela­ren), Hans Lichtenberger (Herr von Bitz) und Edmund Kneidinger (Michl).