Haus-Chroniken von Haag

Nach Katastralgemeinden - von damals bis heute

Die Gerichtsbarkeit in der Zweiten Republik

Vieles wurde inzwischen anders: Die Gefängniszellen sind seit 1. Jänner 1958 aufgelassen. Die Häftlinge wer­den nicht mehr in Haag festgehalten. Sie kommen gleich in das Gefangenenhaus des Kreisgerichtes St. Pölten. Die große Wohnung für den Gerichtsvorsteher hat die Justizverwaltung der Gemeinde zur Vermietung überlas­sen. Ebenso wurden alle mit der Steueraufsichtsstelle zusammenhängenden Räume mit 1. August 1972 frei, da diese Außenstelle des Finanzamtes aufgelöst wurde. Der Gerichtsbezirk Haag umfasst heute die Gemeinden Behamberg, Ennsdorf, Ernsthofen, Haag, Haidersho­fen, St. Pantaleon, St. Valentin und Strengberg mit einer Einwohnerzahl von rund 27.400 Personen.

Die Rechtssprechung eines Bezirksgerichtes erstreckt sich auf folgende Rechtsgebiete: Strafrecht, Zivilrecht, Exekutionsrecht, Außerstreitverfahren mit Erbrecht, Vormundschafts-, Pflegschafts- und Grundbuchsrecht. Der auf die einzelnen Aufgabenbereiche entfallende Ar­beitsanfall betrug im Jahre 1980:

  1. für Strafrechtssachen (vorsätzliche und fahrlässige Delikte) mit 11 Prozent;
  2. für Zivilrechtssachen (Klagen und Exekutionen) mit 35 Prozent;
  3. für Außerstreitsachen (Grundbuchs-, Verlassen-schafts- und Vormundschaftssachen) mit 49 Prozent und
  4. für Justizverwaltungssachen mit 5 Prozent.

Diese umfangreichen Arbeiten besorgen: Magister Die­ter Pammer als Vorsteher des Bezirksgerichtes, damit auch Bearbeiter der Justizverwaltungssachen; Amtsrat Karl Zaller, Rechtspfleger in Zivil- und Exekutionssa­chen; Oberrevident Karl Hans Spörl, Rechtspfleger in Grundbuchssachen; Oberkontrollor Hildegund Baum, Kontrollor Karl Leberstorfer, Oberoffizial Friedrich Schepan als Gerichtsvollzieher, und die Vertragsbedien­steten Gertrude Nagl und Christine Reithofer. An zwei Tagen der Woche ist noch ein Richter dem Bezirks­gericht zugeteilt.

Rechtsauskünfte können im Sprengel des Bezirksgerich­tes Haag in den Rechtsanwaltskanzleien, im Notariat und im Bezirksgericht selbst eingeholt werden. Bei Ge­richt sind sie kostenlos; dies gilt auch für erste rechtsan­waltliche Auskünfte. Zu diesem Zweck steht pro Woche ein eigener Amtstag jeden Dienstag von 8 bis 12 und von 13 bis 15.30 Uhr zur Verfügung.

Beim Bezirksgericht können auch Anträge, die eine ge­richtliche Entscheidung erforderlich machen, zu Proto­koll gegeben werden. Auch hiefür laufen außer Gerichtsgebühren keine Kosten auf. Es kommt heute noch vor, dass Rechtssuchende nach solchen Hilfeleistungen zu fragen pflegen: — "was man denn nun schuldig sei". Für minderbemittelte Parteien gibt es Verfahrenshilfe, die von den Gerichtsgebühren und -kosten befreit (früher Armenrecht).

Es bestand der Plan, in jedem politischen Bezirk nur ein Bezirksgericht zu betreiben, und zwar am Ort der Be­zirkshauptmannschaft. Da zu einer solchen Reform die Zustimmung des Landeshauptmannes notwendig war und sich dieser dagegen aussprach, wurde der Plan fal­lengelassen.

Ein Amtsbetrieb, wie der des Gerichtsbezirkes Haag, ist gut überschaubar. Dies wirkt sich sicherlich auch in der Zusammenarbeit zwischen den Beamten des Gerichtes selbst und — wegen der leicht pflegbaren Kontakte — zwi­schen diesen und der Bevölkerung günstig aus; fast jeder kennt jeden.