Besitz des Klosters Niederaltaich (Urkunde von 863)
Die Geschichte ist, was unser westliches Mostviertel betrifft, in der Karolingerzeit sehr sparsam mit Urkunden. Eine der wenigen, die uns überkommen sind, ist eine Bestätigungsurkunde König Ludwigs des Deutschen von ca. 863 für den Besitz des Klosters Niederaltaich, darunter auch einen im Ennswald. Die Urkunde sagt auch aus, wo dieser Ennswald zu suchen ist; gemeint ist das ganze Gebiet zwischen Enns — Donau — Ybbs und Url. Darin liegt nun ein Ort, den man "Scalcobah" nennt. Wegen der Namensähnlichkeit mit dem Salabergerbach haben viele versucht, das Gebiet am Scalcobah mit Haag zu identifizieren, bis Werner in seinem Buch diesem Irrtum, der schon lange in der Literatur herumgeisterte, widersprach. Da sich die alte, längst überholte Ansicht neuerdings breitzumachen beginnt, ist es notwendig, sie gründlich zu widerlegen.
Die genannte Urkunde von ca. 863 hat mit Haag absolut nichts zu tun. Der Text spricht von einem Niederaltaicher Besitz namens "Scalcobah", sagt aber sofort, dass es sich bei diesem Namen auch um einen Bach handelt, und dass dieser erst in westliche Richtung bis zur Dagodeosmarcha und von dort in östliche Richtung bis zur Ruzaramarcha fließt. Damit ist die Westgrenze des Besitzes gegeben.
Es ist interessant, dass sich solche Grenzlinien oft über lange Zeiträume erhalten haben. Das trifft auch hier zu. Heute noch bildet der Bach die Westgrenze der Pfarre und Gemeinde Strengberg. Auch wer sich auf einer Herrschaftskarte schon einmal den Tegernseer Besitz um Strengberg/Achleiten angesehen hat, kommt zum gleichen Ergebnis.
Niederaltaich wurde vermutlich schon unter König Arnulf dieses Besitzes enteignet; jedenfalls scheint das Kloster nach 863 nie mehr als Besitzer der Güter am Scalcobah und sonst im Ennswald auf, die in Königshand zurückgefallen waren, sonst hätte sie Heinrich II. nicht dem Kloster Tegernsee zum Tausch anbieten können. Die Ostgrenze des Niederaltaicher Besitzes lag am "Cidalaribah", dem heutigen Zeitelbach, der durch Zeillern fließt, wo auch der ursprüngliche Vogteisitz des Klosters, die spätere Herrschaft Zeillern, liegt.
Die Südgrenze bildet die Kammlinie der Hügelkette, auf der die uralte römische Limesstraße dahinzieht. Die ungenannte Nordgrenze, soweit sie nicht schon durch den Aubach gebildet wurde, war die Donau. In diesem Raum hatte Niederaltaich mehrere Besitzgruppen, von welchen die am Scalcobah die westlichste, die am Zeitelbach die östlichste war.
Nun versucht man aber neuerdings mit einer Karte Eindruck zu machen, die in der 1971 erschienenen "Geschichte von Niederaltaich" von Stadtmüller/Pfister abgebildet ist und den Raum zwischen Haag und Zeillern mit dem eingetragenen Mittelpunkt Wolfsbach für Niederaltaich in Beschlag nimmt. Das ist völlig falsch. Der Text des Buches geht auf die abgebildete Karte nicht näher ein, doch erfährt man auf Seite 58, das Kloster habe im Ennswald Fuß fassen können, da die Söhne des bayrischen Edlen Elis die Siedlung Wolfsbach an Niederaltaich abtraten. Zusammen mit P. Dr. Benedikt Wagner, dem Stiftsarchivar von Seitenstetten, dem ich auch sonst für seine viele Mitarbeit an diesem Aufsatz danke, habe ich mir die Mühe gemacht, auf Grund der Anmerkungen der Sache nachzugehen. Das führte zu folgendem Ergebnis: Die Schenkung ging nicht an Niederaltaich, sondern an das Kloster St. Emmeram in Regensburg. Die Angaben im Text beziehen sich auch nicht auf Wolfsbach im Gerichtsbezirk St. Peter in der Au, sondern auf ein anderes Wolfsbach, das nach Karl Lechner (MIÖG. 60, 1952, S. 91 ff.) mit Unter Wolfsbach bei Neulengbach gleichzusetzen ist. Die von Stadtmüller/ Pfister in ihrem Werk über Niederaltaich veröffentlichte Karte ist daher falsch.
Wenn man aber versucht, diese zweifellos auf einem Fehler Vancsas, der von allen nachfolgenden Autoren ungeprüft übernommen wurde, aufgebaute Karte in Bezug auf die Zugehörigkeit Wolfsbachs zu Niederaltaich auch über Haag hinaus zu strecken und zu dehnen, so wird dabei nichts richtiger. Weder Wolfsbach, geschweige denn Haag, waren jemals niederaltaichischer Besitz. Dass Haag mit der Bestätigungsurkunde Ludwigs des Deutschen von ca. 863 nichts zu tun hat, wurde ja, wie schon erwähnt, von Werner (S. 49) einwandfrei erkannt. In den beiden unechten Urkunden vom 28. Juni 823, in denen König Ludwig der Fromme dem Bistum Passau einige von seinem Vater, Karl dem Großen, geschenkte Güter, welche durch die Markgrafen entfremdet worden waren, wieder zurückstellen ließ, ist Haag nicht erwähnt. Man kann sie also getrost übergehen.